Am Stillen Ozean. Karl May

Am Stillen Ozean - Karl May


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sondern aus wirklicher Ueberzeugung Christ geworden.

      »Wer ist Anoui?« fragte ich ihn.

      »Der Priester von Tamai.«

      Ich besann mich.

      »Liegt Tamai nicht auf Eimeo, der Nachbarinsel von Tahiti?«

      »Ja, Sahib. Tamai liegt nicht weit von der Bai von Opoauho. Pareyma, mein Weib, ist die Tochter des Priesters, denn ich bin ein Ehri, und ein Ehri nimmt sich nur die Tochter eines Fürsten oder Priesters zur Frau. So lange Tahiti steht, hat noch niemals ein Ehri die Tochter eines Meduah (Vasallen) oder eines Towha und Rattirha (geringere Lehnsleute) in sein Haus geholt, und die Töchter der Mahanunen (Bauern) und Tautau (Diener und Sklaven) kennt er nicht.«

      »Und warum ist jetzt Anoui dein Feind?«

      »Weil ich Christ geworden bin. Er hat mir Pareyma, die Perle meines Lebens, abverlangt, aber ich gab sie ihm nicht. Da verklagte er mich bei den Ingli, welche nicht an die mitonare (heilige) Jungfrau Marrya glauben, und sie halfen ihm; ich aber ging zu den Franki, welche viele mitonare Männer und Frauen im Himmel des guten Bapa haben, und sie halfen mir; ich durfte Pareyma in meinem Hause behalten, obgleich sie mir nicht der Mitonare, sondern unser Priester gegeben hat, als ich noch ein Heide war. Dann mußte ich fort nach den Tub[u] ai-Inseln, um Kleider, Waffen und Perlen umzutauschen; denn seit die Europäer zu uns gekommen sind, ist alles anders und böser geworden, und selbst wer früher Fürst war, muß durch Arbeit oder Handel Geld verdienen. Anoui wußte, wohin ich ging, und folgte mir mit seinen Leuten nach. Als ich die Inseln von Tubuai verließ, lauerte er mir auf, um mich zu töten und mir den Reichtum zu nehmen, den ich bei mir führte.«

      »Getötet hat er dich nicht, wie ich sehe; aber deine Habe – hast du sie hier im Boote?«

      »Nein. Er bekam beides nicht, mein Leben und mein Eigentum, denn meine Hand ist stärker als die seine, und sein Verstand ist dunkler als der Verstand eines Ehri. Als ich ihn mit seinen Booten nahen sah, fuhr ich ihm entgegen und sandte meine Diener mit den Kähnen, auf denen sich meine Habe befand, auf einem Umwege nach Papetee. Ich aber lockte ihn bis hierher, wo ich ihn hätte töten müssen, wenn er nicht geflohen wäre.«

      Sein Auge leuchtete, und seine dunkle Wange brannte vor Erregung; er war noch sehr jung und wirklich schön, als er so drohend vor mir stand: auf den langen, schwarzen Flechten den federgeschmückten Turban, zwei wertvolle Perlen an jedem Ohre, und die gelbseidene Marra als Gürtel um die rot und weiß gestreifte Tebuta geschlungen, welche in reichen Falten von seiner Schulter bis zum Knie reichte und das Ebenmaß seiner schlanken, kräftigen Gestalt vorteilhaft hervorhob.

      »Was wirst du jetzt beginnen?« fragte ich ihn.

      »Frage zuvor, war ihr mit mir beginnen werdet, Sahib!« antwortete er, nach der Höhe deutend, von welcher sich der Kapitän mit den Seinen näherte.

      »Ich bin dein Freund, und du hast von uns nichts zu befürchten. Du kannst thun, was dir beliebt. Doch bitte ich dich, daß du auch unser Freund werdest!«

      »Ich bin es, Sahib! Sage mir deinen Befehl, und ich werde ihn vollbringen, denn ich sehe es an deinem Auge, daß du nichts Böses von mir fordern wirst!«

      »Wir bitten dich um Hilfe.«

      Er blickte mich einigermaßen erstaunt an, und ich selbst konnte mich eines leisen Lächelns nicht erwehren. Von ganz anderer Figur als er, war ich einen vollen Kopf höher als er; der Turban mit Schleier, den ich trug, der dichte Vollbart, welcher mir Wangen und Kinn umrahmte, meine Waffen, die aus den Trachten aller Zonen zusammengesetzte abenteuerliche Kleidung, welche sich nach unten in einem Paare riesiger Seemannsstiefeln verlief: das alles mochte wohl den Eindruck mache, als sei ich gewohnt, nur auf meine eigene Kraft zu vertrauen, und sei fremder Hilfe und Unterstützung nicht leicht bedürftig.

      »Wer bist du, und was thust du hier?« fragte er.

      »Ich bin vom Volke der Germani, und die andern gehören zum Volke der Yanki.«

      »Die Germani sind gut; ich habe ihre Schiffe gesehen auf den Inseln von Samoa; was sie verkaufen, ist ehrliche Ware, und was sie sagen, das gilt als ein Schwur. Aber die Yanki sind anders; ihre Zunge ist glatt und untreu, und ihre Waren glänzen und haben den Betrug in sich. Wie kommst du zu ihnen und auf diese Insel, die noch nicht einmal einen Namen hat?«

      »Ich fuhr mit ihnen, weil ich in das Land der Chinesen wollte, aber das Wetter trieb uns an dies Eiland, so daß unser Schiff zerbrach und unsere Boote zerschellten. Nun können wir nicht fort und müssen warten, bis ein anderes Schiff kommt, welches uns von dannen holt. Du kehrst nach Papetee zurück?«

      »Ja. Mich verlangt, zu Pareyma, meinem Weibe, und zu meiner Mutter zu kommen, die mir lieber sind, als alle meine Habe und mein Leben. Die Stimme meines Herzens sagt mir, daß ihnen Gefahr droht von Anoui, meinem Feinde.«

      »Auf Tahiti findet man immer Schiffe der Ingli, Franki, Yanki und der Hollandi; vielleicht ist auch eines der Hispani oder gar der Germani da. Willst du sie aufsuchen, wenn du nach Papetee kommst, und eines von ihnen senden, daß es uns von hier erlöse?«

      »Das will ich, Sahib! Aber sie möchten mir nicht glauben, und daher ist es besser, wenn ihr mir einen eurer Männer mitgebt, der selbst für euch reden und bitten kann.«

      »Faßt dein Boot zwei Männer?«

      »Wenn ein anderer rudert, nein; aber wenn ihr einen mutigen Mann wählt, welcher das Wasser nicht fürchtet, so werde ich ihn glücklich nach Tahiti bringen, denn keiner nimmt es im Fahren mit Potomba, dem Ehri, auf.«

      In diesem Augenblicke hatte uns der Kapitän erreicht.

      »Nun? Wer ist dieser Mann, Charley?«

      »Ein Ehri von Tahiti.«

      »Ein Ehri? Was ist das?«

      »Ein Fürst, Kapt’n.«

      »Pshaw! Diese Art von Fürsten kennt man! Der Bursche wird uns sein Boot überlassen müssen, damit wir uns von einer der benachbarten Inseln Hilfe holen.«

      »Das wird er nicht thun.«

      »Nicht? Ah! Und wenn ich es ihm gebiete?«

      »Auch dann nicht, Sir.«

      »Warum nicht, wenn ich fragen darf, he?«

      »Weil ich ihm bereits das Gegenteil geraten habe, Kapt’n.«

      »Ihr? Ah so, das ist etwas anderes! Ihr habt doch jedenfalls eine gute Meinung dabei gehabt, die auf unsern Vorteil bedacht ist?«

      »Das versteht sich! Keiner von uns ist imstande, ein solches Boot zu regieren, und – —«

      »Ah, Charley, ist das nicht etwas zu viel behauptet? Sollte ich, Kapitän Roberts aus New-York, es nicht fertig bringen, ein solches Ding zu führen, da jedermann weiß, daß ich ganz der Kerl bin, selbst das stärkste Orlogschiff zu kommandieren?«

      »Könnt Ihr einen Ochsen erschießen, Kapt’n?«

      »Welche Frage! Natürlich erschieße ich ihn trotz allem, was ich vorhin sagte, als Ihr mit Eurem Wildpret kamt; vorausgesetzt nämlich, daß die Verhältnisse so sind, daß mir das Viehzeug nicht zu Leibe kann und ich so lange schießen darf, bis es tot ist!«

      »Schön! Aber könnt Ihr auch eine Schwalbe schießen?«

      »Bei allen Winden, nein; das ist ja rein menschenunmöglich, Charley. Ihr seid ein feiner Schütze, wie Ihr schon oft bewiesen habt, aber eine Schwalbe, nein, die holt auch Ihr nicht aus der Luft herab!«

      »Ich habe es aber doch gethan, und zwar nicht nur einmal; ich habe sogar da drüben in der nordamerikanischen Prairie fünfzehnjährige Indianerbuben gekannt, welche das fertig brachten.«

      »Ahoi, Charley, ist das nicht eine wilde Ente oder gar eine Seeschlange?«

      »Nein, es ist die Wahrheit! Doch dieser Vergleich hat den Zweck, Euch zu beweisen, daß das Große oft leichter ist, als das scheinbar Kleine. Ihr versteht es ganz wacker, einen Dreimaster zu befehligen; doch wagt Euch einmal nur mit Eurem Langboote, welches Euch doch geläufig ist, hinaus auf die offene See, so werdet Ihr finden, daß zwischen beiden ein gewaltiger Unterschied ist. Ich habe mit dem gebrechlichen indianischen Rinden-Kanoe den


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