Am Rio de la Plata. Karl May

Am Rio de la Plata - Karl May


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nicht empfehlend.

      »Ich muß gestehen, daß ich noch nie von Ihnen gehört habe,« bemerkte ich. »Da Sie mir gesagt haben, wer und was Sie sind, darf ich wohl auch erfahren, was Sie haben, das heißt natürlich, was Sie besitzen?«

      »Ich besitze erstens Geld und zweitens Einfluß.«

      Er machte vor den beiden Worten, um sie besser ins Gehör zu bringen, eine Pause und sprach sie mit scharfer Betonung aus. Dann sah er mich mit einem pfiffigen, erwartungsvollen Augenblinzeln von der Seite an. Sein Gesicht war jetzt ganz dasjenige eines dummlistigen, dreisten Menschen.

      »Das sind allerdings zwei recht schöne, brauchbare Sachen, Geld und Einfluß. Sind Sie zu dem Zwecke gekommen, mir beides zur Verfügung zu stellen?«

      »Ich würde mich glücklich fühlen, wenn Sie die Gewogenheit haben wollten, diese meine Absicht nicht zurückzuweisen!«

      Das war überraschend. Dieser Mann stellte mir seine gesellschaftlichen Verbindungen und auch seinen Geldbeutel zur Verfügung! Aus welchem Grunde? Um das zu erfahren, sagte ich:

      »Gut, Sennor, ich nehme beides an, vor allen Dingen das erstere.«

      »Also zunächst Kapital! Wollen Euer Hochwohlgeboren mir sagen, wie stark die Summe ist, deren Sie bedürfen?«

      »Ich brauche augenblicklich fünftausend Pesos Fuertos.«

      Er zog sein Gesicht befriedigt in die Breite und sagte:

      »Eine Kleinigkeit! Euer Gnaden können das Geld binnen einer halben Stunde haben, wenn wir über die kleinen Bedingungen einig werden, welche zu machen mir wohl erlaubt sein wird.«

      »Nennen Sie dieselben!«

      Er trat nahe an mich heran, nickte mir sehr vertraulich zu und erkundigte sich:

      »Darf ich vorher fragen, ob dieses Geld privaten oder offiziellen Zwecken dienen soll?«

      »Nur privaten natürlich.«

      »So bin ich bereit, die Summe nicht etwa herzuleihen, sondern sie Euer Hochwohlgeboren, falls Sie es mir gestatten, dies thun zu dürfen, als einen Beweis meiner Achtung schenkweise auszuzahlen.«

      »Dagegen habe ich nicht das mindeste.«

      »Freut mich außerordentlich. Nur möchte ich Sie in diesem Falle ersuchen, Ihren Namen unter zwei oder drei Zeilen zu setzen, welche ich augenblicklich entwerfen werde.«

      »Welchen Inhaltes sollen diese Zeilen sein?«

      »O, es wird sich nur um eine Kleinigkeit, um eine wirkliche Geringfügigkeit handeln. Euer Hochwohlgeboren werden mir durch diese Namensunterschrift bestätigen, daß ich, Esquilo Anibal Andaro, Ihr Corps bis zu einer angegebenen Zeit und zu einem ganz bestimmten Preise mit Gewehren zu versehen habe. Ich bin in der glücklichen Lage, mich in einigen Tagen im Besitze einer hinreichenden Anzahl von Spencer-Gewehren zu befinden.«

      Jetzt war es mir klar, daß dieser Sennor Schleicher mich mit einem Offizier verwechselte, dem ich vielleicht ein wenig ähnlich sah. Wahrscheinlich hatte er die löbliche Absicht, den Betreffenden durch das Geschenk von fünftausend Pesos zu bestechen, auf den Gewehrhandel einzugehen. Beim Schlusse des nordamerikanischen Bürgerkrieges waren circa zwanzig Tausend Spencer-Gewehre in Gebrauch gewesen. Man konnte den Yankees recht gut zutrauen, daß sie einen Teil dieser Waffen nach den La Plata-Staaten, wo dergleichen damals gebraucht wurden, verkauft hatten. Bei diesem Handel konnte der Sennor das Zehnfache des Geschenkes, welches er mir anbot, herausschlagen.

      Er hatte mich Oberst genannt. Wie kam ein Oberst dazu, über den Kriegsminister hinweg den Ankauf von Gewehren zu bestimmen? Wollte der Betreffende etwa als Libertador auftreten? Mit diesem Worte, zu deutsch Befreier, bezeichnet man am La Plata die Bandenführer, welche sich gegen das herrschende Regiment auflehnen. Dergleichen Leute hat die Geschichte jener südamerikanischen Gegenden sehr viele zu verzeichnen.

      Die Sache war mir sehr interessant. Kaum hatte ich den Fuß auf das Land gesetzt, so bekam ich auch schon Gelegenheit, einen Blick in die intimsten Verhältnisse desselben zu thun. Ich hatte große Lust, die Rolle meines Doppelgängers noch ein wenig weiter zu spielen, doch besann ich mich eines bessern. Natürlich hatte ich, bevor ich nach hier kam, mich über die hiesigen Verhältnisse möglichst unterrichtet, und so wußte ich, daß es für mich sehr gefährlich werden könne, meinen Besuch in seinem Irrturme zu belassen, nur um mich über Verhältnisse zu unterrichten, welche mir unbekannt bleiben mußten. Darum sagte ich ihm:

      »Eine solche Schrift kann ich leider nicht unterzeichnen. Ich wüßte nicht, was ich mit den Gewehren machen sollte, da ich nicht die geringste Verwendung für dieselben habe.«

      »Nicht?« fragte er erstaunt. »Euer Hochwohlgeboren können in Zeit von einer Woche über tausend Mann beisammen haben!«

      »Zu welchem Zwecke?«

      Er trat um zwei Schritte zurück, kniff das eine Auge zu, lächelte listig, als ob er sagen wolle: Na, spiele doch mit mir nicht Komödie; ich weiß ja genau, woran ich mit dir bin! und fragte:

      »Soll ich das Euer Gnaden wirklich erst sagen? Ich habe gehört, daß Sie nach Montevideo kommen würden, und nun, da Sie sich hier befinden, kenne ich ganz genau den Zweck Ihrer Anwesenheit. Es giebt ja nur diesen einen Zweck.«

      »Sie irren sich, Sennor. Mir scheint, Sie halten mich für einen ganz andern Mann, als ich bin.«

      »Unmöglich! Sie hüllen sich in diesen Schleier, weil meine Forderung bezüglich der Gewehre Ihnen vielleicht nicht genehm ist. So bin ich gern bereit, Ihnen andere Vorschläge zu machen.«

      »Auch diese würden nicht zu ihrem Ziele führen, denn Sie verwechseln mich wirklich mit einer Person, mit welcher ich einige Aehnlichkeit zu besitzen scheine.«

      Das machte ihn aber nicht irre. Er behielt seine zuversichtliche Miene, zu welcher sich noch ein beinahe überlegenes Lächeln gesellte, bei und sagte:

      »Wie ich aus Ihren Worten schließe, befinden Sie sich jetzt überhaupt nicht in der Stimmung, über diese oder eine ähnliche Angelegenheit zu sprechen. Warten wir also eine geeignete Stunde ab, Sennor. Ich werde mir erlauben, wieder vorzusprechen.«

      »Ihr Besuch würde das gegenwärtige Resultat haben. Ich bin nicht derjenige, für den Sie mich halten!«

      Er wurde ernster und fragte:

      »So wünschen Sie also nicht, daß ich meinen Besuch wiederhole?«

      »Er wird mir jederzeit angenehm sein, vorausgesetzt, daß Sie nicht länger in dem erwähnten Irrtum verharren. Können Sie mir sagen, wer der Herr ist, mit welchem Sie mich verwechseln?«

      Jetzt musterte er mich scharf vom Kopfe bis zu den Füßen herab. Dann meinte er kopfschüttelnd:

      »Ich kenne Euer Gnaden bisher als einen tapfern, hochverdienten Offizier und hoffnungsvollen Staatsmann. Die Eigenschaften, welche ich jetzt an Ihnen entdecke, geben mir die Ueberzeugung, daß Sie in letzterer Beziehung schnell Karriere machen werden.«

      »Sie meinen, ich verstelle mich? Hier, nehmen Sie Einsicht in meinen Paß.«

      Ich gab ihm den Paß aus der Brieftasche, welche ich auf dem Tische liegen hatte. Er las ihn durch und verglich das Signalement Wort für Wort mit meinem Aeußern. Sein Gesicht wurde dabei länger und immer länger. Er befand sich in einer Verlegenheit, welche von Augenblick zu Augenblick wuchs.

      »Teufel!« rief er, indem er den Paß auf den Tisch warf. »Jetzt weiß ich nicht, woran ich bin! Ich sowohl als auch zwei meiner Freunde haben Sie ganz genau als denjenigen erkannt, den ich in Ihnen zu finden gedachte!«

      »Wann sahen Sie mich?«

      »Als Sie unter der Thüre des Hotels standen. Und nun ist dieser Paß ganz geeignet, mich vollständig irre zu machen. Sie kommen wirklich aus New York?«

      »Allerdings. Mit der „Sea-gall“, welche noch jetzt vor Anker liegt. Sie können sich bei dem Kapitän erkundigen.«

      Da rief er zornig:

      »So hole Sie der Teufel! Warum sagten Sie das nicht sogleich?«

      »Weil Sie nicht fragten. Ihr Auftreten ließ mit Sicherheit


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