Das Vermaechtnis des Inka. Karl May

Das Vermaechtnis des Inka - Karl May


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Gran Chaco.«

      »Da sind Sie mit diesem Manne zusammengetroffen?«

      »Nicht zusammengetroffen, sondern mit ihm hingeritten. Er ist unser Anführer, und ich gehöre noch heute zu seinen Leuten.«

      Kaum hatte der Alte diese Worte gesagt, so wurden rundum Ausrufe des Staunens, der Verwunderung laut. Man sprang auf, um an seinen Tisch zu kommen und ihm die Hand zu drücken. Man wollte aus mehreren zusammengeschobenen Tischen eine lange Tafel bilden, an welche er sich mit setzen sollte, um von dem berühmten Manne zu erzählen, dessen Namen und Thaten in aller Munde waren. Er aber wehrte ab und begründete seine Weigerung mit den Worten:

      »Der Vater Jaguar liebt es nicht, daß wir von ihm sprechen. Er hat uns geradezu verboten, von ihm zu erzählen, und Sie dürfen es mir nicht übelnehmen, Señores, wenn ich sage, daß ich ihm Gehorsam schulde.«

      »Wie sieht er denn eigentlich aus?« erkundigte sich Perillo.

      »Wie jeder andre Mensch.«

      »Und wie alt ist er?«

      »Vielleicht fünfzig Jahre.«

      »Ein Eingeborener?«

      »Ich habe seinen Geburtsschein noch nicht in der Hand gehabt, Señor.«

      »So sagen Sie mir wenigstens, ob er wirklich so ungeheuer stark ist, wie man von ihm erzählt!«

      »Was das betrifft, so habe ich gesehen, daß er einen Ochsen bei den Hörnern packte und ihm den Kopf fest auf die Erde drückte.«

      »Caramba! Das wäre stark! Sie übertreiben doch nicht?«

      »Ihretwegen mache ich keine Lüge. Darauf können Sie sich verlassen. Ich kann nur einem jeden wünschen, nicht einmal in die Lage zu kommen, die Fäuste des Vaters Jaguar zu fühlen.«

      »Darf man denn nicht erfahren, was er eigentlich treibt? Bald sagt man, er sei ein Yerbatero; bald nennt man ihn einen Goldsucher, bald einen Sendador,

      welcher die Karawanen über die Anden führt. Ich habe sogar schon gehört, daß er ein politischer Parteigänger sei, welcher sein Gewehr bald diesem und bald jenem Aufrührer leihe.«

      Yerbateros sind Theesammler, welche in die Urwälder ziehen, um den bekannten Paraguaythee zu suchen. Ihr Leben ist mit vielen Gefahren verknüpft. Sendador heißt Pfadfinder, bedeutet also genau dasselbe, was das nordamerikanische Wort Scout bedeutet. Der Alte antwortete:

      »Was er eigentlich ist, das kann ich Ihnen wohl sagen: Er ist ein Mann, und zwar ein ganzer Mann, wie es wohl selten einen zweiten gibt, auch Sie nicht ausgenommen. Aufrührern hat er noch nicht gedient und wird er auch nie dienen. Er ist ein Freund aller guten und ein Feind aller schlechten Leute. Sollten Sie vielleicht nicht zu den ersteren gehören, so hüten Sie sich ja, ihm einmal zu begegnen.«

      »Sie werden immer schärfer und anzüglicher, mein alter Señor! Hat es Sie denn gar so sehr verdrossen, daß ich den Jaguar für ein feiges Tier gehalten habe?«

      »Das nicht. Aber daß Sie behaupteten, ihm nur mit dem Messer zu Leibe gehen zu wollen, sagte mir, daß Sie entweder ein Aufschneider oder ein unwissender Mensch seien, und beide kann ich nicht leiden. Der Jaguar, den wir morgen sehen werden, hat wahrscheinlich am Flusse gewohnt, kann aber auch aus der Pampa gekommen sein. Wir werden ja erfahren, wie er sich benimmt. Was mich betrifft, so bin ich auf ihn nicht im geringsten neugierig. Viel eher verlangt es mich, ob sich einer der Espadas an den Büffel wagen wird.«

      »Alle werden sich an ihn wagen, alle; das versichere ich Ihnen!«

      »Wollen sehen. So ein Bison ist, wenn er gereizt wird, ein gefährliches Tier.«

      »Woher wissen Sie das denn?«

      »Vom Vater Jaguar, welcher Hunderte erschossen hat.«

      »Auf der Pampa etwa?« lachte Perillo.

      »Nein, sondern in den Prairieen von Nordamerika, wo er früher gejagt hat.«

      »Auch dort ist er gewesen? So ist er also kein Porteño, sondern ein Fremder? Das ist ein Umstand, der mir freilich nicht zu imponieren vermag.«

      »Nicht? Nun, was das betrifft, so glaube ich nicht, daß der Vater Jaguar viel danach fragt, ob er Ihnen imponiert oder nicht.«

      »Weil er mich nicht kennt. Würde er aber meinen Namen erfahren, so würde er es wohl für eine Ehre halten, mir die Hand drücken zu können.«

      »So? Wie lautet denn dieser Ihr berühmter Name?«

      »Perillo.«

      »Ah! Sind Sie etwa Antonio Perillo, der Espada, welcher morgen mit auftreten wird?«

      »Der bin ich allerdings.«

      Er sah den Alten mit einem Blicke an, aus welchem zu ersehen war, daß er erwartete, jetzt eine ehrerbietige Lobesüberhebung zu hören. Aber die Worte, welche er zu hören bekam, waren ganz andre, nämlich:

      »So sagen Sie mir einmal, Señor, warum Sie mit den Stieren kämpfen!«

      »Um sie zu töten natürlich.«

      »Und warum töten Sie dieselben?«

      »Welch eine Frage! Wir erstechen sie, um unsre Kunst zu zeigen.«

      »Eine schöne Kunst! Es ist nicht etwa ein Heldenstück, einen vorher matt gehetzten Ochsen zu erstechen. Ich töte ein Tier, weil ich das Fleisch desselben brauche, um leben zu können; aber es um einer so fadenscheinigen Ehre willen erstechen, das ist Mord. Und wenn man es gar vorher mit Stichen quält und halb zu Tode hetzt, das ist Schinderei. Sie sollten sich also nicht einen Espada, sondern viel richtiger einen Desoflador (Schinder) nennen.«

      Da fuhr Perillo, wie von einer Feder geschnellt, von seinem Stuhle auf. Er wollte auf den Alten eindringen. Glücklicherweise wurde gerade in diesem Augenblick die Thüre geöffnet, und sein Verbündeter trat ein. Er besann sich eines andern, setzte sich wieder nieder und warf dem Alten nur die Worte hin:

      »Sie wollen sich an mir reiben, können mich aber nicht beleidigen, weil Sie so tief unter mir stehen, daß es Ihnen unmöglich ist, zu mir aufzusehen.«

      »Geradeso sagte die Fliege zum Löwen, als sie über ihm summte. Da aber kam ein Vogel und verschluckte sie.«

      Perillo that so, als ob er diese Worte nicht höre. Sein Kamerad setzte sich zu ihm und flüsterte ihm zu:

      »Schon wieder Streit? Nimm dich in acht! Unser stilles Handwerk erfordert Vorsicht. Zehn Freunde können uns nicht so viel nützen, wie ein einziger Feind uns zu schaden vermag.«

      »Schweig! Dieser alte Schwätzer kann uns gar nicht schaden. Sag mir lieber, was du erfahren hast!«

      Sie sprachen natürlich so leise miteinander, daß sie von den übrigen Gästen nicht gehört werden konnten. Trotzdem blickte der andre sich vorsichtig um, und als er sah, daß jetzt niemand auf sie achtete, sagte er:

      »Er ist’s wirklich, ganz gewiß. Und wenn ich noch darüber im Zweifel gewesen wäre, hätte derselbe schwinden müssen, als ich sah, bei wem er wohnt.«

      »Nun, wo?«

      »Bei Salido, dem Bankier.«

      »Todos demonios! Bei Salido? Wer hätte das geahnt l Das ist ja ganz und gar gefährlich für uns!«

      »Leider! Er wird ihm alles erzählen.«

      »Natürlich! Aus welchem andern Grunde könnte er gerade ihn aufgesucht haben.«

      »Bist du überzeugt, daß er dich wieder erkannt hat?«

      »Ich möchte darauf schwören. Warum gab er sich für einen andern aus, als er ist? Doch nur, um mich in Sicherheit zu wiegen.«

      »So müssen wir nach einem Mittel suchen, ihn zum Schweigen zu bringen.«

      »Das müssen wir, und zwar schnell.«

      »Wird Geld helfen?«

      »Nein, denn dieser kleine Halunke ist reich genug.«

      »So gibt es nur noch eins.«

      »Was?«

      »Frage doch


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