Das blutige Blockhaus. Charles Sealsfield

Das blutige Blockhaus - Charles  Sealsfield


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und Pferde in halbwildem Zustand umherspringen. Zahllose Baumgruppen von Immergrüneichen, Papaws, Liquidambars Amberbaum, liefert ein wohlriechendes Harz und ein als Süßgummi beliebtes Kaumittel beschatten das Bild. Pflanzungen, in Haine von tropischen Fruchtbäumen gebettet, tauchen links und rechts auf. Kleinere Seen hellen das Bild auf. Eine weiche, wollüstig feuchte Glut hauchte ihren einschläfernden Odem über das Ganze.

      Neunundzwanzig Jahre sind es nun, daß wir zum erstenmal an diesen entzückenden Fluren vorüberglitten, bei jeder Pflanzung begrüßt, bei jeder dringend zum Verweilen eingeladen. Ich sehe und höre noch Ducalle, wie er die Arme sehnsuchtsvoll nach den Ufern ausstreckte und rief:

      »Wir werden ein paradiesisches Leben führen!«

      »Es ist ein Elysium!« fielen wir mit Freudentränen ein.

      Im Tendelet, dem bedeckten und erhöhten Hinterteil unserer Voiture, stand der alte Roche Martin am Ruder, der rauhe, aber treffliche Akadier, der uns vier Tage vorher — wie Lassalle Ihnen erzählt — von dem Baumstamm gerettet hatte, und brummte, den Blick väterlich auf Ducalle gerichtet:

      »Ei Elysium, weiß nicht, was das sagen will! Aber hier heißen sie es Paradies, und ein Paradies muß es wohl sein, denn es hat Schlangen. Hüte dich, Junge, vor den Schlangen, die da sind die Farbigen! Sie riechen übel!«

      Nach der Sitte der Akadier duzte er uns, was wir uns um so lieber gefallen ließen, als der gute Mann viel erfahren hatte und hoch in den Jahren war. Während der viertägigen Fahrt hatten wir ihn natürlich über die Zustände des Gemeinwesens und der bürgerlichen Verhältnisse in den Attacapas ausgefragt. Die Rede war so auf die Farbigen gekommen, deren er nie erwähnte, ohne sich zuvor durch ein »mit Verlaub zu sagen« zu verwahren, so wie unsere Spießbürger das zu tun pflegen, wenn sie vom Borstentier sprechen. Das gab zu häufigen Debatten Anlaß, bei denen Ducalle oft launig, oft heftig Partei der Farbigen nahm. Jedesmal schüttelte dann der Alte den greisen Kopf und brummte:

      »Junge, Junge, gib acht! Diese Farbigen werden dein Unglück sein!«

      Die Landschaft wurde immer schöner, je weiter wir den Teche hinauf fuhren. Hie und da sahen wir nackte schwarze Gestalten sich lässig durchs Gebüsch hinstehlen, aber kein Laut war zu hören, als das Brummen des Alten: »Er hört nicht, und sie riechen doch so übel! Diese Farbigen werden sein Unglück sein!«

      Wir waren in eine Flußkrümmung eingefahren, als eine Pflanzung auftauchte, die schönste, die wir bisher gesehen. Sie schien zu schlummern in dem weichen, duftenden Blütenbeet der Orangen. Lilacs, Spanischer Flieder Zitronen, Feigenbäume. Weiter zurück standen Gruppen von Immergrüneichen und Liquidambars und wölbten einen Dachhimmel über das Wohnhaus, das in der Spiegelung der schräg einfallenden Sonnenstrahlen wiegend und wogend erschien. Die Baumgruppen waren nach einem bestimmten Plan aus dem Urwald herausgehauen, die niedrigen Baumgattungen beschnitten.

      Roche Martin bestätigte uns, daß die Pflanzung einem Franzosen gehörte.

      »Auch ein solcher Hochadeliger, der sich nicht einmal duzen lassen will, dieser Herr von Morbihan da!« brummte er verdrießlich.

      Herr von Morbihan — ich sah unter meinen Briefen nach. Eine der Anschriften lautete an einen Monsieur de Morbihan. Doch war es nicht dieser, bei dem wir abzusteigen gesonnen waren.

      Und in diesem Augenblick trat der leibhaftige Monsieur de Morbihan aus dem duftenden Orangenhain heraus. In abgetragener Kattunjacke und Hosen, durch die die bloßen Knie schimmerten, einen breitrandigen Strohhut auf dem Kopf und mit einer Fußbekleidung, für die wir damals keinen Namen wußten, die wir aber später als Mokassins sehr liebgewannen. Er kam neugierig hastig gegen den Flußrand zugetrippelt.

      »Eh bien, was bringst du Neues?« schrie er schon von weitem Roche Martin an.

      »Franzosen!« antwortete dieser. »Aber nicht dir, sondern einem, der sich duzen läßt!«

      Der Alte sprang hoch auf.

      »Was sagst du? Franzosen bringst du? Aber nicht mir, sondern einem, der sich duzen läßt?« Und abermals sprang er auf. »Das sagst du mir, du grober, akadischer Geselle, mir, dem Herrn de Morbihan, sagst du das?«

      Er ballte die Faust gegen Martin, dann zog er den Hut und wandte sich an uns.

      »Messieurs, Vergebung! Der alte Grobian da hat keine Manieren, er duzt Kavaliere wie ein Gendarmerie-Korporal. Ah, wäre ich noch Kommandant, ich wollte dich duzen!«

      Und er tanzte und sprang so wunderbar, und schwang seinen furchtbar schlechten Strohhut so possierlich, wir glaubten der gute Mann habe einen Sonnenstich bekommen.

      »Adelaide, Adelaide!« schrie er auf einmal in die Orangenlaube zurück. »Adelaide, mein teures Kind! Der akadische Lümmel da, der mich duzt, der keine zwei Neger hat und sein Welschkorn mit seinen eigenen schmutzigen Händen bauen muß, hat uns Franzosen gebracht! Hahaha, ist das nicht drollig?«

      Und während er die linke Faust gegen den akadischen Lümmel ballte, winkte er mit der rechten Hand und warf der Laube Kußhändchen zu. Wir hörten, wir schauten, wir trauten kaum unseren Ohren und Augen.

      Der Alte sprang mit einem Mal vorwärts und rief uns an: »Franzosen, Landsleute, soeben gelandet. Woher, woher?«

      »Aus der Bretagne — aus der Tourraine — aus der Provence!« antworteten wir.

      Der sonderbare Alte sprang hoch vor Freude. »Adelaide!« schrie er zurück nach der Orangenlaube. »Franzosen aus der Provence, der Tourraine, der Bretagne, die uns Neuigkeiten bringen!«

      Er sprang vor Ungeduld vorwärts, rückwärts, fuchtelte mit Händen und Füßen. In der Laube flimmerte jetzt etwas Weißes. Endlich zeigte sich die ersehnte Adelaide. Im schneeweißen Morgenkleid aus feinstem Leinen, das die schwellenden Glieder zart hervorhob, schwebte eine schlank gebaute Gestalt heran. Ein breiter Strohhut bedeckte den schönen Kopf, von dem sich eine Fülle glänzend schwarzer Locken über den Nacken herabringelte. In der einen Hand hielt sie einen Sonnenschirm, in der andern einen Fächer von bunten Federn. Ein etwa zwölfjähriges Mädchen mit einem Moskitowedel folgte ihr auf dem Fuß.

      Sie warf einen flüchtigen Blick auf das Fahrzeug, das nur noch etwa hundert Schritte vom Landungsplatz war, und schwebte dann anmutig auf den Pflanzer zu, der ihren Arm zärtlich erfaßte und sie dem Uferrand zuzog, wo er hielt, einen triumphierenden Blick auf uns und einen zweiten auf das Mädchen warf. Das ganze Benehmen des Mannes hatte mehr theatralisch Kokettes als väterliche Zärtlichkeit.

      Unsere Augen hingen an dem seltsamen Paar und besonders an der herrlichen Adelaide, deren Bewegungen ein eigentümliches Gliederspiel verschönerte. Das ganze Wesen des Mädchens hatte für uns etwas ungemein Anziehendes, so wie ihre Schönheit eigentümlicher Art war. Nie hatten wir solche Augen gesehen. Sie waren länglich, mehr mandelförmig geschnitten als rund, nicht ganz schwarz, mehr gazellenschwarz, halb träumerisch geschlossen, schwimmend, zuweilen aufleuchtend, und dann zuckte es wie brennende Strahlen heraus. Es lag eine unsägliche Liebesglut in diesen herrlichen Augen.

      Wir hatten unsere Hüte abgenommen.

      »Mach, daß du fertig wirst, Lümmel!« schrie der Herr de Morbihan dem Akadier zu und stampfte ungeduldig mit dem Fuß.

      Roche Martin beachtete die Aufforderung nicht und machte keine Anstalt, die Bretter vom Fahrzeug ans Ufer zu legen.

      »Du siehst, Adelaide!« wandte sich der Alte mit bittender Miene an seine Tochter. »Wenn ich nicht gehe, dauert es noch eine Stunde, ehe sie landen!«

      Er sprang in das Fahrzeug und fiel mir buchstäblich in die Arme.

      »Heraus, heraus!« schrie er und umarmte mich. »Heraus aus diesem barbarischen Bauernfahrzeug! Willkommen, Landsleute! Heraus, sage ich, heraus!«

      »Adelaide!« rief er ans Ufer hinüber. »Siehst du, Franzosen, wahre Franzosen! Man sieht es ihnen an den Augen an! Anderer Stoff als unsere drüben am Chetimachas!«

      Abermals umarmte er mich, sprang dann plötzlich einen Schritt zurück.

      »Sie sind aber doch von Stand, Monsieur? Doch Kavalier? Ich bin


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