Südamerika. Friedrich Gerstacker

Südamerika - Friedrich  Gerstacker


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Menschenrace den nordamerikanischen Indianern, besonders in Haar und Farbe gar nicht unähnlich und um die einzelnen, in dem weiten Hofraume errichteten Lagerfeuer kauerten die verschiedenen Familien, ihrer Mahlzeit entgegenharrend. Die Männer standen dabei oft auf, und schritten gravitätisch, in ihre Decken geschlagen, in den Gängen herum, während die Frauen die kleinen dürftigen Feuer zusammenschütten und in Gluth zu halten suchten, damit das dicht daran gehangene Fleisch wenigstens in etwas durchbraten und gar werde.

      In ihren Zimmern, wenn eine Art offener Ställe überhaupt so genannt werden kann, sah es ebenfalls wild genug aus – die Lagerstätten, meist von Bambusstöcken hergerichtet, waren etwas vom Boden erhöht – ein eigener Luxus den sie hier mit dem Schlafen trieben; ein paar wollene Decken und selbstgewebte Ponchos und Cheripas bildeten das ganze übrige Ameublement, denn sie wurden zugleich zu Tischen wie Stühlen verwandt; man hätte denn noch ein paar Pferdeschädel dazu rechnen wollen, die den Familienvätern zu Lehnsesseln zu dienen schienen.

      Das ganze Gebäude sah dabei wild und schaurig genug aus – nicht ein einziges Fenster war noch mit einem gesunden Schalter versehen – die Thüren hingen theils hie und da in einer Angel, und schlenkerten und klapperten mit dem Luftzug hin und wieder, oder waren auch schon großentheils von den darin gerade nicht scrupulösen Söhnen der Steppe, zu Feuerholz klein geschlagen und aufgebraucht worden.

      Selbst die alte Kapelle schien von den gierigen Händen der Zeit, und den fast noch gierigeren der Menschen, nicht verschont geblieben. Die Wände standen, ihres früheren Schmucks beraubt, kalt und kahl da, nur hie und da hingen noch ein paar alte verwitterte Zierrathen, die es den Leuten nicht der Mühe werth gewesen seyn mochten aus ihrer etwas unbequemen Höhe herabzuholen, in einer der Ecken; in einer zusammengebrochenen Nische stand auch ein kaum mehr erkennbares Steinbild von einem – Heiligen oder Götzen – es wäre schwer gewesen das jetzt zu bestimmen. Wenn aber auch alles übrige Holzwerk, eben wohl zu Feuerung, herausgebrochen seyn mochte, hatte man doch den Altar, vielleicht in einer Art Ehrfurcht der selbst den heidnischen Pampas vor dem Gott der Christen eingeprägt seyn mochte, stehen lassen, und sogar die alte, schwer gestickte Altardecke hing noch, wenn auch in Fetzen und schon fast verwittert, von dem vorderen Theil desselben herunter.

      Ich wanderte lange Zeit in dem alten wunderlichen Gebäude umher, so lange daß es mein kleiner Begleiter zuletzt schon herzlich satt bekam, und mich frug, was man in den verwetterten windschiefen Nestern denn nur so ewig zu schauen finden könnte. – Da ich daran verzweifelte ihm das je begreiflich machen zu können stiegen wir endlich wieder auf unsere Pferde und ritten weiter.

      Auf dem Rückweg besuchte ich die Quinta oder das Lustschloß des Gouverneurs, das Fremden stets offen steht – sie liegt etwa eine Stunde Wegs von der Stadt entfernt höchst angenehm dicht am Strom, und der Blick erfreut sich dort zum erstenmal wieder an grünen schattigen Bäumen, die das niedere, von Säulengängen umschlossene Lusthaus dicht umgeben. Der Aufenthalt muß hier, besonders im Sommer, reizend seyn, nur die Berge fehlen dem Hintergrund und dem Auge dadurch auch die freundlichen, weit hinausschweifenden Gebirgshänge mit ihren kühlen Schluchten und moosigen Felsen. Alles ist flach, und es kommt Einem manchmal ordentlich das Gefühl, als ob man sich hoch über die Ebene emporheben und froh aufathmend das weite schöne, aber noch so wilde Land überschauen möchte.

      Der Platz um die Quinta her ist ungemein gut im Stand erhalten und eine Sorgsamkeit auf die kleinste Pflanze verwendet die besonders dann einen fast wohlthätigen Eindruck auf den Beschauer macht, wenn man die wilden Gestalten dabei sieht, die hier mit vorsichtiger Hand Bäume und Blumen pflegen.

      Zu den Merkwürdigkeiten der Quinta gehört eine amerikanische Brigg, die einmal bei einem heftigen Südoster hier auf das Land getrieben, und später von Rosas angekauft wurde. Jetzt steht sie hoch und trocken mitten zwischen den sie umschmiegenden Weiden, über welche die beiden Masten hoch und kahl hinausragen. Sie ist übrigens im Innern sehr elegant zu einem einzigen Salon hergerichtet und eine bequeme Treppe daran hinaufgebaut.

      Zu den Wundern dieser Brigg gehörte, wie mir erzählt wurde, früher auch noch eine darin aufgestellte Drehorgel, die Rosas einmal früher Gott weiß welchem wandernden Prager abgekauft – die Spanier aber, welche die Brigg besuchten und die Orgel spielten, sollen erst auf die richtige Art herumgedreht und nachher versucht haben, das Instrument »abzurichten« um es auch rückwärts musiciren zu machen, was aber die Stifte wohl nicht vertragen konnten, die Orgel mußte wenigstens später, gänzlicher Unmöglichkeit wegen auch nur noch einen einzigen Takt weder nach rechts noch links herum aus ihr herauszudrehen, entfernt werden.

      Der Eintritt zu diesem Fahrzeug ist, wie bei der Quinta, den Fremden auf das gastfreundlichste geöffnet, und selbst die dort Wache haltenden und die Beschauer herumführenden Soldaten sind auf das strengste angewiesen kein ihnen gebotenes Geschenk zu nehmen.

      Besonders gut hat mir bei der Anlage seines Lustorts gefallen, daß der Gouverneur, alles Fremdartige und Fremde verschmähend, die wilden Thiere seines eigenen Landes hierher verpflanzt hat und hält. So steht man in einem weiten, von niederem Eisengitter umschlossenen Raum eine Anzahl der südamerikanischen Strauße oder Casuare; in einem der kleineren Gebäude liegt, an allerdings etwas sehr dünner Kette, und sonst ganz frei, ein prachtvoller argentinischer gefleckter Tiger – dem asiatischen ganz gleich, nur etwas kleiner, und in einem Käfig nicht weit davon entfernt, ein Kaguar oder amerikanischer Löwe. Dem Tiger sind übrigens die Zähne abgefeilt und die Krallen dicht beschnitten so daß er, wenn er sich losrisse, einen Menschen höchstens todt quetschen könnte.

      Selbst die fernen Kordilleren haben zu dieser kleinen Creolemenagerie, wie sie in Louisiana sagen würden, einen Tribut liefern müssen, denn auf einer, von tiefem Graben umzogenen und Aloe, Cactus und Dornhecke dicht umschlossenen Wiese, grasen drei Lama’s und Guanaka’s.

      Auf dem Heimritt hielten wir uns etwas länger bei den Kasernen auf, die gleich unterhalb der Quinta stehen. Es sind das lauter kleine, nicht weit von einander und zwar einfach genug errichtete Hütten, die ein förmliches feststehendes Lager bilden, in dem die Soldaten mit ihren Familien wohnen. Das Ganze hat auch in der That mehr ein indianisches als civilisirtes Ansehen, und die Soldaten, die hier ganz nach indianischer Weise leben und lagern, können wirklich fast mehr zu wilden als civilisirten Stämmen gerechnet werden.

      Diesem entsprechend, sieht auch ein großer Theil des Militärs wunderlich und wüst genug aus, rauh und abgerissen, eher einer Räuberbande als einem anständigen Heere gleich – ich verlange wahrhaftig keine Kamaschendisciplin und je einfacher die Soldaten gehalten werden, desto weniger sind sie ein »theueres Spielzeug« des Fürsten, aber einerlei Hosenbeine können sie denn doch haben, und wenn sie nun einmal am linken Fuß keinen Schuh erzwingen können, so sollten sie es wenigstens wie ihr Nebenmann machen, und den vom rechten ebenfalls herunter lassen.

      Uebrigens sollen es tüchtige Burschen seyn, und sich in den früheren Kriegen schon wacker geschlagen haben. – Mir wurde gesagt daß sie wie die Mauern stehen – wenn man sie nur einmal vor dem Davonlaufen bewahren kann.

      Die reguläre argentinische Kavallerie hat dagegen ein desto pittoreskeres, ja wirklich romantisches Ansehen. Die dunkelblauen Ponchos mit weißen Randstreifen und rothem Futter, die gleichen langen und spitzen Mützen vorn mit den Zipfeln herumgelegt und befestigt, machen sich vortrefflich. Dabei tragen sie eben solche blaue mit weißen Litzen besetzte Cheripa und weiße befranzte Leggins.

      Auch eine Abtheilung der regulären Infanterie sieht originell und gut aus. Diese ist ganz in die Nationalfarbe – roth – gekleidet. Feuerrothe spitze Mütze – eben in der Art wie bei der Kavallerie getragen, feuerrothen Poncho mit weißen Streifen rings herum und eben solche Cheripa gleichfalls mit weißen befranzten Leggins oder Unterhosen.

      Eines eigenen Gesetzes muß ich aber hier, da ich gerade von dem Militär spreche, erwähnen. In früheren Zeiten wo die Miliz noch in Masse aufgeboten wurde und häufig in der Stadt exerciren mußte sich einzuüben, geschah es oft daß Fremde die nicht militärpflichtig waren, also an diesen Uebungen auch nicht theilzunehmen brauchten, über die, vielleicht etwas abenteuerlichen Gestalten lachten und ihren Spaß darüber hatten. War dieß nun die Ursache, oder mehr der angegebene Grund: »daß Fremde in der Zeit, welche argentinische Bürger dem Wohl des Staates opfern mußten, nicht allein Geld verdienen, und diese dadurch doppelten Schaden leiden sollten,«


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