Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil

Tausend Und Eine Nacht - Gustav  Weil


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Ibrahim rief: »Wer bist du?« — »Ich bin der Fischer Kerim«, antwortete der Kalif. »Da ich vernommen, daß du Gäste bewirtest, und jetzt eben einige schöne Fische gefangen habe, so komme ich, sie dir zu bringen.«

      Nureddin und die schöne Perserin freuten sich, als sie von Fischen reden hörten, und erstere sagte sogleich: »Scheich Ibrahim, ich bitte dich, öffne die Türe und laß ihn mit den Fischen hereinkommen.« Scheich Ibrahim öffnete und der Kalif trat grüßend in den Saal. Scheich Ibrahim rief ihm zu: »Willkommen, du Dieb, du Gauner, komm her und zeig‘ einmal, was du hast.« Der Kalif trat herzu und ließ seine Fische sehen, welche noch lebendig waren und sich bewegten. »Das sind sehr schöne Fische«, sagte Enis Aldjelis; »wenn sie nur gebacken wären.« — »Meine Herrin hat recht«, sprach Scheich Ibrahim; was sollen wir mit deinen Fischen, wenn sie nicht gebacken sind? Geh‘, richte sie selber zu und bringe sie uns dann wieder.« Der Kalif entgegnete: »Das soll sogleich geschehen sein, ich will sie selbst backen.« — »Mache nur hurtig«, rief man ihm nach.

      Der Kalif entfernte sich und rief dem Großvezier. »Was gibt‘s Gutes, Beherrscher der Gläubigen?« fragte Djafar. Der Kalif antwortete: »Sie verlangen die Fische gebacken.« — »Gib her«, sagte Djafar, »ich will sie zurichten.« — »Bei dem Grabe meines Vaters und meiner edlen Vorfahren!« entgegnete der Kalif, »ich will sie mit eigener Hand backen.« Mit diesen Worten nahm er den Weg nach der Hütte des Gartenaufsehers, und er fand alles darin, was er zum Kochen brauchte, bis auf das Salz und den Safran. Der Kalif näherte sich dem Herde, stellte die Pfanne auf und buk die Fische. Als sie fertig waren, legte er sie auf ein Bananenblatt, nahm im Garten Limonen, ging mit diesen und den Fischen wieder zu den dreien hinauf und stellte alles vor sie hin. Sie aßen mit großer Lust, und als sie fertig waren, wuschen sie ihre Hände. Nureddin sagte dann: »Bei Gott, Fischer, du hast uns diese Nacht eine große Wohltat erwiesen.« Dann griff er in den Busen und nahm von dem Gelde, das ihm Sandjar, der Türhüter des Königs von Baßrah, vor seiner Abreise gegeben hatte, drei Dinare heraus. »Nimm«, sagte er, »und entschuldige, daß ich dir nicht mehr gebe! Hätte ich dich früher gekannt, als ich noch in besseren Umständen war, so würde ich die Bitterkeit der Armut aus deinem Herzen gerissen haben; nimm indes dies Wenige, womit mich Gott gesegnet hat.« Mit diesen Worten warf er dem Kalifen die drei Dinare hin. Dieser nahm sie, küßte und steckte sie ein. Da aber seine Absicht war, das Mädchen singen zu hören, sagte er zu Nureddin: »Herr! ich kann dir nicht genug danken für deine Freigebigkeit. So reichlich du mich aber beschenkt hast, so habe ich doch noch eine Bitte an dich, die nämlich, daß mir gestattet werde, dieses Mädchen singen zu hören.«

      »Enis Aldjelis!« sagte sogleich Nureddin, indem er sich zu ihr wandte, »ich beschwöre dich bei meinem Leben, singe etwas diesem Fischer zulieb, der dich hören möchte.« Als Enis Aldjelis die Worte ihres Herrn vernahm, ergriff sie die Laute, und nachdem sie dieselbe gestimmt hatte, sang sie folgende Strophen:

      »Sie ergreift die Laute, ihre Finger gleiten durch die Saiten hin, und jeder Ton reißt die Seele mit sich fort.«

      »Sie singt, und ihre Stimme heilt die Tauben; und selbst die Stumme ruft ihr zu: du hast es gut gemacht.«

      Nach einem wundervollen entzückenden Zwischenspiele fuhr die Sängerin fort:

      »Wir werden geehrt, wenn ihr in unserem Land euch niederlasset: sein Duft wird Ambra, und strahlend wird die dunkle Nacht.

      »Betretet ihr meine Wohnung, so ziemt sich‘s, daß ich mit Moschus, Rosenöl und Kampfer sie beräuchere.«

      Als die Sklavin geendet hatte, rief der Kalif vor Liebe und Entzücken außer sich: »Bei Gott, schön, bei Gott, schön!« Nureddin fragte: »Gefällt sie dir, Fischer?« — »Ja wohl, bei Gott«, rief der Kalif aus. Nureddin fuhr alsbald fort: »Sie ist dein; ich mache dir ein Geschenk damit, ein Geschenk eines Edlen, der seine Gabe nicht zurücknimmt.« Zu gleicher Zeit stand er auf, nahm sein Kleid, das er abgelegt hatte und warf es dem Kalifen, den er immer nur für einen Fischer hielt, zu und sagte ihm, er möge sich nur mit der Sklavin auf den Weg machen; Enis Aldjelis sagte zu ihm, indem sie ihn anblickte: »Herr, willst du ohne Abschied von mir gehen? Wenn ich durchaus dich verlassen muß, so gestatte mir wenigstens, dir Lebewohl zu sagen.« Sie sang hierauf folgende Verse:

      »Bist du auch fern von mir, so ist doch dein Platz in meinem Herzen, das ganz von dir erfüllt ist.«

      »Ich hoffe zu dem Vater der Barmherzigkeit, daß er uns wieder vereinigen wird: dies erflehe ich als eine Gnade von Gott, der sie gewähren kann, wenn er will«,

      Als sie damit zu Ende war, antwortete ihr Nureddin mit folgenden Strophen:

      »Am Trennungstage hat sie mit weinenden Augen von mir Abschied genommen und mich gefragt, was ich nach ihrer Entfernung tun werde?«

      »Da hab‘ ich geantwortet: Frage dies den, der noch am Leben bleibt!«

      Der Kalif, von Mitleid gegen die beiden ergriffen, wendete sich zu Nureddin und sagte zu ihm: »Herr, fürchtest du dich vor jemanden, oder hat jemand eine Forderung an dich?« — »Bei Gott, o Fischer! erwiderte Nureddin, »mir und diesem Mädchen sind wunderbare Dinge begegnet. Es wäre wohl der Mühe wert, sie jedem zur Warnung und Belehrung mit der Nadel in die Tiefe des Auges zu stechen.« — »O Herr«, versetzte der Kalif, »erzähle mir deine Geschichte, vielleicht wird dir Gott dadurch Erleichterung verschaffen, denn Gottes Hilfe ist überall nahe.«

      Nureddin fragte den Kalifen, ob er die Erzählung in ungebundener Rede oder in Versen hören wolle. Der Kalif antwortete: »Prosa ist nur einfaches Gerede, Poesie aber eine Perlenschnur.« Nureddin sprach hierauf folgende Verse:

      »Mein Teurer! mich flieht der Schlaf, und mein Gram nimmt mit jedem Tage zu, weil ich von der Heimat ferne bin.«

      »Ich hatte einen Vater, dessen Liebling ich war; da schied er von mir und nahm das dunkle Grab zur Wohnung.«

      »Seitdem ist mir Vieles widerfahren, das mein Herz verwundet und mein Inneres zerrissen hat.«

      »Er hatte das feinste Mädchen mir gekauft, dessen Wuchs den schlanksten Baumzweig beschämte.«

      »Da verlor ich alles, was ich geerbt hatte: denn ich war freigebig gegen wackere Menschen.«

      »Als die Not zu groß ward, führte ich die Sklavin mit widerstrebendem Herzen auf den Markt.«

      »Ein Ausrufer bot sie aus, und ein nichtswürdiger Alter steigerte sie: da entbrannte mein Zorn, und ich riß das Mädchen zurück.«

      »Der Schurke geriet in Wut, und sein Gesicht zeigte Lust, Gewalt zu gebrauchen.«

      »Aber ich verteidigte meine Ehre durch Schläge mit beiden Händen, bis ich meinem Herzen Luft gemacht hatte.«

      »Voll Besorgnis wegen der Folgen dieser Tat kam ich in mein Haus zurück und fürchtete die Bosheit des Feindes.«

      »Da befahl der König des Landes, mich zu greifen; aber ein ehrlicher Türsteher gab mir einen Wink und hieß mich in die Ferne ziehen, weit weg, um die bösen Menschen zu ärgern.«

      »So flohen wir unter dem Flügel der Nacht von der Heimat, um uns nach Bagdad zu begeben.«

      »Ich habe nichts mehr, als was ich dir o Fischer gegeben: dir schenkte ich die Geliebte meines Herzens, und es ist, als schenkte ich dir mein Herz.«

      Als Nureddin geendigt hatte, bezeigte der Kalif sein Verlangen, auch die näheren Umstände von dem zu erfahren, was er soeben in der Kürze gehört hatte. Nureddin willfahrte ihm, und verschwieg nichts von allem, was ihm begegnet war von Anfang bis zu Ende.

      Als der Kalif von seiner Lage unterrichtet war, fragte er Nureddin: »Und wohin willst du jetzt gehen?« — Er antwortete: »Gottes Erde ist breit und weit.« — »Ich will dir«, fuhr der Kalif fort, »ein paar Zeilen an den König Muhammed, Suleimans Sohn, mitgeben; sobald er sie gelesen hat, wird er dir nichts zuleid tun und in keiner Weise dir entgegentreten.« Nureddin entgegnete: »Wo hat man je gehört, daß ein Fischer, wie du, mit einem König in Briefwechsel steht?« Der Kalif erwiderte: »Wir sind zusammen bei demselben Lehrmeister in die Schule gegangen und ich war sein Unterlehrer, das Glück hat ihn dann zum König und mich


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