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kreuzte sich die dritte Rasse, die deutsche.
Ramon Breton de Los Herreros heiratete die Prinzessin Angelita Oybin bewußt wegen ihres Geldes. Die diplomatische Laufbahn fordert Reichtum. Er war ein ehrgeiziger, zielbewußter Streber schon als Zwanzigjähriger. Er sah Angelitas bizarre Schönheit. Sie lockte ihn nicht. Ihre Intelligenz war ihm eher peinlich. Seine eigene Klugheit genügte ihm. Mit dieser anspruchsvollen Gabe war er selbst hinlänglich versehen. Durchtränkt von einem durch lange Generationen genährten Familiendünkel und Adelsstolz war er einer der Wenigen, die heute noch das Araberblut in seinem Weibe als Makel kannten und empfanden. Er sah auf sie von Anfang an, ob dieser uralten Rassenmischung, etwa mit jener törichten Verachtung herab, die ein hundertprozentiger Yankee gegen den Abkömmling eines Negers hegt.
Er brachte mit dieser Heirat seinem Ehrgeiz und seiner Karriere ein schweres Opfer. Doch er brachte es, weil sich ihm just keine andere gleich reiche Partie bot.
Angelita liebte den Bewerber, den sie bei einem Besuch ihrer mütterlichen Verwandten in Spanien kennenlernte.
Sie sah nur den Mann mit den bedeutenden Zügen und der schillernden Klugheit. Er war damals sechsundzwanzig und hatte bereits einen gewissen Ruf als junger Attaché in Berlin erworben. Die Liebe blendete sie noch. Sie sah nicht seine Fehler, seine einseitige Beschränktheit, ahnte nichts von der Kühle seines überalterten Blutes.
Den Eltern war die Heirat in jeder Hinsicht willkommen.
Das erste Jahr ihrer Ehe bekehrte Angelita zur erbitterten Feindin ihres Mannes. Bald nach der Hochzeit, die mit vielem Pomp in Mühlheim gefeiert wurde, erhielt der Herzog den Posten des Dritten Sekretärs an der Botschaft in Tokio.
Dort war sie seiner Willkür preisgegeben, fern der deutschen Heimat, den Eltern, ihren Beziehungen. Sehr bald erkannte sie mit Erschütterung seine eisige, egoistische Natur und seine Grausamkeit der lateinischen Rasse. Auch seine leise Verachtung. Ihr stolzes Gemüt empörte sich. Hinzu kam, daß er sie als Weib vernachlässigte. Er war ein Gehirnmensch ohne Sinne —, entartet in jahrhundertlangen Ehen im engsten Kreise verwandten Hochadels. Ein geschlechtlich müder, erloschener Mann.
Als er sie kaum zum Weibe erweckt hatte, erstarb sein matt aufgeflackertes Verlangen. Sie verlor für ihn jede Lockung. Als Mann trennte er sich von ihrem Leben. Sie staunte, begriff nicht, zögerte lange, ehe sie ihn über sein Meiden befragte.
»Ich habe wichtigere Dinge im Kopf als diese Cochonnerien«, entgegnete er verächtlich.
Sie schwieg, litt und entbehrte. Aus ihrer Unzufriedenheit erwuchs Entfremdung, bald Feindschaft und Haß.
Und dann trat John Rutland in ihr Dasein. Da forderte sie von dem Herzoge ihre Befreiung. Er schob ihr Ansinnen auf den Einfluß der entnervenden feuchten Hitze des Landes. Vielleicht aus wahrer Überzeugung, vielleicht aus Diplomatie. Seinem spanischen, stockkatholischen Adelstick dünkte eine Scheidung eine irre Unmöglichkeit des Standes und des Glaubens.
Er hatte indessen auch sehr weltliche Gründe, eine Scheidung seiner Ehe weit von sich zu weisen. Jeder Familienskandal mußte seiner diplomatischen Laufbahn nachteilig werden. Und dann — mit Angelitas Trennung von ihm verlor er ihr reiches eingebrachtes Gut. Was wurde dann aus seiner kostspieligen Karriere? Er hatte diese »Araberin« aber nicht auf seinen erlauchten Stammbaum gepfropft, um nach einem Jahr wieder vermögenslos dazustehen. Caramba!
So tat er ihr Verlangen nach Scheidung als Wahnwitz ab.
Doch ihre Forderung hatte seine Eifersucht aufgestört. Keine Eifersucht auf ihre Liebe und ihre Person. Auf beides legte er minderen Wert. Doch Eifersucht auf seine Ehre und seinen Namen. Diese Idole bedeuteten ihm neben seiner Karriere, mit der sie eng verknüpft und verwoben waren, die höchsten Kostbarkeiten seines Lebens. Aus dieser Anbetung erwuchs auch seine bebende Angst vor dem Skandale.
Seine Eifersucht war mit einem guten Teile Furcht vor Hahnreitum und Schande vermischt. Er war zu klug, nicht zu wissen, daß die treibende Kraft bei dieser Revolte seines Weibes eine Liebe war. Er begriff, daß eine Frau ihre Freiheit nur begehrt, um sie einem anderen zu schenken. Er suchte den Nebenbuhler. Rutland traf sein forschender Argwohn nicht. Ein einfacher Dolmetscher stand für seinen Grandenhochmut viel zu tief, um bemerkt zu werden. Er suchte unter den Kollegen der anderen fremden Missionen. Und suchte vergebens.
Später, in Spanien, ging seine Unrast zur Ruhe. Angelita erschien ergeben und gefügig. Aber heute abend hatte die Bemerkung im Briefe des Ministers die alte Furcht und Eifersucht sehr unsanft aufgerüttelt.
Als er heimkam und Angelita nicht antraf, erhielt sein Verdacht seine Bestätigung. Jetzt war ihm alles klar. Von damals, von Japan her, schlug sich die Brücke herüber nach England. Diese langjährige Ruhe und Ergebenheit war nur schlaues Abwarten und trügerischer Schein gewesen. Brieflich war sie mit dem Halunken in Verbindung geblieben. Wer war es? Natürlich einer, der damals in Tokio gewesen war. Wer von diesen Männern war jetzt in London? Er riß die diplomatischen Jahrbücher aus den Schränken, suchte, prüfte, verglich.
Da klingelte es unten. Er horchte. Sie kam. Ging die Treppe hinauf zu ihren Zimmern. Er öffnete die Tür seines Arbeitsraumes, der im Zwischenstock lag. Er machte nur eine stumme, herrische Bewegung mit dem dunklen Spanierkopfe.
Sie blieb stehen.
»Was wünschst du?« fragte sie kalt.
»Ich habe mit dir zu sprechen«, entgegnete er schroff.
»Jetzt?«
»Jetzt!«
Sie trat in das Arbeitszimmer und lüftete den Pelz von den Schultern.
»Wo warst du?« fuhr er sie grob an und starrte ihr mit seinen harten, undurchsichtigen schwarzen Augen spionierend ins Gesicht.
Da schien es ihm, als sehe er an ihr eine nicht zu deutende, doch ganz unverkennbare Veränderung. In den Augen schimmerte etwas Neues, das er seit Jahren nicht an ihr gesehen hatte. Ein weißer Funke des Glückes, ein Glanz an Stelle der stumpfen Trauer, die immer wie ein Flor die bläulichen Augäpfel umhüllt hatte, funkelte ihm entgegen.
Sie setzte sich und warf den Pelz mit einer harmlos tuenden, graziösen Bewegung in den Nacken.
»Wo warst du?« wiederholte er scharf.
»Spazieren«, erwiderte sie nachlässig.
»Spazieren? Jetzt, um halb elf, läufst du spazieren? In diesem eiskalten Nebel?«
»Gerade das Ungewohnte des Nebels hat mich gelockt.«
»So!«
»Ja. Ich weiß aber wirklich nicht, mit welchem Recht du mich hier verhörst.«
Sie stand auf und ging auf die Tür zu.
Er packte ihr rechtes Handgelenk und riß sie zurück.
»Hiergeblieben!« wetterte er, »wir sind noch lange nicht zu Ende.«
Sie suchte sich zu befreien. Er preßte ihr Gelenk fester in aufschäumender Wut, jenem Gefühlsüberschwang, den er sich in seinen vier Wänden gestattete, als Gegengewicht gegen die Beherrschung, die sein Beruf von ihm heischte.
»Du tust mir weh«, ächzte sie und rang, ihre Hand aus seinem schmerzenden Griffe zu lösen.
»Ich werde dir noch ganz anders weh tun«, keuchte er, »ich werde dich — erwürgen werde ich dich, wenn du mich öffentlich blamierst.«
»Ich blamiere dich nicht öffentlich.«
»So?« Er schwenkte sie um ihre Achse. Sie schrie auf vor Schmerz. Dann erwachte der Stolz ihrer dreifachen Abstammung in ihr.
»Laß mich sofort los!« drohte sie, »oder —«
»Oder?« fragte er verächtlich.
»Ich verlasse noch heute nacht dein Haus.«
»Um zu deinem Galan zu laufen?« höhnte er.
Doch er ließ sie los.
Sie ging wieder auf die Tür zu. Er vertrat ihr den Weg.
»Ich begreife durchaus«, spottete