Das blutige Blockhaus. Charles Sealsfield

Das blutige Blockhaus - Charles  Sealsfield


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Kaperhorde gejagt, zur Fregatte, um hinter ihren Kanonen Sicherheit zu suchen.

      Der alte Amadée nahm eine Prise.

      »Vergebung, Herrschaften, wenn ich in meiner Einfalt just meine, daß der junge Herr da Dinge sagt, wie sie oft nach unserer Ankunft in den Attacapas auch gesagt wurden.«

      »Aber Amadée, so unverschämt haben wir sie nicht gesagt«, bemerkte Hauterouge.

      »Und nicht vor Damen!« fügte Lassalle hinzu.

      »Wollte Gott, diese Dinge wären auf eine so unverschämte Weise gesagt worden! Vergeben Sie, Monsieur Vergennes, aber ich wiederhole nur, was Bessere als ich vor mir gesagt haben! Vielleicht hätten sie jemanden abgeschreckt!«

      Der Graf, Hauterouge, Lassalle, alle Franzosen und Kreolen sahen den Alten bedeutsam warnend an.

      »Ma foi, Amadée!«

      »Auch Monsieur Vergennes will die Rechte der Farbigen vertreten, ihnen einen Dienst erweisen.«

      Wieder eine Pause.

      »Für den sie ihm aber nicht danken dürften«, fuhr Amadée fort. »Ah, Monsieur Vergennes, glauben Sie mir, die Farbigen sind nicht zur Ehe geboren, weil sie ... nicht in der Ehe geboren sind.«

      Noch immer sahen alle den Alten an.

      »Ah, Herr Graf!« wandte sich dieser an Vignerolles. »Fällt Ihnen an. dem jungen Herrn nicht etwas auf? Sehen Sie ihn doch genauer an!«

      Der Graf starrte Vergennes einen Augenblick unverwandt an.

      »Monsieur Ducalle!« flüsterte ihm der Alte zu.

      »Wahrhaftig, wie er leibt und lebt!« entfuhr es dem Grafen.

      Er warf nochmals einen Blick auf Vergennes und strich sich nachdenklich, beinahe unmutig, mit der Hand über die Stirn.

      »Ma foi!« riefen auch Lassalle und Hauterouge.

      Ihre Stirnen überzog gleichfalls eine trübe Wolke, ihre Blicke ruhten mitleidig teilnehmend auf Vergennes.

      »Armer Ducalle!« sagten sie.

      »Ganz wie er war!« bekräftigte Amadée.

      Der arme Vergennes stand verlegen, seine Dreistigkeit war dahin. Es ist allerdings peinlich, sich als Gegenstand des Mitleids belächelt zu sehen. Aber die Lehre schadete ihm gar nichts.

      Eine lange Pause trat ein.

      »Ich muß Ihnen aufrichtig gestehen«, nahm endlich der Graf das Wort, »daß mir die letzten Debatten mit Ausnahme dessen, was Mister Moreland ebenso wahr wie gründlich dargelegt hat, sehr widerlich in den Ohren klangen. Daß die Sklaverei ein Übel, ja ein Makel unserer freien Verfassungen ist, wissen wir alle, fühlen es tief. Aber diese Angelegenheit geht uns allein an, ein Fremder sollte sich wohlweislich hüten, sich da hineinzumischen, weil er bei seiner Unkenntnis diese kitzlige Lebensfrage nur verwirren kann, anstatt sie zu klären. Ich glaube, Europa, das noch heutzutage Millionen von Israeliten vom Genuß bürgerlicher Rechte mehr oder weniger ausschließt und die Emanzipation seiner weißen Leibeigenen kaum zur Hälfte durchgeführt hat, dieses Europa hat kein Recht, den Amerikanern über ihre Langsamkeit in dieser Hinsicht Vorwürfe zu machen. Der Fall mit unseren Schwarzen ist wirklich hart und unheilschwanger, viel härter als der mit den weißen Leibeigenen Europas. Diese sind von derselben kaukasischen Rasse wie ihre Herren und können ohne Gefahr für die Sittlichkeit der übrigen Bürger zum Vollgenuß aller Rechte zugelassen werden. Es ist aber eine große Frage, ob das mit unseren Schwarzen oder Farbigen tunlich oder rätlich sein dürfte. Es ist ein ganz anderes Blut, das bei jeder Gelegenheit in Siedehitze aufwallt. Das fühlt die Nation tief, und daher ihr Unwille, diese exotische Rasse in ihre Mitte zuzulassen. Was aber eheliche Verbindungen betrifft, so sage ich frei heraus: wäre der Widerwille dagegen weniger allgemein, so könnte ich unmöglich das Volk der Vereinigten Staaten so hoch achten, wie ich es hoch zu achten vollen Grund zu haben glaube.«

      »Gesprochen wie ein wahrer Amerikaner!« riefen alle und drückten dem Grafen die Hand.

      Aber währenddem stahl sich ein tiefer Seufzer aus seiner Brust. Es war klar, er hatte nur gesprochen, um die Aufmerksamkeit von Ducalle abzulenken.

      »Aber Vergebung, was war denn mit Ducalle?« fragte auch schon de Meurdon. »Ist das derselbe Ducalle, der mit Ihnen ...?«

      »Amadée, du hast da einen dummen Streich gemacht«, wandte sich der Graf an den Alten. »Trübe Erinnerungen sind am besten in Vergessenheit begraben.«

      »Ah, Herr Graf«, erwiderte der alte Diener. »Was hilft es, sie in Vergessenheit zu begraben, wenn sie in neuer Gestalt immer und immer wieder zum Vorschein kommen? Ach, hätte Monsieur Ducalle gewußt, wie es endigen würde ...! Dem jungen Herrn da würde es gewiß nicht schaden, denn er soll doch in Louisiana bleiben ...?«

      Er blickte Vignerolles fragend an.

      »Wir könnten ja in den Speisesaal gehen«, fügte er hinzu, als der Graf schwieg.

      »Aber Demoiselle Ducalle!« wandte Hauterouge ein.

      »Wie, ist Demoiselle Ducalle hier?« fragte Howard.

      »Ja, mit meiner Tochter«, gab der mit einem Mal einsilbig gewordene Graf zurückhaltend Auskunft.

      »Und ihr Vater?«

      Keine Antwort.

      »Unser junger Freund will also in Louisiana bleiben?« fragte der Graf nach einer Weile.

      Vergennes nickte gedankenlos. Wieder eine lange Pause, alle sahen sich einander befremdet an.

      »Ja, wenn es den Herren gefällig ist, wollen wir in den Speisesaal gehen!«

      Mit diesen Worten erhob sich Vignerolles. Alle zogen in schweigsamer Spannung in den aufgeräumten Speisesaal. Auch zu ihren Ohren war das Gerücht von diesem Ducalle gedrungen, aber entstellt, dunkel, unheimlich. Alle waren daher begierig, die seltsame, halb verklungene Sage aus glaubwürdiger Quelle zu hören.

      Die Farbigen

      Die Erzählung des Grafen de Vignerolles

      1

      Nach einer Fahrt von etwa vierundzwanzig Stunden kommt der Reisende heraus aus dem düstern, unheilverkündenden Labyrinth, das ihn beim Eintritt in das Bayou Plaquemine empfangen hat. Der Tag lächelt ihn wieder an, wird plötzlich zur Lichtflut. Ein wunderschöner Rundblick öffnet sich seinem Sehkreis. Ein entzückend schöner See, der sich mehrere Stunden im Umfang hinbreitet, fesselt sein staunendes Auge.

      Die Ufer sind mit mächtigen Zypressen eingefaßt, deren Riesenstämme, von spanischem Moos umwallt, und deren dunkelgrüne Kronen, ineinander verschlungen, dem Beschauer beim ersten Anblick wie Tausende von Domen aneinandergereiht erscheinen. Er steht staunend, verwirrt. Der Sehtäuschung endlich gewahr, wendet er den Blick von diesen majestätischen Naturdomen, senkt ihn und weilt auf der schönsten Blumenflur, die je göttliche Allmacht dem menschlichen Auge entfaltet hat.

      Er schaut Millionen der Nelumbo, der Königin aller Wasserblumen, in ihrem höchsten Glanz. Sie erhebt ihre kegelförmigen, vasenartig gestalteten Blätter stolz über die Gewässer, beherrscht sie bis in die Mitte des Sees. Millionen der herrlichsten Tulpenblüten blenden sein Auge, unzählige buntgefiederte Schwimmvögel schwirren über und zwischen ihnen hin. In der Mitte allein glänzt ein Spiegel kristallhellen Wassers.

      Der Reisende verläßt nur ungern diesen Zaubersee, um sich abermals in einem Gewirr von Flüssen und Bayous zu verfangen, gelangt aus diesen in den größeren Inselsee, weiter in den großen Fluß, den Atchafalaya, gleichfalls einen natürlichen Abzugskanal des überströmenden Mississippi, und zuletzt in den Teche. Endlich ist er in den Attacapas angelangt, dem Landstrich, der sich vom Golf von Mexiko herauf aus zitterndem Rohr und Binsengeflecht zu schwankenden Sumpfwiesen erhebt und allmählich fester Boden wird, wie er weiter gegen Norden heraufschwellt. Vom Teche, Vermilion und vielen anderen Flüssen und Seen bewässert, hat er den Namen des Elysiums von Louisiana erhalten.


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