Am Rio de la Plata. Karl May

Am Rio de la Plata - Karl May


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werde mich pünktlich einstellen, Sennor. Darf ich fragen, ob Sie mit Sennor Tupido in geschäftlicher Verbindung stehen?«

      »Das ist nicht der Fall. Ich gab ein Empfehlungsschreiben ab.«

      »Hat er Sie eingeladen?«

      »Ja. Für heute abend acht Uhr in seine Privatwohnung.«

      »Die kenne ich. Sie befindet sich auf der Straße, welche nach La Union führt. Es ist eine kleine, prächtige Villa, welche Ihnen sehr gefallen wird. Leider möchte ich bezweifeln, daß die Bewohner Ihnen ebenso gefallen.«

      »Wenn sie dem Sennor ähneln, so werde ich mich bei ihnen nicht übermäßig amüsieren.«

      »So! Hm! Seine Person hat also auch Ihnen nicht behagt?«

      »Gar nicht. Es kam sogar zu einem kleinen Zusammenstoße zwischen ihm und mir.«

      Er hatte während der letzten Minuten den Blick meist draußen auf der Straße gehabt, als ob er dort nach etwas forsche. Da ich mit dem Rücken nach dieser Richtung saß, konnte ich nicht sehen, was seine Aufmerksamkeit so sehr in Anspruch nahm. Jetzt fuhr er im Tone der Besorgnis auf:

      »Caramba! Haben Sie ihn etwa dabei beleidigt?«

      »Einige scharfe Worte hat es gegeben, aber von einer eigentlichen, wirklichen Beleidigung ist wohl keine Rede.«

      »Und Sie werden trotz der Differenz, welche Sie mit ihm hatten, zu ihm gehen?«

      »Ja. Warum nicht?«

      »Thun Sie es immerhin! Aber nehmen Sie sich in acht! Man vergißt Beleidigungen hier nicht so leicht. Die Rache trägt zuweilen ein außerordentlich freundliches Gesicht.«

      »Haben Sie Grund zu dieser Warnung?«

      Ich vermute es. Bitte, drehen Sie sich doch einmal um! Sehen Sie den Mann, welcher grad gegenüber an der Gitterthüre lehnt?«

      Der Mensch, welchen der Yerbatero meinte, stand vis-à-vis am verschlossenen Eingange des Hauses, ganz in der nachlässigen Haltung eines Mannes, dessen einzige Absicht es ist, zu seiner Unterhaltung das Treiben der Straße zu beobachten. Er war in Hose, Weste und Jacke von dunklem Stoffe gekleidet, trug einen breitrandigen Sombrero auf dem Kopfe und rauchte mit sichtbarem Behagen an einer Cigarette.

      »Ich sehe den Mann,« antwortete ich. »Kennen Sie ihn?«

      »Ja. Er ist bekannt als einer der verwegensten Agenten für gewisse Geschäfte, bei denen es auf einige Unzen Blut nicht ankommt. Er beobachtet Sie.«

      »Nicht möglich!«

      »Bitte! Ich sage es Ihnen, und Sie können es glauben. Als ich an der Ecke der Plaza de la Independencia auf Sie wartete, bemerkte ich ihn, daß er ebenso stand wie jetzt, scheinbar ganz unbefangen, aber den Blick doch scharf auf das Geschäftshaus von Sennor Tupido gerichtet. Als Sie aus demselben traten, ging er uns nach und stellte sich da drüben auf. Mir kann seine Aufmerksamkeit unmöglich gelten, folglich gilt sie Ihnen.«

      »Vielleicht irren Sie sich doch. Es ist nur ein Zufall, daß er in gleicher Richtung mit uns ging.«

      »Und auch Zufall, daß er sich da drüben aufstellte? Nein. Solche Zufälle giebt es hier nicht. Beobachten Sie ihn unbemerkt, wenn Sie von hier fortgehen, und Sie werden ganz gewiß sehen, daß er es auf Sie abgesehen hat. Sagen Sie mir morgen wieder, ob ich recht gehabt habe oder nicht. Ich bitte Sie wirklich, meine Beobachtung zu beherzigen.«

      »Aber, Sennor, wenn es sich wirklich um eine Rache handelt, so muß ich doch sagen, daß ich Tupido nicht in der Weise beleidigt habe, daß er mir einen Bravo auf den Hals schicken könnte.«

      »Vielleicht nennt man in Ihrem Vaterlande eine Beleidigung geringfügig, welche hier nur mit Blut abzuwaschen ist. Sie haben es mit Abkömmlingen der alten Spanier zu thun, was Sie ja nicht vergessen dürfen. Oder giebt es außer Tupido vielleicht einen andern, dessen Zorn Sie erregt haben?«

      »Schwerlich! Einen sehr komischen Sennor, dessen Besuch ich empfing und welcher mir bei seinem Fortgehen allerdings sogar mit der Faust drohte, kann ich unmöglich zu den gefährlichen Leuten zählen.«

      »Hm! Was nennen Sie komisch, und was nennen Sie gefährlich? Kennen Sie den Namen des betreffenden Mannes?«

      »Er nannte sich Esquilo Anibal Andaro.«

      »Lieber Himmel! Der ist gar kein komischer Mann. Der ist einer der eingefleischtesten Blancos, die es giebt. Ihm ist alles, alles zuzutrauen. Ich kenne ihn, ich kenne ihn! Wenn Sie mir doch anvertrauen wollten, welchen Zweck sein Besuch hatte und wie derselbe abgelaufen ist!«

      Ich erzählte ihm das kleine, mir lustig vorkommende Abenteuer meiner Verwechslung mit dem Obersten Latorre. Die Miene des Yerbatero wurde immer ernster. Er sagte, als ich geendet hatte:

      »Sennor, ich wette, daß dieser Andaro Ihnen den Bravo zum Aufpasser gegeben hat. Nehmen Sie sich in acht, und gehen Sie nicht ohne Waffen aus!«

      »Kennen Sie den Obersten auch?«

      »Ich habe ihn noch nie gesehen, sonst würde Ihre Aehnlichkeit mit ihm auch mir aufgefallen sein. Aber ich weiß, daß es eine Partei giebt, welche große Hoffnungen auf ihn setzt. Daß Sie in Ihrem Aeußeren eine solche Aehnlichkeit mit ihm besitzen, kann, wie Sie sehen, unter Umständen bedenklich für Sie werden. Kein Parteigänger ist hier seines Lebens sicher, und wenn man Sie für einen solchen hält, so kann sich leicht eine Kugel oder ein Messer zu Ihnen verirren.«

      »Das ist einerseits fatal, andererseits aber hoch interessant.«

      »Ich danke für das Interessanteste, wenn es möglich ist, daß ich es mit dem Leben bezahlen muß! Wie nun, wenn dieser Esquilo Anibal Andaro Ihnen nach dem Leben trachtet, weil er Sie für Latorre hält?«

      »Das ist geradezu unmöglich.«

      »Meinen Sie? Warum?«

      »Weil beide zu einer und derselben Partei gehören. Er kam ja doch, um Latorre ein Geschäft anzubieten!«

      »Daran glaube ich nicht.«

      »Aber, Sennor, er hat es ja doch mir angeboten, weil er mich für den Obersten hielt!«

      Ueber sein Gesicht glitt ein außerordentlich pfiffiges Lächeln.

      »Man merkt es, daß Sie ein Bücherwurm sind,« sagte er. »Im Leben geht es weit anders zu als in Ihren Büchern. Latorre gehört nämlich nicht zur Partei Ihres Sennor Andaro, den Sie komisch nennen. Er hält zwar sehr mit seiner eigentlichen Meinung zurück, denn er ist nicht nur ein kühner, sondern auch ein vorsichtiger Mann; aber man weiß doch ziemlich genau, daß er zu den Roten hält und nicht zu den Weißen.«

      »Warum aber trägt ihm Andaro ein Geschäft an?«

      »Zum Schein nur, um ihn blamieren zu können. So wenigstens denke ich mir. Denken Sie sich doch das Aufsehen, wenn die Blancos sagen könnten: Wir haben eine Unterschrift Latorres, mit welcher er bestätigt, daß er von uns fünftausend Pesos erhalten hat, damit wir ihm die Waffen zum Aufstande liefern! Er hätte sich dadurch für alle Zeit unmöglich gemacht.«

      »Ah, jetzt durchschaue ich diesen Andaro.«

      »Entweder hält er Sie für Latorre und ärgert sich darüber, daß Sie sich nicht auf seine Leimrute gesetzt haben, oder er hat eingesehen, daß Sie wirklich ein anderer sind, und ärgert sich nun, einem Fremden Einblick in seine Pläne gewährt zu haben, was für ihn und seine Partei gefährlich werden kann, wenn Sie Latorre davon benachrichtigen. In beiden Fällen haben Sie nichts Gutes von ihm und den Blancos zu erwarten. Es muß ihnen daran liegen, Sie am Sprechen zu hindern. Und womit erreicht man das am sichersten? Beantworten Sie sich diese Frage selbst!«

      »Wollen Sie mir wirklich Sorge machen, Sennor Monteso?«

      »Ja, das will ich. Der Bravo steht nicht zum Scherze so lange da drüben. Darauf können Sie sich wohl verlassen. Ich kenne die hiesigen Verhältnisse besser als Sie.«

      »So wäre ich ja gleich mit meinem ersten Sprunge an dieses schöne Land in ein Loch geraten, in welchem ich sehr leicht stecken bleiben kann!«

      »Dieser Vergleich ist sehr richtig. Steigen Sie schnell heraus,


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