Am Rio de la Plata. Karl May

Am Rio de la Plata - Karl May


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Geld haben!«

      Der arme Teufel sah verlegen vor sich nieder. Ich fühlte Mitleid mit ihm. Er war ein Theesammler. Ich hatte gelesen, welch ein beschwerliches und gefährliches Leben diese Leute führen. Er und seine Genossen sollten um den Lohn ihrer Arbeit gebracht und mit ihren Familien der Not überantwortet werden, nur um sie in größere Abhängigkeit von dem reichen Unternehmer zu bringen.

      Dieser Sennor Tupido war jedenfalls ein sehr würdiger Kompagnon meines hinterlistigen Yankee.

      Der Theesammler legte sich auf das Bitten. Er gab die besten Worte, ihm den kleinen Betrag doch nachzulassen. Vergebens.

      »Das Einzige, wozu ich mich verstehen kann, ist die Gewährung einer Frist,« erklärte schließlich der harte Geschäftsmann. »Zahlt Ihr die zweihundert Pesos bis heute abend, dann gut; wenn aber nicht, so habt Ihr bis auf weiteres in meinem Dienste zu bleiben, um die Schuld abzuarbeiten. Das ist mein letztes Wort. Jetzt geht!«

      Der Arme schlich betrübt davon. Als er an mir vorüberging, raunte ich ihm zu:

      »Draußen warten!«

      Er warf einen schnellen, froh überraschten Blick auf mich und ging; ich aber schritt auf den Herrn des Geschäftes zu. Dieser musterte mich scharf und forschend, kam mir dann einige Schritte entgegen, verbeugte sich sehr tief und fragte:

      »Sennor, was verschafft mir die unerwartete Ehre eines mich so überraschenden Besuches?«

      Es war klar, daß auch er mich für einen andern hielt. Ich antwortete in einem nicht übermäßig höflichen Tone:

      »Mein Besuch ist für Sie nicht ehrenvoller, als jeder andere auch. Ich bin ein einfacher Mann, ein Fremder, der diesen Brief abzugeben hat.«

      Er nahm den Brief, las die Adresse, betrachtete mich abermals und sagte mit einem diplomatisch sein sollenden Lächeln:

      »Aus New York, von meinem Kompagnon! Stehen Sennor bereits mit diesem in geschäftlicher Beziehung?

      Es hätte mich unendlich gefreut, vorher von Ihnen durch einen Avis unterrichtet zu werden.«

      »Als ich Ihren Kompagnon zum erstenmale sah, wußte ich von Ihnen gar nichts.«

      Das machte ihn doch in seiner Ueberzeugung irre. Er schüttelte den Kopf, brach den Brief auf, ohne zu bemerken, daß das Siegel vorher verletzt worden war, und las ihn. Sein Gesicht wurde länger und immer länger; sein Blick flog zwischen mir und den Zeilen herüber und hinüber. Endlich faltete er ihn wieder zusammen, steckte ihn in die Tasche und sagte:

      »Höchst sonderbar! Sie sind also wirklich ein Deutscher? Derjenige, von welchem dieses Empfehlungsschreiben handelt?«

      »Ich darf allerdings vermuten, daß in diesem Briefe von mir die Rede ist.«

      »Sie werden mir in demselben auf das allerwärmste empfohlen, und ich stelle mich Ihnen in jeder Beziehung zur Verfügung.«

      »Danke sehr, Sennor! Doch ist nicht meine Absicht, Ihnen Mühe zu bereiten.«

      »O bitte, von Mühe kann gar keine Rede sein! Sie sahen mich gewissermaßen erstaunt. Das war infolge einer ganz bedeutenden Aehnlichkeit, welche Sie mit einem in den bessern Kreisen sehr bekannten Herrn besitzen.«

      »Darf ich erfahren, wer dieser Herr ist?«

      »Gewiß. Ich meine nämlich Oberst Latorre, von welchem Sie vielleicht gehört oder gelesen haben.«

      »Ich kenne allerdings den Namen dieses Offiziers, an welchen sich gewisse Zukunftshoffnungen zu knüpfen scheinen. Seien Sie versichert, daß meine Aehnlichkeit mit ihm nur eine äußerliche ist. Ich bin ein einfacher Tourist und besitze weder für Politik noch für Kriegskunst die geringste Lust oder gar Begabung.«

      »Das sagt Ihre Bescheidenheit. Mein Kompagnon teilt mir mit, daß Sie sich jahrelang bei den Indianern befunden haben: eine Art kriegerischen Sinn müssen Sie also doch besitzen. Hoffentlich habe ich das Vergnügen, von den Abenteuern zu hören, welche Sie erlebt haben. Würden Sie mir die Ehre erweisen, heute abend bei mir das Essen einzunehmen?«

      »Ich stehe ganz zu Ihrer Verfügung.«

      »So bitte ich Sie, sich um acht Uhr in meiner Privatwohnung einzustellen, welche Sie auf dieser Karte verzeichnet finden. Kann ich Ihnen für jetzt noch in etwas dienen?«

      »Ja, wenn ich bitten darf. Ich möchte Ihnen dieses Papier zustellen.«

      Ich nahm seine Visitenkarte und gab ihm den Sichtwechsel. Er prüfte denselben, schrieb einige Ziffern auf den Zettel und stellte mir denselben mit den Worten zu:

      »Dort ist die Kasse, Sennor. Für jetzt empfehle ich mich Ihnen; aber auf Wiedersehen heute abend!«

      Er wendete sich ab, um durch eine Thüre zu verschwinden, der durchtriebene Kerl. Ein Blick auf den Zettel genügte, mich zu Ãœberzeugen, daß ich geprellt werden sollte.

      »Sennor!« rief ich ihm nach. »Bitte, nur noch für einen Augenblick!«

      »Was noch?« fragte er, sich wieder herumdrehend. Sein Gesicht hatte alle Freundlichkeit verloren, und seine Stimme klang scharf und befehlend.

      »Es ist da wohl ein kleiner Irrtum unterlaufen. Der Wechsel lautet auf eine höhere Summe.«

      »Sie vergessen höchst wahrscheinlich die Diskontogebühr?«

      »Sie kann nicht vergessen werden, da von einem Diskontieren überhaupt keine Rede ist. Sie ziehen mir fünf Prozent ab, während der Wechsel auf Sicht, nicht aber auf ein späteres Datum lautet.«

      »Dieser Abzug ist hier Usus.«

      »Ein Theesammler mag sich nach Ihren persönlichen Gepflogenheiten richten müssen, weil er sich in Ihrer Gewalt befindet; ich aber habe das nicht nötig. Ihr Kompagnon hat diesen Wechsel nicht mir zu Gefallen acceptiert, sondern ich habe die Summe voll bei ihm eingezahlt und verlange sie also ebenso voll zurück, wobei ich übrigens ohnedies einen Zinsenverlust zu tragen habe.«

      »Ich zahle nicht mehr.«

      »So behalten Sie Ihr Geld, und geben Sie mir meinen Wechsel zurück!«

      »Der befindet sich in meiner Verwahrung, und Sie haben dafür die Anweisung an die Kasse erhalten. Folglich ist der Wechsel mein Eigentum.«

      »Ich lege Ihnen die Anweisung hier auf den Tisch zurück, da ich keinen Gebrauch von ihr machen werde.«

      »Thun Sie das, wie Ihnen beliebt. Der Wechsel aber ist honoriert und bleibt in meiner Hand!«

      »Lange Zeit jedenfalls nicht, denn ich werde zwar jetzt gehen, aber binnen fünf Minuten mit dem Polizeimeister zurückkehren. Bis dahin empfehle ich mich Ihnen!«

      Ich machte ihm eine kurze Verbeugung und wendete mich zum Gehen. Seine Untergebenen hatten ihre Federn weggelegt und der Scene mit Spannung zugesehen. Schon hatte ich die Thüre in der Hand, da rief er mir nach:

      »Halt, Sennor! Bitte, eine Sekunde!«

      Der Mann hatte Angst vor der Polizei bekommen. Sein geschäftlicher Ruf konnte Schaden erleiden, und überdies war, wenn er mich gehen ließ, von der Ausführung des beabsichtigten Planes keine Rede. Er zog den Empfehlungsbrief nochmals hervor und that, als ob er ihn jetzt genauer durchlese. Dann sagte er in der früheren höflichen Weise:

      »Ich habe allerdings um Verzeihung zu bitten. Mein Kompagnon schreibt mir am Schlusse, den ich vorhin leider übersah, daß Sie die Summe voll ausgezahlt erhalten und wir aus Rücksicht auf Sie in diesem Falle von unserm Usus absehen sollen. Ich werde Ihnen also den ganzen Betrag notieren. Sind Sie dann zufriedengestellt?«

      Ich nickte nachlässig.

      »Vergessen wir die kleine, unangenehme Differenz, Sennor,« sagte er. »Ich darf doch für heute abend bestimmt auf Sie rechnen?«

      »Gewiß! Vorausgesetzt allerdings, daß es in Ihrer Häuslichkeit nicht auch einen Usus giebt, gegen den ich protestieren müßte.«

      »O nein, nein, nein!« stieß er mit freundlichem Gesichte, aber mit vor Wut heiserer Stimme hervor und verschwand durch seine Thüre.

      Ich erhielt mein Geld, steckte es ein, dankte, grüßte und ging. Draußen


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