Auf zwei Planeten. Kurd Laßwitz

Auf zwei Planeten - Kurd Laßwitz


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spaßhaft erschien, das vermochte La so harmlos nicht anzusehen. Der ›arme Mensch‹, mit dem Se sich so lustig unterhielt, war ihr doch in einem andern Licht erschienen, damals, als er, in seinem eignen Element tätig, Leistungen verrichtete, die über das Vermögen der Nume hinausgingen.

      Sie konnte den Moment nicht vergessen, in welchem sie sich in seinen starken Armen vom vernichtenden Abgrund zurückgerissen fühlte. Und so blieb es ihr immer gegenwärtig, daß dieses Spielzeug der erhabenen Nume, wenn auch nur ein Mensch, doch ein freies Lebewesen sei, kein ebenbürtiger Geist, aber vielleicht ein ebenbürtiges Herz. Ein doppeltes Mitleid stritt mit sich selbst in ihrer Seele, sie vermochte ihn nicht zu kränken durch Kälte und Zurückweisung, und sie wollte nicht Gefühle erwecken, die ihm doch nur zu größerem Leid werden konnten. Wer kann wissen, wie Menschenherzen fühlen mögen? Vielleicht waren die Menschen viel stärker in ihren Gefühlen als in ihrem Verstand. Und sie war Saltner zu dankbar, um nicht für ihn zu denken, was er wohl nicht verstand. – Aber was tun?

      Wäre Saltner ein Martier gewesen, so hätte es keiner Vorsicht für La bedurft. Er hätte dann gewußt, daß ihre Freundlichkeit und selbst ihre Zärtlichkeit nichts bedeuteten als das ästhetische Spiel bewegter Gemüter, das die Freiheit der Person nicht beschränken kann. Wie jedoch mochten Menschen in diesem Fall denken? Durfte sie hierin ohne weiteres gleiche Sitten voraussetzen? Und würde er wohl verstehen, was von vornherein und immer den Menschen, den wilden Erdbewohner, von der heiteren Freiheit des erhabenen Numen trennte? Und lief er nicht Gefahr, bei Se demselben Schicksal zu verfallen, vor dem sie ihn selbst zu behüten suchte?

      Wenn sie Se ihre Bedenken andeutete, so lachte diese nur.

      »Aber La«, sagte sie, »du bist auch gar zu bedächtig! Ich bitte dich, er ist ja bloß ein Mensch! Es ist doch furchtbar komisch, wenn der sich Mühe gibt, so recht liebenswürdig zu sein.«

      »Du kannst aber nicht wissen«, antwortete La, »ob ihm auch so furchtbar komisch zumute ist. Ein Tier, das wir necken, scheint uns oft äußerst lächerlich, und ich muß dann doch immer denken, daß es vielleicht bitter dabei leidet. Und ein Mensch ist doch nicht bloß komisch –«

      »Ich habe freilich noch keinen in einer Eisgrube gesehen«, sagte Se, »doch ich glaube, du brauchst dir um den keine Sorge zu machen. Wenn es dich aber beruhigt, so kann man ihn ja leicht merken lassen, wie’s gemeint ist –«

      »Ich will ihn aber nicht kränken.«

      »Im Gegenteil, wir machen gemeinsame Sache. Wir binden ihn beide.«

      »Meinst du, daß ein Mensch das Spiel versteht?«

      »Na, wenn er so dumm ist –«

      »Wir wissen doch gar nichts von den Anschauungen –«

      »So werden wir uns eben alle drei belehren. Schade, daß der steife Grunthe nicht mitspielen kann. Willst du?«

      »Ich werde mir’s überlegen.«

      La zog sich zu ihren Studien zurück. Se begab sich in das Gesellschaftszimmer, wo sie Saltner wieder mit Zeichnen beschäftigt fand.

      »Wenn ich mit meinen Mustern glücklich nach Deutschland zurückkomme«, rief er vergnügt, »so bin ich ein gemachter Mann. ›Martisch‹ muß Mode werden. Ich gründe einen Bazar für Marswaren. Schade nur, daß wir die Rohstoffe nicht haben werden. Was ist das zum Beispiel für ein wunderbares Gewebe, aus dem Ihr Schleier besteht? Die Stickerei darin bildet lauter funkelnde Sterne, die sich nirgends untereinander berühren; nirgends ist ein Grund sichtbar, der sie zusammenhält. Es scheint, als schwebe eine Wolke von Funken um Sie her.«

      »Das tut sie auch«, sagte Se lachend, »aber sie brennt nicht, fühlen Sie getrost! Kommen Sie gefälligst hierher, denn über den Strich gehe ich nicht.«

      Se hatte sich, mit einer chemischen Handarbeit beschäftigt, auf einem der niedrigen Diwane, wie die Martier sie lieben, niedergelassen, während Saltner an seinem eigenhändig hergerichteten Pult sich befand. Er legte den Zeichenstift fort und trat an Se heran, die sich mit ihrem Diwan bis dicht an die Schwerkraftgrenze gerückt hatte.

      »Geben Sie Ihre Hände her«, sagte Se.

      Sie nahm ein Ende des langen Schleiers und band damit Saltners Hände zusammen. Man konnte keinerlei Stoff erkennen. Es sah auch jetzt aus, als wenn ein Strom vom lichten Funken um seine Hände stöbe.

      »Fühlen Sie etwas?« fragte Se.

      »Jetzt, nachdem Sie Ihre Finger fortgenommen haben, nichts. Kann man denn den Stoff überhaupt nicht fühlen?«

      »Wenigstens nicht mit der groben Haut von euch Menschen.«

      Saltner führte die zusammengebundenen Hände mit dem Schleier an seine Lippen.

      »Doch«, sagte er, »mit den Lippen fühle ich, daß etwas zwischen meiner Hand und meinem Mund ist.«

      »Nun strengen Sie einmal Ihre Riesenkräfte an, und reißen Sie die Hände voneinander.«

      »Oh, das wäre schade um den Funkenschleier.«

      »Versuchen Sie es nur.«

      Saltner zerrte seine Hände auseinander, aber je heftiger er zog, um so enger schloß sich der Knoten, und er merkte jetzt, wie sich die kleinen Sternchen in seine Haut eingruben.

      »Ja«, sagte Se, »der Stoff ist unzerreißbar, wenigstens kann er kolossale Lasten halten. Diese unsichtbar feinen Fäden, von denen jeder wohl einen Zentner tragen kann, sind für viele unserer Apparate ein unentbehrlicher Bestandteil. Jetzt sind Sie also gefesselt und können ohne meine Erlaubnis nicht mehr fort.«

      »Um die bitte ich auch gar nicht, ich finde es reizend hier«, sagte Saltner und beugte sich über die Lehne des Diwans, auf welche er die gebundenen Hände stützte.

      Se faßte seinen Kopf zwischen ihre Hände und bog ihn zu sich nieder, während sie ihm in die Augen sah, als wollte sie seine Gedanken ergründen.

      »Seid ihr eigentlich dumm, ihr Menschen?« fragte sie plötzlich.

      »Nicht so ganz«, sagte Saltner, indem er sich noch tiefer herabbeugte.

      »Der Strich!« rief Se lachend und schob seinen Kopf leicht zurück. »Geben Sie die Hände her.«

      Sie löste im Augenblick den Knoten und ergriff wieder die gläsernen Stäbchen, mit denen sie in einem Gefäß auf besondere Weise hantierte.

      »Sie haben mir noch immer nicht gesagt«, sprach Saltner, nach seinem Pult zurückgehend, »was für ein Stoff das ist, auf dem die Stickerei sitzt.«

      »Eine Stickerei ist es überhaupt nicht, sondern es sind Dela – wie heißt das? Aus Muscheln, kleine Kristalle, die sich darin bilden.«

      »Also etwas Ähnliches wie unsere Perlen –«

      »Aber sie leuchten von selbst. Und der Stoff ist Lis.«

      »Lis? Da bin ich ebenso klug.«

      »Lis ist eine Spinne, sie webt ein fast unsichtbares Netz.«

      »Und wie findet man das auf? Wie webt man die Fäden?«

      »Im polarisierten Licht, sehr einfach, und mit besonderen Maschinen. Und die Dela sind nicht daraufgesetzt, sondern sie liegen in Schlingen zwischen dünnen Schichten des Gewebes.«

      »Sie nannten die Dela Kristalle – wie ist es denn möglich, daß sie dieses Eigenlicht dauernd aussenden, ähnlich wie unsre Glühwürmchen?«

      »Sie müssen natürlich von Zeit zu Zeit ins Strahlbad, dann leuchten sie wieder ein paar Tage.«

      »Ins Strahlbad?«

      »Nun ja, sie werden einer starken, künstlichen Bestrahlung ausgesetzt. Das Licht trennt einen Teil der chemischen Stoffe der Kristalle voneinander, und indem diese sich nachher langsam wieder vereinigen, entsteht das Selbstleuchten.«

      »Also was wir Phosphoreszenz nennen. Und was haben Sie dort für eine Handarbeit?«

      Se antwortete nicht sogleich.


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