Quitt. Theodor Fontane

Quitt - Theodor  Fontane


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er nicht solchen kurzen Hals wie Opitz, und die Kurzhalsigen sind immer die Schlimmsten, das ist wahr und kann ich nicht bestreiten, aber es bleibt doch dabei, sie sind sich gleich oder wenigstens sehr ähnlich, und einer ist eigentlich wie der andere. Sie quälen uns bloß, heute mit Eifersucht und morgen mit Liebe.«

      »Na, mit Liebe, das ginge doch noch, Frau Opitz; das is doch nich schlimm. Liebe, denk ich mir, is die Hauptsache.«

      »Ja, Kind, das sagst du wohl, weil du noch jung bist. Da sieht es so aus. Aber nachher ist es alles anders, und mit der Liebe auch. Und wenn man dann alt ist, ist man bloß noch dazu da, sich schimpfen und schelten zu lassen und Strümpfe zu stopfen und einen Knopf anzunähen.«

      Christine versicherte das Gegenteil, und schon ihre Mutter selig habe immer gesagt: »›Christine, heiraten mußt du, heiraten muß der Mensch. Und die, die viel schimpfen und schlagen, die sind auch gut, und mitunter sind es die Besten.‹ Und dann, Frau Opitz, ich habe doch auch schon gesehen, daß er Ihnen einen Kuß gegeben hat, und da waren Sie doch ganz vergnügt und so … ja, ich weiß nicht recht wie … Nein, nein, Frau Opitz, ich lasse mir nichts weismachen. Ich bin für Heiraten, und wenn Lehnert nicht will, nu, dann will er nicht, dann will ein anderer.

      Ich werde schon einen finden. Und ich weiß auch, wie man‘s machen muß. Man muß nur immer fidel sein und immer ›ja‹ sagen und nichts merken von dem, was man nicht merken soll. Dann kann man hinterher machen, was man will. Ach, liebe Frau Opitz, Sie verstehen es nicht, Sie sehen immer aus, als ob einer gestorben war oder eben dabei war, und das können die Männer nicht leiden. Nein, nein, Frau Opitz, ich heirate.«

      Und während sie noch so sprach, nahm sie den Kessel vom Herd und brühte den Kaffee. »Nicht zuviel, Christine, nicht zuviel; du weißt doch, daß er ihn gern stark hat, und weißt auch, was er immer dabei sagt: ›Schwarz wie der Tod und heiß wie die Hölle‹, was mir immer einen Stich ins Herz gibt. Denn man soll vom Tod nicht so reden und am wenigsten, wenn man ein Förster ist. Da ist der Tod da, man weiß nicht wie. Und schlagflüssig ist er auch, und von dem verdammten starken Bier kann er nicht lassen. Und dann immer das Kirschwasser. ›Es schlägt nieder‹, sagt er. Ja, wenn es bloß ihn nicht niederschlägt …«

      In diesem Augenblick fuhren beide Frauen erschreckt zusammen, denn in der Stube nebenan fiel etwas mit dumpfem Schlage zur Erde. Der Schreck indessen währte nicht lange. Frau Opitz erholte sich zuerst. »Er hat den Stuhl umgestoßen, und ich will nun hinein und nachsehen, ob er ausgeschlafen hat.«

      Opitz, als seine Frau eintrat, stand bereits vor dem kleinen Spiegel mit blankem Glasrand, der, samt einer doppelten Verzierung von Zittergras, über der Kommode hing. Er fuhr sich eben mit der Hand durchs Haar und sah noch halb verschlafen aus seinen geröteten Augen. Ihr Ausdruck aber war mittlerweile doch ein anderer geworden, der Ärger schien mit dem Rausch dahin, und im Spiegel seine Frau gewahrend, trat er auf sie zu, legte den Arm um ihre Hüfte und gab ihr einen Kuß. Die Frau sah verschämt vor sich nieder, denn eigentlich liebte sie ihn und empfand es als einen Gram, daß solche Zärtlichkeiten so selten waren.

      »Soll Christine den Kaffee bringen?«

      »Versteht sich, soll sie. Und gib mir die Pfeife! Die verdammte Trinkerei bekommt mir nicht, und der Doktor will‘s auch nicht und droht mir immer mit dem Finger. Aber das Fleisch ist schwach. Auch ein Förster und alter Soldat hat seine schwachen Stunden. Nicht wahr, Bärbel? Und nun gib mir auch Feuer und dann den Kaffee. Aber keine Plempe.«

      Bärbel, während Opitz noch so sprach, klopfte mit dem Knöchel an die Wand, was das Zeichen für Christine war, und zündete gleich danach einen Fidibus an, woran Opitz, der sonst in solchen Dingen für das Neue war, eigensinnig festhielt. Er hatte nur zufällig einen Haß gegen Schwefel- und Phosphorhölzer.

      Und nun brachte Christine den Kaffee.

      »Nu, Christine, laß sehen! Ich hoffe, du hast nicht zuviel Bohnen aus der Mühle springen lassen. Oder hat die Frau gemahlen? Na, na, nur still… Spaß muß sein … In Querseiffen ist heute Tanz. Was meinst du, willst du hin? Die Frau wird es schon erlauben; nicht wahr, Bärbel?«

      Die Frau nickte.

      »Nun siehst du. Der Lehnert wird auch wohl dasein, und das ist doch die Hauptsache. He? Na, tu nur nich, als ob‘s anders war … Und daß ihn Siebenhaar heute angepredigt und ihm den Kopf a bissel gewaschen und seinen Standpunkt klargemacht hat, na, das wird ihn dir beim Schottschen nicht verleiden und noch weniger draußen in der Laube. Tanz ist Tanz, und Kuß ist Kuß. Und ich gönne ihn dir auch, und heute lieber als morgen. Denn du bist eine verständige Person und wirst ihn schon zurechtrücken, besser als Siebenhaar. Und ist er erst aus dem Dünkel heraus und sitzt an der Wiege, vielleicht sind es Zwillinge, was meinst du, Christine? Ja, was ich sagen wollte, sitzt er erst an der Wiege, statt zu paschen und zu wildern, dann werd ich auch gute Nachbarschaft mit ihm halten. Ich bin für Frieden, aber zu gutem Frieden gehören zwei.«

      Christine hatte, während Opitz so redete, den linken Schürzenzipfel in die Hand genommen und strich an dem Saum entlang. Als er jetzt schwieg, sagte sie: »Nichts für ungut, Herr Förster, aber wenn Sie besser mit ihm wären …«

      »… da wär er besser mit mir«, lachte Opitz. »Ja, das glaub ich. Ich soll anfangen und jeden Morgen, wenn ich ihn drüben hantieren seh, meine Kapp abnehmen und über die Brück hinübergrüßen: ›Guten Morgen, Herr Lehnert Menz. Herr Lehnert Menz geruhten wohl zu ruhen. Ach, sehr erfreut. Empfehle mich zu Gnaden …‹ Nein, nein, Christine, Unterschiede müssen sein, Unterschiede sind Gottes Ordnungen. Und nun geh und komme nicht zu spät. All Ding will Maß haben.«

      Christine ging. Frau Bärbel aber hatte mittlerweile nach ihrem Strickstrumpf gegriffen und sah verstimmt vor sich hin, weil es ihr gegen die Hausfrauenehre war, daß Opitz sich in ihre Sache gemischt und der Christine, so mir nichts, dir nichts, einen Ausgehetag angeboten hatte. Sie schwieg aber, und erst als Opitz, der heute den Galanten und Rücksichtsvollen spielte, sie mit freundlicher Miene bat, das Licht und den Fidibusbecher vor ihn hinzustellen, weil er sie nicht immer wieder inkommodieren wolle, hielt sie mit ihrer neben allem Ärger herlaufenden Neugier nicht länger zurück und sagte: »Angepredigt hat er ihn? Bist du denn auch sicher? Er wird ihn doch nicht beim Namen genannt haben?«

      »Nein«, sagte Opitz, dessen gute Laune durch seiner Frau Neugier eher gesteigert als gemindert wurde, »nein, er nannte keinen Namen. Aber es war so gut, als ob er ihn genannt hätte, denn alles sah nach der Ecke hin, wo die Menzens saßen. Und die Alte nickte mit dem Kopf, als ob sie jedes Wort unterschreiben wolle. Freilich weiß ich, daß es nichts zu bedeuten hat, ihr steckt noch so was Polnisches im Blut, kriecht und scherwenzelt immer hin und her und kann keinem ins Gesicht sehen, und von alldem, wovon der Lehnert zuviel hat, hat sie zuwenig. Alte Hexe, verschlagen und heimtückisch und feige dazu.«

      »Sie taugt nicht viel. Aber du wirst doch dem Sohne die Mutter nicht anrechnen wollen?«

      »Nein«, lachte Opitz. »Das nicht, und ist auch nicht nötig, denn er trägt an seinem eignen Bündel gerade schwer genug. Er trotzt mir, und weil er, außer der Denkmünze, auch noch das Ding, die Schwimmedaille, hat, ich sage die Schwimmedaille, denn von Retten war keine Rede, und weil es, Gott sei‘s geklagt, nahe dran war, daß er das Kreuz kriegte, spielt er sich mir gegenüber auf den Ebenbürtigen und den Überlegenen aus. Ich wette, er wildert bloß, um mir einen Tort anzutun; er könnte die Dummheit sehr gut lassen, bei der ohnehin nicht viel rauskommt, aber es macht ihm Spaß, mir so unter der Nase hin ein Wild wegzuknallen. Das ist es. Aber ich denke, die zwei Monat in Jauer werden ihm gezeigt haben …« »Du bist zu streng, Opitz.«

      »Unsinn! Streng! Was heißt streng? Ich tu meine Pflicht.« »Zu sehr. Du müßtest auch mal ein Auge zudrücken.« »Bah, Bärbel, du redest, wie du‘s verstehst. Auge zudrücken. Dazu bin ich nicht da, dazu bin ich nicht in Dienst und Lohn. Ich sage ›Lohn‹, ein gutes, altes Wort, das die dummen Neumod‘schen nicht mehr hören wollen. Ich bin dazu da, die Augen aufzumachen. Und tu meine Pflicht zu sehr, sagst du! Als ob man jemalen seine Pflicht zu sehr tun könnte. Man kann sie falsch tun, am unrechten Fleck, soviel geh ich zu; tut man sie aber am rechten Fleck, so ist von ›zu sehr‹ keine Rede mehr. Die Gesetze sind nicht dazu da, daß Hinz und Kunz mit ihnen umspringen. Das verloddert bloß. Ich bin nicht so dumm, daß ich mir einbildete, wenn der Rehbock geschossen wird, geht


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