Südamerika. Friedrich Gerstacker

Südamerika - Friedrich  Gerstacker


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werden, auf der Straße dürfe blicken lassen. Alle Läden waren gesperrt, und selbst der Aufenthalt auf den flachen Dächern zu dieser Zeit untersagt.

      So strenge wurde dieß Gesetz dabei gehalten, daß sich selbst auf dem Lande, wenn dort draußen Manöver war, Niemand durfte sehen lassen; keinem Reisenden war es erlaubt in solcher Zeit und in der Gegend seinen Weg fortzusetzen, und sogar die Hirten mußten in ihre Behausungen zurück. Die einzige Ausnahme fand bei den Schafheerden statt, bei denen ein Schäfer bleiben durfte.

      Von diesem kleinen Ritt, der mich kaum aus der nächsten Umgebung der Stadt, und noch nicht einmal aus den Hecken der Felder hinausbrachte, zurückgekehrt, bekam ich eine Einladung des Bremer Consuls, Herrn *** seine, etwa drei Leguas, etwa neun englische Meilen entfernte Estancia zu besuchen.

      Mir war dieß aus zwei Gründen sehr angenehm, denn erstens lernte ich dadurch einen kleinen Theil des Inneren kennen, und zweitens übte ich mich ein wenig im Reiten – ich wünschte mich selber erst einmal wieder zu probiren ob ich auch einen so langen anstrengenden Ritt, wie ich jetzt vor mir hatte, gut aushalten würde.

      Das ging jedoch besser als ich erwartete, denn wenn ich auch in Nordamerika wochenlang hintereinander im Sattel gehangen hatte, war ich doch wieder die langen Jahre in Deutschland nur sehr selten »an Bord eines Pferdes« gekommen. Ich empfand nicht die geringste Unbequemlichkeit, ja im Gegentheile ergoß es sich mir ordentlich wieder wie mit neuer frischer Lebenskraft durch die Adern nach so langer Seereise die frische herrliche Luft einathmen und auf einem starken kräftigen Thier über die Ebene dahinbrausen zu können.

      Nur zu sehr beengt fand ich mich noch im Anfang durch Hecken und Gebäude – mich drängte es wieder einmal, frank und frei hinaus in das wilde ungehemmte Leben zu tauchen, und Alles was mich an Civilisation erinnerte war dabei meinen Gefühlen eine Art Hemmschuh. Hier beginnen aber erst die ordentlichen Pampas, denn bis dahin findet man doch noch einen kleinen Hügel oder wenigstens etwas erhöhtes Land, mit einzeln zerstreutem Buschwerk oder Anpflanzungen von Pfirsich-, Paradies- und andern Bäumen, weiter hinein aber soll das ganz aufhören, und das Auge nichts finden auf dem es haften könne als eine einzige ununterbrochene, meerähnliche Fläche.

      Ansiedlungen kann man übrigens diese Estancia’s gar nicht nennen; es sind nur Gebäude mit mehren Einfriedigungen, Vieh darin zu halten, und die Bewohner derselben machen auch nicht den mindesten Versuch selbst nur das zu bauen was sie für sich allein zu Brod oder Gemüse brauchen könnten. Fleisch ist die einzige Nahrung; der Südamerikaner ißt hier wirklich »Fleisch zu Fleisch,« und alles fast was er braucht weiß er den Thieren die er schlachtet abzugewinnen.

      Diese Plätze im Innern des Landes haben dann aber auch wahrlich nicht das Gemüthliche, Wohnliche, Sichere einer europäischen Landwirthschaft. Das reinlich stille Treiben eines Landguts, dessen Bewohner sich hauptsächlich von Vegetabilien nähren, fehlt ihnen ganz; überall bezeichnet Tod und Verwesung das rauhe Handwerk des Viehzüchters. Wohin das Auge, besonders in der Nähe der Häuser, blickt, sind Spuren von geschlachteten oder gefallenen Stücken Vieh zu sehen; überall liegen Häute, Schädel, Eingeweide, Hörner, Hufe, Knochen, Blutspuren; tausende und tausende von Aasgeiern, Raubvögeln und Möven umschwärmen diese Plätze, und die Nase muß sich erst wirklich an den im Anfang widerlichen frischen und faulen Fleisch- und Blutgeruch gewöhnen.

      Die sonst friedlichen und eigentlich nicht fleischfressenden Hausthiere lernen sich ebenfalls in das Unvermeidliche fügen und verändern ihre Natur, Hühner und Gänse, selbst die Truthühner leben allein vom Fleisch, und die Schweine werden davon gemästet. Ueberall liegen frische Häute ausgespannt oder hängen zum Trocknen auf, und besonders in der Nähe der Stadt, wo die großen Saladéros oder Schlächtereien sind, begegnet das Auge, wohin es sich auch wendet, den Spuren der Verwesung. Sechs bis acht Fuß hohe Mauern sind allein ganz von Stierköpfen, die Hörner alle gleichmäßig übereinandergelegt, errichtet, ja die Vertiefungen der Straße selbst mit Gebeinen und Knochen ausgefüllt. So sah ich z. B. eine Stelle, wo Tausende und Tausende von unschuldigen Schafsköpfen dazu dienen sollten, eine sonst unbezweifelte Riesenpfütze in befahrbare Chaussee zu verwandeln. Ist es da ein Wunder, daß die Bewohner dieses Landes, von nichts als Fleisch genährt, fortwährend schlachtend und immer von Blut und Verwesung umgeben, selber wild und blutdürstig sind, und nur zu oft ein Menschenleben nicht höher halten als das eines Stiers oder Pferdes? Die rein animalische Nahrung muß den Menschen nothwendig verwildern, und die an das Messer gewöhnte Hand wird mit dem Gebrauch desselben zu sehr vertraut, es nicht auch manchmal mißbrauchen zu sollen, oder doch wenigstens in »unbeschäftigten Stunden« damit zu spielen.

      Einen freundlicheren Anblick gewähren übrigens die weiten, nur vom Horizont begrenzten Wiesen, auf denen zahlreiche Heerden von Rindern, Schafen und Pferden, theils in zusammenhaltenden Massen, theils einzeln zerstreut werden. Eine ungeheure Menge von wildem Geflügel belebt dabei jeden anderen Platz, und nicht allein Raubvögel, sondern auch wilde Enten, Gänse, Schwäne, Reiher, Flamingos etc. durchziehen die Luft, oder stehen in dem Sumpfwasser der Steppe.

      Die Jagd auf Wasservögel ist hier in der That ungemein ergiebig, und ich habe selbst in Louisiana, wo es doch wahrlich Enten und Schnepfen zur Genüge gab, nichts Aehnliches gesehen. Wir gingen nur ein einzigesmal mit den Flinten hinaus, und zwar mehr um die verschiedenen Gattungen Wild zu sehen, als viel davon zu schießen; ich fand aber wirklich meine kühnsten Erwartungen übertroffen.

      Das Wild, was wir in etwa einem halben Tag sahen, war: Schwäne, wilde Gänse, viele Arten von Enten und Tauchern. Zwei Arten von Flamingos, eine rosenrothe Art, die besonders wunderschön aussah wenn sie mit ausgebreiteten Flügeln aufstieg, und eine andere, etwas größere mit dunklerem Roth und Schwarz. Unzählige Kibitze, die ebenfalls eßbar sind, hier aber, da man doch genug Geflügel hat, selten erlegt und dadurch fast zahm werden; Wasserschnepfen, Becassinen in förmlichen Völkern von 80 und 90 Stück, Strandläufer, eine Art Wassertruthahn, so groß wie ein gewöhnlicher Truthahn, aber nicht genießbar, dann einen anderen Vogel von der Größe eines Birkhuhns, auch wohl noch etwas größer, der ein so delikates Fleisch haben soll wie der Fasan; ferner Gott weiß, wie viele Gattungen von Raubvögeln, Aasgeiern, Möven und kleinen Eulen, Reihern und Störchen.

      Außerdem gibt es hier noch in ungeheurer Menge ein Thier, das sehr große Aehnlichkeit mit dem Hamster hat, in Größe und Lebensart aber fast dem Dachs gleichkommt. Es lebt in Höhlen, in den Steppen, und kommt gegen Abend ins Freie. Ein junger Bremer, Namens Cäsar, der so freundlich war, mich dort herumzuführen, schoß eines, damit ich es näher beschauen konnte; wenn man aber darauf ausging, glaub’ ich sicher, daß man, besonders in mondhellen Nächten, gerade so viel deren erlegen könnte, wie man Ladungen von Pulver und Schrot bei sich hat. Es gibt Tausende davon in den weiten Wiesen.

      Eine eigene Art von Ottern belebt hier ebenfalls die Gewässer in großer Anzahl, gegen die sehr ergiebige Jagd derselben hat aber Rosas ein Gesetz erlassen, ihren Nutzen für seine Soldaten aufzusparen, wenn sie aus dem Krieg mit Montevideo zurückkommen würden. Das Erlegen der Strauße oder Kasuare ist ebenfalls bei harter Strafe untersagt, weil die Thiere nicht so rasch sollen ausgerottet werden.

      Höchst interessant war es mir, auf der Estancia einen Deutschen zu finden, der diese verwaltete, und nicht weit davon entfernt eine eigene zum Grundeigenthum hatte. Zufälligerweise fand ich in ihm sogar einen Sachsen, Herrn Papsdorf, der mir Manches bestätigte, was ich auf meinem früheren Ausflug in das Land gehört hatte, und noch außerdem manche vortreffliche und nützliche Mittheilungen machte.

      Er hatte sich übrigens vollkommen naturalisirt, wie eine Tochter des Landes geheirathet, und seine Söhne hingen, in Cheripa und Poncho, wie ächte Gauchos auf den Pferden und warfen den Lasso so geschickt, wie irgend ein anderes der wilden Steppenkinder.

      Das, was ich durchschnittlich über die Verhältnisse des Landes und besonders dieser Estancias hörte, ist etwa das Folgende.

      Das Eigenthum ist jetzt hier, wie mir von allen Seiten unwidersprochen versichert wurde, vollkommen geschützt, und Todesstrafe droht meistens, bei fast geringen Uebertretungen, den ertappten Verbrechern. Ich würde aber übertreiben wollte ich sagen, der eigentliche Charakter des Volkes selber sey dadurch ebenfalls vollkommen im Zaume gehalten. Der argentinische Gaucho ist gar geschwind mit seinem Messer bei der Hand, und trotzdem, daß es ihm in der Stadt auf das Strengste verboten ist es zu


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