Scepter und Hammer. Karl May

Scepter und Hammer - Karl May


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diesen jubelnden Worten warf sie sich auf die Liegende nieder, zog sich den Schleier vom Gesicht und küßte die Bewußtlose auf Stirn, Wange und Lippe.

      »Ja, sie lebt. Dank Dir, Fremdling! Du wird!«

      Auch sie war schön, doch einige Jahre älter als die Andere. Noch kniete ich an der Seite der Letzteren und hatte ihren Kopf auf meinem Arme liegen, von welchem das aufgelöste, reiche schwarze Haar in lockiger Fülle herniederfloß.«

      »Wer ist sie? Wer seid Ihr?« frug ich, mehr unwillkürlich als mit bestimmter Absicht.

      »Ich bin Aimée, die Lieblingsfrau des Vizekönigs, und diese hier heißt Almah. Wer bist Du? Ein Franke?«

      Sie sprach italienisch, um von den Dienern nicht verstanden zu werden; ich durfte also annehmen, daß sie lesen könne. Noch immer kniend griff ich mit der freien Hand in meine Tasche und nahm eine Karte hervor.

      »Nimm und lies, wer ich bin!

      Ich wollte weiter sprechen, wurde aber verhindert. Derjenige, welcher am Steuer der Barke gesessen hatte, trat herbei.

      »Warum lässest Du gehörst?«

      Diese Worte klangen streng. Sie wandte sich ab und ließ den Schleier fallen.

      »Lebe wohl, Fremdling. Aimée sagt Dir Dank; sie wird ihre Freundin auch ohne Hülfe pflegen.«

      »Ist Almah auch ein Weib?«

      »Nein.«

      Jetzt durfte ich es wagen, ohne der Herrlichen zu schaden. Ich hob ihr schwer auf meinem Arme liegendes Haupt empor und drückte Kuß um Kuß auf die halb geöffneten Lippen, zwischen denen das reine Elfenbein der Zähne hindurchschimmerte. Dann erhob ich mich.

      »Wessen Tochter ist sie?«

      »Ich darf es Dir nicht sagen. Hab Dank und lebe wohl!«

      »Sie reichte mir ihre Hand, allerdings ein großes Wagniß. Ich drückte meine Lippen auf die zarten Spitzen ihrer Finger und schritt wie im Traume nach meinem Kahne – —«

      »Verdammt! Das war ein Fehler! Das hätte ich nicht gemacht! Ich wäre sicher nicht eher fortgegangen, als bis ich erfahren hätte, wer sie war. Doch, Sie haben sie wiedergesehen?«

      »Nein.«

      »Was? Nein? Das ist ja vollständig unmöglich!«

      »Es ist einfach wirklich. Ich nahm mir allerdings vor, nach ihr zu forschen, erhielt aber bereits am nächsten Tage den Befehl, nach Algier zu gehen – tout voila; ich bin zu Ende!«

      »Zu Ende? Wirklich? Sie wollen nicht längeren Urlaub nehmen und hinübergehen, um nach ihr zu forschen?«

      »Ich bin nicht Phantast genug, um solch einen Entschluß fassen zu können, und der Dienst —«

      »Ja, der leidige Dienst! Und doch! Treten Sie mir Ihre Egypterin ab, Kapitän! Ich werde hinübergehen und den Vizekönig interpelliren. Er muß mich mit seiner Aimée sprechen lassen, und von dieser ist es ja zu erfahren, wer die Unvergleichliche ist.«

      Der Kapitän lächelte.

      »Ich kann nicht ein Gut abtreten, welches ich nicht besitze.«

      »So nehme ich es mir selbst. Kapitän, ich schwöre es Ihnen bei allen Liaisons der Erde, daß ich bei nächster Gelegenheit nach Egypten gehe, um Ihre Bekanntschaft fortzusetzen. Aber, meine Herren, vergessen wir nicht, daß wir für jetzt weiter engagirt sind; es bleibt uns nur noch eine Viertelstunde für unseren Wirth übrig. Vivat alle Aimées und Almahs; Pereat alle Dahabies und Sandals, und vor allen Dingen lebe der Entdecker des schönsten Weibes im Lande der Pharaonen. Hoch!«

      Die Gläser klangen; die Flaschen entleerten sich, und als die Letzte unter der Tafel verschwunden war, erhoben sich die Herren. Der Kapitän blieb allein zurück.

      Er war ernst geblieben trotz der launigen Gesellschaft. Jetzt lehnte er sich in den Sessel zurück und öffnete das Medaillon, welches an seiner Uhrkette befestigt war. Es enthielt einen Frauenkopf von jener Schönheit, welche nur unter den Gluthen des Orientes zu finden ist.

      »Almah! Sie ist das erste Weib, welches ich liebe, und wird auch das letzte sein. Sie ist vor mir aufgetaucht und verschwunden, wie ein Phänomen, welches mir nie wieder erscheinen wird; aber ich habe ihre Züge festgehalten und werde von dieser süßesten meiner Erinnerungen zehren, so lange mein Herz schlägt und meine Brust athmet!«

      Er trat aus der Veranda in das anliegende Zimmer und klingelte. Ein alter Mann erschien, welcher mit einer tiefen Verneigung vor der Thür stehen blieb.

      »Haben Sie die Zimmer für den Pascha in Bereitschaft gesetzt?«

      »Ja, Durchlaucht. Wann wird der Gast eintreffen?«

      »Ich weiß es nicht. Sie werden für die nothwendige Dienerschaft sorgen müssen. Hoffentlich bleibt Ihnen bis zu seinem Eintreffen noch so viel Zeit, Alles zu arrangiren. Gestern kam der Brief des Vaters; es ist also anzunehmen, daß der Pascha vor Anfang nächster Woche nicht eintreffen wird. Für jetzt bitte ich um meinen Matrosenanzug!«

      Der alte Kastellan trat einen Schritt näher.

      »Durchlaucht wissen, wie lieb ich Sie habe und wie glücklich es mich macht, meinen hohen jungen Herrn nicht so stolz zu sehen wie Andere, welche weder die Geburt noch die Verdienste des Kapitän von Sternburg aufzuweisen haben. Aber – — dieses Inkognito, dieses Herniedersteigen zu den untersten Klassen der Bevölkerung, könnte es nicht einmal mit Gefahren verbunden sein, denen man nicht gewachsen ist, weil sie unerwartet hereinbrechen?«

      Der Prinz reichte dem treuen Manne die Hand entgegen.

      »Ich kenne Sie, Horn, und bin weit entfernt, mich durch Ihre so gut gemeinte Warnung verletzt zu fühlen. Darum will Anzug!«

      Der Kastellan entfernte sich und brachte nach einigen Augenblicken die verlangten Kleidungsstücke. Arthur legte sie an, verwirrte sich das wohlfrisirte Haar, gab dem sorgfältig gepflegten Schnurrbärtchen eine weniger kühne Haltung, und glich nun einem Matrosen in sonntäglicher Bekleidung. Horn war ihm bei dieser Metamorphose behülflich gewesen und betrachtete mit wohlgefälligem Lächeln die prächtig gebaute Gestalt seines jungen Gebieters.

      »Und dennoch, Durchlaucht, sieht man es Ihnen an, daß Sie keine gewöhnliche Theerjacke sind.«

      »So? Hm! Wollen sehen! Ein wenig Staub und Schmutz wird diesen Übelstand beseitigen. Adieu, Horn!«

      Er ging.

      Von der Veranda zum Schloßgarten niedersteigend, verließ er den Letzteren durch eine kleine Seitenpforte, schritt zwischen einigen Weinbergen hindurch und befand sich bald auf einem Wege, welcher in regelmäßigen Windungen zur Stadt hinabführte. Dort angekommen suchte er den Hafen auf. Hier schlenderte er scheinbar zwecklos auf und ab, doch ließen die scharfen Blicke, mit welchen er selbst die geringste Kleinigkeit beobachtete, errathen, daß diesem harmlosen Spaziergange dennoch eine bestimmte Absicht zu Grund liege.

      Später trat er in eine jener Restaurationen, welche meist von Seefahrern besucht werden. Der vordere Raum derselben war für gewöhnlichere Gäste bestimmt, und von hier aus führte eine Thür nach einem Nebenzimmer, in welches sich die Kapitäne und Steuerleute zurückzuziehen pflegten. Hier war es jetzt vollständig leer, und Arthur nahm in der Gaststube auf einem Stuhle Platz, welcher am offenen Fenster stand. Von hier aus hatte er einen offenen Blick auf das Treiben des Hafens und auf die See, welche von dem letzteren aus den ganzen Raum bis zum Horizont erfüllte.

      Nicht weit von ihm saßen einige Matrosen beim Kruge, deren ganzes Äußere dafür sprach, daß sie manches Jahr ihres Lebens auf dem Meere zugebracht hatten. Sie befanden sich in einem lebhaften Gespräche, welchem auch die sämmtlichen andern Gäste mit Interesse zuhörten.

      »Und ich sagen Euch dennoch, daß der »Tiger« ein Dreimaster ist, der es mit der größten Fregatte aufzunehmen vermag. Ich habe mit Einem gesprochen, der diente auf einer Brigg, welche von dem Korsaren genommen wurde. Er hat also das Schiff genau betrachten können,« meinte einer der Leute.

      »Hast nicht nothwendig, es ihm zu glauben, Wilm,« antwortete ein Anderer. »Der Tiger ist eine Korvette mit neun Kanonen. Ich habe sie selbst gesehen, und


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