Der beiden Quitzows letzte Fahrten. Karl May

Der beiden Quitzows letzte Fahrten - Karl May


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da, der ist uns davongelaufen, um die Anderen zu penachrichtigen; aper das thut nichts, denn wir prauchen ihn hier gar nicht. Du thust mit, Pruderherz?«

      »Dat versteht sich ganz von selber. Ich thue zwar keene Waffe nick haben, aber die Karenziner werden mir wohl eine borgen thun.«

      »Keine Waffe? Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper das ist doch eine ganz pesondere Schande für einen Kerl wie Du. Es muß Dir schlecht gegangen sein pisher, und das mußt Du mir später erzählen.«

      »Dat werde ich thun; doch thue jetzt ruhig sein und gieb mich wenigstens Dein Messer; sie sind schon da!«

      Während dieses im Flüstertone geführten Gespräches war der erwartete Zug allmälig immer näher gekommen und passirte jetzt die Stelle, an welcher die beiden Männer hinter dem Gebüsch verborgen standen. Obgleich die Einzelheiten sich in der Finsterniß nicht leicht unterscheiden ließen, war doch wahrzunehmen, daß die Zahl der begleitenden Reiter nicht eine ganz geringe sei. Die geladenen Güter mußten also schon einen bedeutenden Werth repräsentiren, da es sonst den Juden nicht eingefallen wäre, die hohe Gratification für die Reisigen zu bezahlen.

      Voran ritten zwei Männer hüben und drüben an den beiden Straßenrändern, um scharfe Augen auf die Säume des Strauchwerkes zu haben; erst eine gute Strecke hinter ihnen kam der von vier Pferden gezogene Wagen, welcher von einer Anzahl Kriegsknechten beschützt wurde, und hinter ihm ritten die Uebrigen, um ihn von hinten zu decken und bei einem etwaigen Ueberfalle schnell bei der Hand zu sein.

      Die Gegend, welche man jetzt passirte, war als eine gefährliche bekannt, denn noch selten war es einem Geschäftsmann gelungen, mit seinem Eigenthum ungeschädigt Garlosen zu passiren, und ganz besonders waren es die Bürger der zur Hansa gehörigen Städte, zu deren Hab und Gut die Boldewins mit ihren Verbündeten eine auffällige Zuneigung an den Tag zu legen pflegten. Darum befleißigte sich jeder Reisende hier einer ganz besonderen Vorsicht, und die beiden Besitzer des Wagens, welche auf ihren mageren und abgetriebenen Kleppern zur Seite desselben ritten, fühlten ihre verzagten israelitischen Herzen schneller und ängstlicher als sonst klopfen.

      Der Eine von ihnen lenkte jetzt sein Pferd zu dem Anführer der Kriegsschaar.

      »Ist mir doch, Herr Ritter, als ob wir kämen an einen Ort, wo wir müssen halten offen die Augen, damit nicht komme über uns die Rotte der Philister, welche verderben möge der Gott unserer Väter in alle Ewigkeit!«

      »Sei ruhig, Itzig. Man muß hier jedes Geräusch beobachten, und wenn Du plauderst, höre ich nichts!«

      Itzig zog sich zu seinem Genossen zurück.

      »Hat er etwas gesagt, der große Kriegsheld, ob wir sind geritten vorbei an der Gefahr?« frug ihn dieser.

      »Nichts hat er gesagt! Ruhig soll ich sein, hat er gesagt! Als ob ich könnte sein ruhig, wenn ich höre im Geiste das Getrappel von Pferden, auf welchen sitzen die Räuber und Mörder, welche kommen dahergesprengt auf der Straße, um mir zu nehmen meine Sachen und mein schönes Kind, welche ist die Perle der Kinder Juda und die Freude von meinen alten Tagen.«

      »Aber er muß doch haben gesagt, warum Du sollst sein ruhig! Wenn Du ihm bezahlst Dein Geld, mußt Du doch auch dürfen sprechen von dem Gedanken Deines Herzens!«

      »Er hat gesagt, ich soll sein ruhig, weil in dem Walde stecken die Ammoniter, Moabiter und Jebusiter, welche uns wollen überfallen mit der Schärfe ihres Schwertes. – Gott, der Gerechte!« unterbrach er sich, vor Schreck nach dem Arme Schmuels greifend; »hörst Du nicht kommen da vorn die Kinder Midian, welche sind wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Meere? Mögen sie gestraft werden mit ewiger Blindheit, bis wir sind gekommen zehn Tagereisen von hier.«

      Wirklich waren jetzt die Schritte von Pferden zu hören, welche, dem Zuge entgegen, langsam die Straße dahergetrabt kamen. Sofort wurde dieser zum Stehen gebracht und die Reisigen griffen zu den Waffen.

      »Halt! Wer seid Ihr?« rief der Anführer den Nahenden entgegen.

      Es waren das nur zwei Männer, welche, Einer hinter dem Anderen, gemächlich herangeritten kamen. Der Hochwald trat an dieser Stelle etwas von der Straße zurück, und dadurch wurde die Dunkelheit etwas weniger dicht, so daß man wenigstens die Umrisse der nächsten Umgebung erkennen konnte. Der Vordere von ihnen, eine runde, dicke Gestalt auf einem ebenso umfangreichen Thiere, hielt sein Pferd an, und der hinter ihm Folgende, dessen spindeldürre Figur von dem nächtlichen Scheine in das Riesenhafte gezogen wurde, spornte sein scheinbar ebenso gigantisches Roß an die Seite des Ersteren.

      »Wer wir sind? Hrrr! Hm! Ich bin der König Salomo, und das hier ist meine Frau, die schöne Melusine,« antwortete Claus – denn dieser war es – bei den letzten Worten auf seinen Balthasar deutend. »Hrrr! Hm! Wir haben ein Gebot ausgehen lassen, daß alle Welt geschätzet werde, und bei Schmuel und Itzig wollen wir es selber thun!«

      Balthasar zog vor Erstaunen über die herrliche Rede, die sein Ritter gehalten hatte, die beiden Kniee bis an den Leib heran und bog sich weit zur Seite, um zu sehen, ob es wirklich noch Herr Claus sei, der auf dem fetten Schimmel da neben ihm hielt. Er hatte von ihm eine gar hohe Meinung, aber daß er eine solche Rede thun könne, das hatte er doch noch nicht gewußt.

      Auch der Anführer der Bedeckung war für die Dauer eines kurzen Augenblicks verblüfft, aber es währte nicht lange, bis ihm die rechte Ahnung kam und er antwortete:

      »Treibt Eure Narrethei mit wem Ihr wollt, uns aber geht mit dem Mummenschanz zur Seite!«

      »So, also! Mummenschanz?« brummte der Dürre. »Wir werden Euch bemummen und beschanzen, daß Ihr der Narrethei gedenken sollt!«

      »Hrrr! Hm! Jetzt wißt Ihr, wer wir sind!« gab der dicke König Salomo auf seinem Schimmel zur Antwort. »Und nun geht Eure Wege zurück nach Karenzin. Wir werden Euren Veit und Aron selbst zu schützen wissen!«

      Damit war er mit einem weiten Satze, den man dem Schimmel ganz unmöglich zugetraut hätte, zwischen den Knechten hindurch, hatte Aron Itzig beim Kragen, warf ihn mit einem gewaltigen Rucke empor quer über den Sattel und flog mit ihm wieder zwischen den Reisigen, denen dieser Angriff so plötzlich kam, daß sie die Fassung vollständig verloren hatten, davon. Balthasar hatte das Manöver seines Herrn mit derselben Geschicklichkeit nachgemacht, so daß er in gleichem Tempo, den unglücklichen Veit Schmuel vor sich auf dem Fuchse, mit ihm davonsprengte. Und zu gleicher Zeit erhob sich eine dunkle Gestalt vom Erdboden, sprang auf das vorderste Sattelpferd, und fort ging das Doppelgespann, fort, im sausenden Galopp, den beiden kühnen Reitern nach.

      Dieses letzte Ereigniß brachte die Mannen der Bedeckung wieder zu sich; auf den Zuruf ihres Führers gaben sie den Pferden die Sporen und sprengten mit lautem Geschrei dem fliehenden Wagen nach. Noch aber hatten sie denselben nicht erreicht, so erscholl ihnen donnernder Hufschlag entgegen, die Knechte Derer von dem Kruge fielen über sie her und es entspann sich ein Kampf, der nach kurzer Zeit mit ihrer vollständigen Niederlage und Flucht endete.

      Währen dieses Kampfes trat eine hohe, breitschultrige Gestalt aus dem Gebüsch hervor auf die Straße und schritt nach der Stelle, an welcher der Wagen gehalten hatte.

      »Ein Deiwelskerl, dieser dicke Claus; Gott straf mich, wenn ich fluche, aper wahr ist es doch. Zu verwundern giept es dapei freilich nicht viel, denn er ist ein Quitzow, aper wer so einen Pauch hat und so einen Elephanten zwischen den Peinen, wie der Schimmel ist, dem traut man so einen Streich pald gar nicht zu. Und der Palthasar, der ist erst recht ein Deiwelskerl mit seinem Glegi— oder Plegi— oder Flegiwitsch! Da stehen Einem ja alle Haare zu Perge, wenn man die beiden dürren Creaturen so auf der Straße dahindonnern hört! Wenn ihnen nur die paar Knochen peisammen pleipen, pis ich wieder pei ihnen pin! Und der Schwalpe, der ist der größte Deiwelskerl! Schleicht sich auf den Erdpoden hin, reißt den zwei Fuhrknechten die Leine aus den Händen und fährt davon, ohne mir vorher zu sagen, was er im Schilde führt! Und ich? Da stehe ich, und lasse mir die Pachstelzen vor der Nase wegfangen. Ich werde – — gut, da kommen Zwei, die hapen Pferde und ich hape keins!«

      Es waren die ersten Flüchtlinge, welche, noch unverfolgt, im scharfen Trabe daherkamen und den Wachtmeister nicht bemerkten, welcher sich vorsichtig zur Erde gebückt hatte. Sobald sie ihn aber erreicht hatten, sprang er empor, riß den Einen von ihnen vom Pferde, saß


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