Das Vermaechtnis des Inka. Karl May

Das Vermaechtnis des Inka - Karl May


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mir auffällt.«

      »Sollten beide befreundet sein? Dieser Zwerg und dieser Riese? Sie müssen beide verschwinden. Willst du mir helfen?«

      »Frage nicht erst! Es versteht sich ganz von selbst, daß meine Hand, mein Messer und meine Kugel dir gehören. Wir sind verwandt und haben gleiche Interessen.«

      »So müssen wir zunächst erfahren, wo dieser Vater Jaguar wohnt. Horch!«

      Der Gerichtsbeamte entfernte sich zuerst. Er wiederholte zu Perillos Freude mit lauter Stimme, daß dieser unschuldig sei. Dann ging, nachdem er mit dem Bankier noch einige höfliche Worte gewechselt hatte, auch der Vater Jaguar mit seinen drei Gefährten.

      »Jetzt ihm nach!« flüsterte der Kamerad Perillos. »Wir müssen unbedingt erfahren, wo er sich aufhält. Lassen wir ihn also ja nicht aus den Augen!« – —

      Zweites Kapitel: Die Gigantochelonia

      Es war ungefähr vierzehn Tage später, als ein aus Rozario kommender Dampfer an der Landestelle von Santa Fe anlegte. Die Gehbretter wurden ausgeworfen, und die Passagiere beeilten sich, an das Land zu kommen. Am Ufer gingen mehrere Offiziere auf und ab, denen bei der Leblosigkeit der innern Stadt die Landung der Fremden ein willkommenes Schauspiel bot.

      Die letzten beiden an das Land Gehenden waren zwei kleine Gestalten, als Gauchos ganz in Rot gekleidet und zwar so ähnlich, daß man sie in Beziehung auf ihre Anzüge sehr leicht hätte verwechseln können. Sie trugen beide auch genau dieselben Waffen, nämlich jeder ein Gewehr, zwei Revolver, deren Griffe aus dem Gürtel blickten, und ein Messer. Als die Offiziere diese zwei Männer erblickten, schienen sie sehr überrascht zu sein. Einer von ihnen, ein Kapitän, sagte zu den andern:

      »Was ist das? Da kommt Coronel (Oberst) Glotino, und zwar verkleidet! Will er unerkannt bleiben, oder machen wir ihm die Honneurs?«

      »Warten wir ab, ob er uns beachtet,« meinte ein Oberlieutenant.

      Die beiden Roten kamen langsam näher und zwar gerade auf die Offiziere zu. Diese schlugen also die Füße sporenklirrend zusammen und erhoben die Hände zum Salut.

      »Buenos mañanas – guten Morgen!« dankte der kleine Gelehrte, denn dieser war es, indem er Zeig- und Mittelfinger seiner rechten Hand an die Hutkrempe legte. Sein Begleiter, Fritz Kiesewetter

      aus Stralau, that dasselbe. »Schönes Wetter heute, Señores. Nicht?«

      »Allerdings, mein Oberst,« antwortete der Hauptmann. »Euer Gnaden haben eine gute Fahrt gehabt. Werden der Herr Oberst heute hier bleiben?«

      »Vielleicht.«

      »Befehlen Euer Gnaden die Dienstwohnung?«

      »Ich befehle nichts.«

      »Ich verstehe,« nickte der Hauptmann verständnisinnig. »Aber die Wohnung steht trotzdem zur augenblicklichen Verfügung.«

      »Schön! Ich nehme sie gern an.«

      »Erlauben der Herr Oberst, Sie zu begleiten?«

      »Ich erlaube es gern, bin aber nicht Oberst.«

      »Zu Befehl! Wir begreifen! Diplomatische Sendung oder vielleicht auch gar private militärische Inspektion. Welchen Charakter dürfen wir Euer Gnaden erteilen?«

      »Sie meinen, welchen Namen? Ich bin Zoolog und heiße Doktor Morgenstern aus Jüterbogk.«

      »Ganz recht! Je fremder und unaussprechlicher die Namen, desto tiefer und undurchdringlicher ist das Inkognito. Und dieser Señor neben Euer Gnaden?«

      »Ist Fritz Kiesewetter, mein Diener, aus Stralau am Rummelsburger See.«

      »Das ist noch unaussprechlicher, also noch undurchdringlicher. Gestatten Euer Gnaden, nach dem Cuartel!«

      Die Gruppe setzte sich in Schritt, voran der Gelehrte, zu seiner Linken, respektvoll einen Schritt zurück, der Hauptmann, hinter ihnen Fritz Kiesewetter mit den andern Offizieren zu beiden Seiten.

      Das Cuartel von Santa Fé war ein noch aus der alten spanischen Zeit stammendes, mehrstöckiges Gebäude mit Turm. Die Fenster und selbst die Balkone waren mit starken Eisengittern versehen. Vor der Fassade dieses Gebäudes standen einige Kanonen; Soldaten standen oder saßen vor den Thüren, und zahlreiche Arrestanten schauten durch die vergitterten Fenster.

      »Sapperlot!« meinte der Gelehrte in deutscher Sprache zu seinem Diener. »Das ist ja ein Gefängnis. Hält man uns etwa für Räuber und Diebe, was der Lateiner einen Expilator und Vulturius nennt?«

      »Det jloobe ick nicht,« antwortete Fritz. »Nach sonne freundliche und höfliche Empfänglichkeit werden sie uns doch nich insperren! Ick bin vielmehr von diejenigte Ansicht, dat man mit uns die nobelsten Absichten kultiviert. Jehen wir also man rin! Raus werden wir schon wiederkommen, und wenn’s jeschmissen anstatt jejangen ist.«

      Die anwesenden Soldaten salutierten nach Vorschrift, und die Herren traten ein. Die beiden Deutschen wurden über einen Innenhof und eine Treppe nach einigen ganz komfortabel eingerichteten Zimmern geführt, an deren Eingang sich die Offiziere verabschiedeten. Dabei bemerkte der Hauptmann:

      »Ein Imbiß wird unverzüglich besorgt und ebenso eine Ordonnanz kommandiert werden. Bin heute Kommandant, da der Herr Major nach Parana mußte. Haben der Herr Oberst – Pardon, wollte sagen der Herr Zoolog einen Befehl?«

      »Keinen Befehl, sondern eine Bitte. Lassen Sie doch schnell nachfragen, ob ein Yerbatero, der zugleich Sendador ist und schlechthin Vater Jaguar genannt wird, vorgestern oder gestern hier in Santa F& ankam. Ich muß wissen, wo er logiert.«

      »Kam er mit dem Schiff, Euer Gnaden?«

      »Ja, aus Buenos Ayres.«

      »Dann hoffe ich binnen einer halben Stunde rapportieren zu können.«

      Er trat ab, und kurze Zeit später meldete sich ein Unteroffizier zum persönlichen Dienst und servierte zugleich Fleisch, Brot, Früchte und Bordeauxwein, welcher am La Plata viel getrunken wird.

      »Dat muß man sagen,« meinte Fritz, »dat Militär hat doch immer Lebensart. Ick ärgere mir noch heut, daß ick nicht assentiert worden bin. Bei meine moralische Veranlagung hätte ick mir jewiß bald weit in die Höhe afanziert und könnte heut auch mit dem Schleppsäbel und Portepee rasseln. Jreifen wir zu, Herr Doktor; ick werde injießen.«

      Er füllte die Gläser. Die beiden aßen und tranken, gemütlich nebeneinander sitzend, woraus der Unteroffizier natürlich schloß, daß Fritze Kiesewetter nicht ein Diener, sondern auch ein höherer Offizier sei. Fritze genoß das Gebotene mit heiterem Mute, dem Doktor aber kam die Sache doch nicht ganz geheuer vor; er meinte in bedenklichem Tone:

      »Man nannte mich Coronel, also Oberst. Ich bin ein Jünger der friedlichen Wissenschaft und kein argentinischer Partisan. Wie also komme ich zu diesem militärischen Grade?«

      »Jedenfalls wie der Pudel zur sauren Jurke, indem er sie für eine Wurst jehalten hat. Machen Sie sich nur keine Jedanken! Mir können sie meinetwejen Jeneral nennen, ick bleibe, wat ick bin und esse mit Vergnüjen, was uns die Ordonnanz aufjetafelt hat.«

      »Aber, Fritze, scheint es nicht, daß ich mit einem Offizier verwechselt werde?«

      »Dat ist die Möglichkeit, aber noch kein Fehler, solange Sie sich nicht selbst mit sich verwechseln.«

      »Aber dieser Irrtum, lateinisch Error genannt, kann uns sehr leicht in Verlegenheit bringen.«

      »Zunächst hat er uns zu dieses Jabelfrühstück jebracht, wat ick keinen Irrtum nennen möchte. Man hat sich im Jegenteile in mich jar nicht jeirrt, sondern ick jreife zu, so lange wat zu haben ist.«

      »Aber die Folgen! Fritze, Fritze, du scheinst ein wenig von der Eigenschaft zu besitzen, welche der Lateiner mit dem Worte Levitas bezeichnet.«

      »Wie wird dieses Wort ins Deutsche überjesetzt?«

      »Leichtsinn.«

      »Dat kann nicht stimmen, Herr Doktor. Haben die Römer jehungert, wenn sie wat zu essen bekamen?«

      »Ich glaube nicht.«

      »So kann mir auch kein Römer Levitas


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