Leiden und Freuden eines Schulmeisters. Jeremias Gotthelf

Leiden und Freuden eines Schulmeisters - Jeremias  Gotthelf


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daran hätte ich noch nicht gedacht, so erwiderte er spöttisch: so sehe er nicht, was da apartig zu rühmen sei; seine Kinder könnten konstruieren wie auf der Geisle gchlepft.

      Ach Gott, wie brühheiß ward mir da ob all den verfänglichen Fragen und spitzigen Redensarten! Ach, wie andere Dinge waren das, als ich erwartet hatte! Ich suchte mich loszumachen, um zu ehrlichen Leuten zu kommen und etwas Schöneres zu hören; aber sie ließen mich nicht los; wie ich den Fuß zum Gehen lüpfte, war einer mit einem Trumpf da und stellte mich. Aber das geschah alles mit lächelndem Munde; aber dem einen unter ihnen blitzte es beständig in den Mundecken und seine Kniee waren keinen Augenblick still. Ich merkte eigentlich ihr Spiel nicht und begriff manchen Stich nicht. Es ärgerte mich nur, daß ich da mit denen Wortwechseln mußte, statt anderwärts schöne Redensarten zu hören. In der Kirche aber während des Betens und Singens fing es mir an aufzurüchen, daß sie mich eigentlich durchgehechelt hätten. Erst jetzt glaubte ich manches Wort zu verstehen, das sie hatten fallen lassen, und wurde rot und mochte mir fast die Finger abbeißen, daß ich sie nicht wieder getrumpft, so und so ihnen geantwortet. Das schien mir nicht schön von ihnen, einen jungen Kollegen so zu empfangen mit Stich und Hieb. Im Sack machte ich die Faust und sah sie seitwärts an, was sie eigentlich für Kunden wären, fand aber in ihren Gesichtern nicht den Mut, mit ihnen anzubinden. Allen dreien zuckten Spuren von Feuerteufelchen auf der Stirne herum, die nur eines Funkens bedurften, um zu knallen und zu zischen. Unterdessen predigte der Herr trostlich zu und obgleich ich kein Wort verstund, weil ich anderes dachte, wuchs mir doch ein Trost im Herzen wie ein Schwamm aus einem faulenden Baumstrunk. Das sei der Neid gewesen, dachte ich bei mir selbsten, der sie so hätte reden lassen. Sie müßten gehört haben, was für einer ich sei, und das möchten sie mir nun nicht gönnen und seien schalus. Das sei doch wüst von ihnen, dachte ich, und noch dazu von Schulmeistern; aber ihnen zum Trotz wolle ich erst jetzt recht zeigen, wer ich eigentlich sei. Das freute mich doch, daß sie von mir reden gehört in ihren Dörfern und es nahm mich wunder, wer es ihnen gesagt und was man ihnen eigentlich gesagt, und ich mochte es ihnen gönnen, daß sie durchgethan wurden durch mich. Was sie mir gesagt, beachtete ich nicht, am wenigsten den Spruch: je mehr einer anfangs rühme, desto mehr klage er zuletzt.

      Mit recht hämischem Lächeln warf ich Blicke auf sie und nahm mir vor, ihnen einzutreiben ihre Bosheit. So war in der ersten Stunde der Teufel zwischen unsere Herzen gefahren, hatte die Zwietracht uns in die Haare gesetzt und den unglücklichen verkehrten Sinn in uns ausgegossen: einer sei des andern Widersacher, des einen Erhebung sei des andern Erniedrigung, und dieses: die eigene Erhebung, des andern Erniedrigung, sei unsere Aufgabe. Wie mag aber wohl ein Reich bestehen, wenn es uneins in sich selbsten ist?

      Es ist ein Elend in der Welt, daß die Herzen so leicht sich feindlich gegen einander auslegen, besonders junge und alte Herzen; sollte es doch zwischen ihnen sein wie zwischen altem und jungem Wein, wo der junge durch den alten gereift und gemildert wird, der junge den alten vor dem Flauwerden, dem Abstehen fchützt. Aber die alten Herzen, bitter gemacht durch die Erfahrung und doch stolz darauf, blicken verachtend auf die jugendliche Kraft und fordern zürnend von ihr des Greifen zitternd, zagend Wesen. Die jungen Herzen blähen sich auf zu raschen Sprüngen, und im Bewußtsein der Kraft ihres Willens vergessen sie die Unkenntnis des Bodens, auf dem sie springen wollen, brüsten sich gegenüber dem Alter mit ihrem jugendlichen Wesen und Wissen, leichtfertig verschmähend dessen Erfahrungen. Und mitten zwischen beide lagert sich die böse Welt, das Neue liebend und doch jede Verbesserung hassend. Sie bethört erst das junge Herz durch reiches Lob zur Eitelkeit, empört es gegen das Alte und schlägt es, wenn es verbessern will, nieder mit Hohn und Spott, bis auch es alt geworden ist an Bitterkeit und die Eitelkeit verwittert ist zu Verachtung jugendlichen Treibens, in den Wahn versunken ist, dasselbe allein hindere, daß mit der Krone der Weisheit die Welt das weiße Haupt bedecke. Ach, wenn die Herzen, beide jung und alt, doch nur eins bedächten: daß Gott beide gemacht, jedes in seiner Eigentümlichkeit, eines zu Hülfe und Schutz des andern; daß beide arbeiten sollten für den da oben, keines seine Ehre suchend, seinen Nutzen, sondern die Ehre des da oben; daß der der Höchste ist, der des andern Diener wird, daß ein Werk aller Werk ist und ein Meister alle lohnet, einen jeden nach seiner Treue, die das Ihre gethan und kein gutes Streben gehemmt. Dann würden die Herzen sich zusammenlegen, die alten in süßer, milder Kraft, die jungen in feurig sprudelndem Mute. Was, wer vermöchte diesem Bunde zu widerstehen? Ihr Meister wäre Gott; sie aber würden Meister der Welt, der Welt in ihnen, der Welt außer ihnen.

      Nach der Predigt machte ich mich alsobald fort, ohne nur ein einziges Sprüchlein gehört zuhaben, wie ich sie zu Dutzenden auf mich herabregnend gedacht hatte. Statt dessen war ich vernütiget und ausgelächelt worden. So ging es mir doch viel in meinem Leben, daß ich Schmach und Spott einerntete, wenn ich Lob und Preis erwartet hatte. Ich brauchte nur zu mir zu sagen: Ja Peter! das ist wieder ein brav Stückli von dir, das machte nicht ein jeder; und wie werden doch die Leute Augen machen, wenn sie es vernehmen, und dich rühmen: so konnte ich fast sicher darauf zählen, daß ich Verdruß, Schaden und Spott davon hatte. Und doch waren viele dieser Sachen, wirklich gut und verdienstlich, und meine Erwartungen schienen mir ganz billig zu sein. Warum dann so bittere Früchte aus guter Saat? Dieses Rätsel konnte ich lange nicht lösen, und ich fing an, in der Leute Meinung einzustimmen, daß einer ein Narr sei, etwas besonders Gutes thun zu wollen, und daß die wahre Klugheit darin bestehe, daß jeder zu seinem Vorteil sehe und um alles andere sich nicht kümmere. Da sollte ich einmal an einem Sonntage die Worte erklären, »alle unsere guten Werke seien mit Sünden befleckt«. Lange konnte ich das nicht begreifen; endlich fiel es mir ein, daß diese Sünden der Stolz und die Eitelkeit seien, die sich erheben, sobald wir ein gut Werk thun wollen oder gethan haben; daß die Sünde in der das Werk begleitenden Gesinnung bestehe. Wie nun Gottes Güte auf jede Sünde eine Mahnung oder Strafe innerlich oder äußerlich folgen läßt, damit der Sünder sich bekehre, so züchtigt er Stolz und Eitelkeit dadurch, daß er sie nicht befriedigen, sondern verletzen, kränken läßt. Das verstehen aber die Leute nicht, sondern statt Stolz und Eitelkeit zu bändigen, unterlassen sie das Gute. O könnten wir es dahin bringen, unsere guten Werte in bewußtloser Bescheidenheit zu vollbringen, wie das Kind, das Jesus in die Mitte der Jünger stellte, so würden für uns die Hälfte aller Kränkungen wegfallen und unsere besten Werke wären nicht mehr durch haften Sinn vergiftet. Soweit dachte ich damals aber nicht, sondern wie ein junger Schulmeister nur der Nase lang, nämlich daß ich hinter den andern nicht zurückbleiben wolle und meine Kinder das Konstruieren auch lernen müßten, wie auf der Geisle gchlepft. Und da man an meiner Singkunst zu zweifeln schien, so nahm ich mir vor, die Kinder im Figuralgesang zu üben, wozu sich glücklicher Weise einige Exemplare von Gellerts Liedern in der Schule vorfanden. Endlich wollte ich nicht, daß die andern dem Pfarrer werter seien als ich, und nahm mir vor, ihm in der nächsten Woche meine Aufwartung zu machen.

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