Von Bagdad nach Stambul. Karl May

Von Bagdad nach Stambul - Karl May


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sich Hütten aus Zweigen gebaut. In einer solchen Hütte liegen die Haddedihn gefangen, an den Händen und Füßen gebunden.«

      »Weißt du das genau?«

      »Ja, Sihdi. Ich habe gar nicht geschlafen, sondern das Lager während der ganzen Nacht umschlichen, weil ich glaubte, vielleicht bis zu den Gefangenen kommen zu können. Es ging nicht. Nur dir könnte es vielleicht gelingen, Sihdi; denn du hast mich dieses Anschleichen ja erst gelehrt.«

      »Konntest du nicht aus irgend einem Umstande auf den Grund ihres Verbleibens schließen? Ich kann nicht begreifen, warum sie den Ort nicht gleich verlassen haben.«

      »Ich auch nicht, Sihdi; aber ich habe nichts erfahren können.«

      »Ich muß dich übrigens loben, Hadschi Halef Omar, daß es dir gelungen ist, uns so nahe zu kommen, ohne daß wir dich bemerkten. Woraus schlossest du, daß ich mich grad hier befinden werde?«

      »Weil ich deine Art und Weise kenne, Sihdi, dir immer einen Ort zu suchen, wo du nicht gesehen wirst und dennoch alles sehen kannst.«

      »Ruhe dich jetzt aus. Ich will mir überlegen, was zu tun ist. Allo, führe mein Pferd zur Tränke und gib ihm neues Futter!«

      Der Köhler hatte sich noch gar nicht erhoben, um diesem Befehle Folge zu leisten, als der Hund leise anschlug. Am obersten Punkte unsers engen Gesichtskreises erschien ein Reiter, der sich schnell näherte und im Trabe an uns vorüberritt.

      »Hallo! Soll ich ihn wegputzen, Master?« fragte Lindsay.

      »Um keinen Preis!«

      »Ist aber ein Bebbeh!«

      »Laßt ihn! Wir sind keine Meuchelmörder!«

      »Hätten aber ein Pferd!«

      »Werde schon Pferde bekommen.«

      »Hm!« lächelte er. »Keine Meuchelmörder, aber doch Spitzbuben! Will Pferde stehlen! Yes!«

      Jetzt gab mir dieser eine Bebbeh von neuem zu denken. Weshalb hatte er die Seinigen verlassen, und wohin wollte er?

      Nach vielleicht einer Stunde wurde mir das Rätsel gelöst, denn er kehrte wieder zurück und ritt vorüber, ohne Ahnung, daß wir ihm so nahe seien.

      »Was hat er da unten gesagt, dieser Kerl?« sagte Lindsay.

      »Er ist ein Bote.«

      »Bote? Von wem?«

      »Von dem Scheik Gasahl Gaboya.«

      »An wen?«

      »An die Abteilung der Bebbeh, welche ungefähr eine halbe Stunde weiter unten den Weg besetzt hält.«

      »Woher wißt Ihr dies?«

      »Ich vermute es. Dieser Scheik hat auf irgend eine Weise erfahren, daß wir kommen werden, und den Weg an zwei Stellen verlegt, damit die zweite Truppe die gefangen nehme, die der ersten entgehen.«

      »Schön ausgedacht, Sir, wenn es wahr ist!«

      Dies mußte ich erforschen. Es ward nun verabredet, der Engländer solle nebst Allo bei meinem Pferde in unserem bisherigen Versteck bleiben, während ich mit Halef auf Kundschaft ausginge. Wenn ich aber bis zum Mittag des andern Tages nicht wieder zurückgekehrt sei, so möge Sir David unter Führung des Köhlers auf meinem Rappen nach Bistan reiten und dort bei Allos Bruder vierzehn Tage auf mich warten. »Komme ich mit Halef auch dann noch nicht,« – fügte ich bei – »so sind wir tot, und Ihr, Sir David, könnt mein Erbe antreten.«

      »Hm! Testament! Schauderhaft! Könnte ganz Kurdistan erschlagen! Erbe? Was denn?« fragte der wackere Sohn Albions.

      »Mein Pferd,« antwortete ich.

      »Mag es nicht! Wenn Ihr tot seid, soll dieses Land zugrunde gehen! Alle Pferde mit! Auch Ochsen, Schafe, Bebbeh, alles! Well!«

      »Nun wißt Ihr alles. Jetzt habe ich nur noch den Bannah-Kurden zu instruieren.«

      »Macht es ihm nur richtig klar, Sir! Kann kein einziges Wort mit ihm reden. Schöne Unterhaltung! Famoses Vergnügen! Prächtig! Konnte daheim in Alt-England bleiben! Brauche keine Fowling-bulls! Yes!«

      Ich war gezwungen, ihn seiner gelinden Verzweiflung zu überlassen. Nachdem ich Allo unterrichtet hatte, warf ich die beiden Gewehre über, um mich der Führung Halefs anzuvertrauen.

      Dieser leitete mich ganz genau auf demselben Wege zurück, den er am Morgen eingeschlagen hatte, und lieferte mir dabei den Beweis, daß er mir ein sehr gelehriger Schüler gewesen sei. Er hatte jede, auch die kleinste Deckung benutzt, das Terrain scharfsichtig beurteilt und die Füße immer so vorsichtig gehalten, daß es selbst einem Indianer nur mit Anstrengung gelungen wäre, die Fährte ohne Stocken zu verfolgen.

      Wir gingen beständig unter Bäumen, aber immer so, daß wir zwischen den Stämmen hindurch die offene Gegend vor Augen behielten. Ich hatte den Hund bei mir, und da wir gegen Wind gingen, so brauchten wir vor einer Ueberraschung keine Angst zu haben.

      Endlich waren wir der Gegend nahe gekommen, wo wir überfallen worden waren. Halef wollte mich noch weiter begleiten, ich aber gestattete es nicht.

      »Sollte ich gefangen werden,« sagte ich zu ihm, »so weißt du, wo du den Engländer zu finden hast. Für jetzt ist es das beste, du kletterst auf eine jener Pinien, welche so eng beisammen stehen, daß ihre Aeste ein dichtes Versteck bilden. Du kannst ja sehr gut den Knall meiner Büchse oder die raschen Laute meines Stutzens von der Stimme eines andern Gewehres unterscheiden. Ich bin nur dann in Gefahr, wenn du mich schießen hörst.«

      »Was soll ich dann tun?«

      »Sitzen bleiben, außer wenn ich laut nach dir rufe. Jetzt steige hinauf!«

      Ich nahm den Hund ganz hart an mich heran und schlich mich weiter. Es war allerdings eine gefährliche Sache, am hellen, lichten Tage sich so nahe an ein feindliches Lager zu wagen, daß man es genau übersehen und beobachten konnte.

      Nach einiger Zeit sah ich die erste Hütte durch die Bäume blicken. Sie war in Pyramidenform sehr urwüchsig aus Zweigen errichtet. Jetzt zog ich mich wieder zurück, um zunächst einen weiteren Halbkreis um den Ort zu ziehen; denn ich mußte sehen, ob sich etwa Bebbeh in der Tiefe des Waldes befänden. In diesem Falle hätte ich sie in meinem Rücken gehabt und wäre jedenfalls von ihnen entdeckt worden.

      Ich schlich von Baum zu Baum, immer die stärksten Stämme aussuchend und mit aller Aufmerksamkeit in die Einsamkeit des Forstes hineinhorchend. Bald bemerkte ich, daß meine Vorsicht gar nicht überflüssig gewesen sei; denn ich glaubte Menschenstimmen zu vernehmen, und zu gleicher Zeit stieß Dojan mich mit der Schnauze an. Das edle Tier wußte durch seinen Instinkt, daß es jetzt keinen Laut von sich geben dürfe, und sah mich mit seinen großen, klugen Augen unverwandt an.

      Als ich mich in der Richtung hielt, aus der die Laute gekommen waren, sah ich bald drei Männer unter einem Baume sitzen, den von drei Seiten ein junges, ungefähr fünf Fuß hohes Kirschlorbeergehölz umgab. Dieser Ort war wie geschaffen zum Belauschen. Und da ich annahm, daß das gestrige Ereignis auf alle Fälle der Gegenstand des Gespräches sei, so huschte ich von weitem um sie herum, legte mich sodann zu Boden und kroch bis zu den Kirschlorbeerbüschen heran, wo ich ihre Worte ganz deutlich vernehmen konnte.

      Wie erstaunte ich, als ich in einem von ihnen den Kurden erkannte, der zweimal unter Dojan gelegen hatte und den ich frei ließ, weil er sich für einen Dschiaf ausgab! Auch Dojan erkannte ihn wieder, denn seine Augen funkelten feindselig zu ihm hinüber, obgleich er keinen Laut von sich gab. Allo hatte also recht gesehen. Dieser Kurde war ein Bebbeh und hatte jedenfalls auf Wache gestanden, um unsere Ankunft zu melden. Ganz gewiß hatte er seitwärts im Verborgenen ein Pferd stehen gehabt und war uns vorausgeritten, während wir glaubten, daß er nordwärts gehe.

      »Sie waren dumm, alle!« hörte ich ihn sagen. »Am dümmsten aber war der Mann, welcher den schönen Rappen reitet.«

      War da vielleicht ich selbst gemeint? Sehr schmeichelhaft.

      »Wenn er die zurückgebliebenen Bejat nicht gefangen genommen und beleidigt hätte,« fuhr der Sprecher fort, »so hätten sie uns dann auch nicht sein Gespräch erzählt, welches sie belauscht hatten, und in welchem er den Weg angab,


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