Die Nilbraut. Georg Ebers

Die Nilbraut - Georg  Ebers


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ungeheuren Thongefässen und trugen es in hübsch geformten Krügen von dannen, während die freien Beamten des Hauses sich gruppenweise plaudernd, spielend und singend von den Mühen der Arbeitszeit erholten. Aus dem Sklavenquartier, welches einen zweiten Hof umschloß, scholl bunt durcheinander der Gesang geistlicher Lieder, der zum Tanz ladende schrille und dumpfe Klang der Doppelflöte und Handtrommel, Gezänk und Gelächter, das Kreischen eines zum Reigen gezogenen Mädchens und der Schrei eines Unfreien, den die Geißel des Vogtes getroffen.

      Das Gesindethor, welches noch zu Ehren des jüngst heimgekehrten Orion mit reichen Blumen und Laubgewinden geschmückt war, stand auch jetzt weit offen, um den Rechnungsführern und Schreibern Ausgang, oder den Städtern Einlaß zu gewähren, die ihre Freunde in der Statthalterei des Abends gern besuchten; denn es fanden sich dort stets einige höher gestellte Beamte des Mukaukas beisammen, welche von den neuesten Begebenheiten in Staat und Kirche mehr wußten als andere Leute.

      Unter dem hölzernen Vorbau des Oberverwalterhauses saß denn auch bald eine große Zahl von Männern beisammen, die sich mit allem Eifer dem Gespräch hingaben, das ihnen auch ohne das Bier, welches ihnen ihr Wirt immer noch auf Rechnung der Bewillkommnungsfeier des heimgekehrten Sohnes ihres Herrn anbieten ließ, genußreich erschienen wäre; denn was gab es Schöneres für den Aegypter, als Rede und Gegenrede tauschen und dabei den sonst unnahbaren Höhergestellten, den Andersgläubigen oder Landesfeinden mit Witz und Spott zu Leibe gehen.

      Es mußte auch heute manches treffende Wort, mancher glückliche Scherz zu hören sein; denn helles Gelächter und laute Beifallsrufe hatten vor dem Oberverwaltershause kein Ende, und der Befehlshaber der Wache beim Gesindethor warf neidische und ungeduldige Blicke auf die heitere Gesellschaft, in der er gern mit dabei gewesen wäre, aber er durfte seinen Posten noch nicht verlassen; denn da standen die gesattelten Pferde der Boten, die auf Abfertigung warteten, da gab es Supplikanten und Händlern Einlaß oder Ausgang zu gewähren, und in der weiten Vorhalle des Statthalterpalastes waren noch viele Leute versammelt, welche mit dem Mukaukas zu reden begehrten — war es doch in ganz Memphis bekannt, daß der kranke Statthalter in den heißesten Monaten nur gegen Abend Audienzen erteilte.

      Zu den arabischen Behörden fehlte es unter den Aegyptern noch an Zutrauen, und an des Mukaukas Stellvertreter gewiesen zu werden, suchte jedermann zu vermeiden; denn so klug und gerecht wie der Alte, war keiner seiner Beamten. Woher der leidende Mann Kraft und Zeit nahm, auch diesen auf die Finger zu sehen, ließ sich schwer erklären, doch es stand fest, daß jedes Urteil von ihm geprüft wurde.

      Die Audienzzeit war vorüber, und die Besorgnis, welche das Ausbleiben der Ueberschwemmung und der Komet erregten, hatten die Warteräume heute mit mehr Bittstellern gefüllt als gewöhnlich. Gruppenweise waren die Vertreter der Städte und die Dorfschulzen, einzeln die Kläger in eigener Sache vorgelassen worden, und die meisten hatten sich befriedigt oder doch mit gutem Rate entfernt. Ein einziger Landmann, dessen gerechte Sache schon lange der Erledigung wartete, war zurückgeblieben und hoffte, nachdem er dem Anmelder einige Drachmen von seiner Armut geopfert, die Frucht seines geduldigen Harrens noch heute zu ernten, als ihm der Hausmeister morgen wieder zu kommen gebot und die hohen in die Gemächer des Mukaukas führenden Thüren, dank den Goldstücken, die er von seinem Vetter, dem Fremdenführer, empfangen, dem Kaufmann Haschim dienstfertig aufthat; aber der Araber hatte den Landmann bemerkt und drang darauf, ihm den Vortritt zu lassen. So geschah es denn auch, und nach wenigen Minuten kehrte der Bauer befriedigt zurück und küßte Haschim dankbar die Hand. Darauf ließ der Anmelder den alten Herrn mit seinen Leuten, welche ihm einen schweren Ballen nachgetragen hatten, in einem prächtigen Vorzimmer warten, und seine Geduld wurde schwer auf die Probe gestellt, bevor der Ruf an ihn erging, dem Statthalter seine Ware zu zeigen.

      Dieser hatte, nachdem er mit einem stummen Winke eingewilligt, den gut empfohlenen Kaufmann später zu empfangen, seine Erholungszeit angetreten und zog, unbekümmert um den Wartenden, die Kegel des Brettspiels. Er lag auf einem mit dem glatten Fell einer Löwin überspannten Diwan, während seine junge Partnerin ihm auf einem niedrigen Sessel gegenüber saß. Die dem Nil zugewandten Thüren des Raumes, wo er auch die Bittsteller liegend empfangen, waren nun halb geöffnet, um der kühleren, aber immer noch lauen Abendluft Einlaß zu gewähren. Das grüne Velarium, Das Segel, womit das offene Dach überspannt werden konnte. welches am Tage die Sonnenstrahlen gehindert hatte, durch die in der Mitte offene Zimmerdecke zu dringen, war zurückgespannt, und Mond und Sterne blickten in das Gemach, welches seiner Bestimmung, an heißen Sommertagen eine erträgliche Zufluchtsstätte zu bieten, sehr wohl entsprach; denn seine Wände waren mit kühlen, bunten glasirten Kacheln bekleidet, seinen Fußboden bildete eine figurenreiche farbige Mosaik mit vergoldetem Glasgrund, und aus dem runden Mittelstück dieses kunstvollen Estrichs erhob sich der eigentliche Erfrischungsspender, eine zwei Mannslängen breite Schale von braunem, weiß gesprenkeltem Porphyr, aus der ein Springquell aufwärts strebte und seine ganze Umgebung mit zarten Wasserteilchen bestob. — Wenige Sessel, Stühle und kleine Tische, alle von kühlem Metall, bildeten die ganze übrige Ausstattung dieses hohen, durch zahlreiche Lampen hell erleuchteten Gemaches. Leiser Zugwind drang durch die offene Decke und die unverschlossenen Thüren, bewegte leicht die Flammen der Lampen und spielte mit den braunen Locken Paulas, die sich mit voller Hingabe dem Brettspiel zu widmen schien.

      Orion, der hinter ihr stand, hatte sich schon mehrfach vergeblich bemüht, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken; jetzt erbot er sich dienstbeflissen, ihr ein Tuch zu holen, um sie vor Erkältung zu schützen; sie aber lehnte es kurz und entschieden ab, obwohl die Luft vom Strome her feucht hereinwehte und sie den Peplos schon mehrmals fester um die Brust zusammengezogen hatte.

      Der junge Mann biß bei dieser neuen Zurückweisung die Zähne zusammen. Er wußte nicht, daß die Mutter ihr mitgeteilt hatte, was er ihr gestern bewilligt, und fand keine Erklärung für Paulas verändertes Benehmen. Von früh an war sie ihm mit eisiger Kälte begegnet, hatte sie seine Fragen kaum mit einem dürftigen »Ja« oder »Nein« beantwortet, und ihm, dem verwöhnten Liebling der Frauen, ward dies Verhalten mehr und mehr unerträglich. Die Mutter beurteilte sie doch wohl richtig! Sie ließ sich in unerhörter Weise von Stimmungen beherrschen und gab jetzt auch ihm den Hochmut, von dem er bisher nichts wahrgenommen, in verletzender Weise zu fühlen. Ja dies frostige Ausweichen grenzte an Unart, und er war nicht willens, es sich lange gefallen zu lassen. Tief verdrossen folgte er jeder Bewegung ihrer Hand, jeder Neigung ihres Körpers sowie dem wechselnden Ausdruck ihres Gesichtes, und je mehr er sich in die Bildung dieses stolzen Geschöpfes vertiefte, desto schöner, desto vollendeter fand er es, desto höher stieg seine Sehnsucht, sie wieder lächeln, sie wieder wie gestern weiblich liebenswürdig zu sehen. Jetzt glich sie nur einem herrlichen Marmorbilde, aber er wußte ja, daß dies auch eine Seele besaß, und welche herrliche Aufgabe, dies von thörichten Launen beherrschte Geschöpf gleichsam von sich selbst zu befreien und ihm — mußte es sein, mit Härte — zu weisen, was dem Weibe, der Jungfrau wohl steht.

      Unter diesem Gemisch von Empfindungen wandte sich seine Aufmerksamkeit mehr und mehr ausschließlich der Jungfrau zu, und seine Mutter, welche mit Frau Susanna in ziemlicher Entfernung von den Spielenden auf einer Ruhebank saß, bemerkte dies mit wachsendem Aerger und suchte ihn durch Fragen und kleine Aufträge von ihr abzulenken und seinem auffallenden Treiben eine andere Richtung zu geben.

      Wer hätte noch gestern Morgen gedacht, daß ihr der Liebling so bald solchen Verdruß solche Sorgen bereiten werde!

      Ganz so, wie der Vater und sie es gewünscht, als ein selbstbewußter, mit dem Leben der großen Welt vertrauter Mann war er heimgekehrt. Zwar hatte er in der Hauptstadt alles genossen, was einem vornehmen Jüngling genießenswert erscheint, aber darum war er doch — und das bereitete dem Vater die größte Freude — darum war er doch frisch und empfänglich auch für das Kleinste geblieben. Von der Uebersättigung und Abstumpfung der Daseinsfreude, der so viele seiner Alters- und Standesgenossen in der Residenz anheimfielen, zeigte sich an ihm keine Spur. Er konnte immer noch mit der kleinen Maria so munter spielen, sich über eine seltene Blume oder ein neues, schönes Pferd so herzlich freuen wie vor dem Aufbruch, und dabei hatte er so tiefe Einblicke in die politischen Verhältnisse der Zeit, den Zustand des Kaiserreiches und Hofes, die Staatsverwaltung und kirchlichen Neuerungen gewonnen, daß es dem Vater Genuß bereitete, ihn sprechen zu hören, und dieser seiner Gattin versichern konnte, er lerne mancherlei von dem Jungen, und Orion sei auf dem Wege,


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