Der Schut. Karl May

Der Schut - Karl May


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um mich an irgend etwas fest zuhalten, und erwischte ein Brett, welches nicht genügend an die Wand befestigt war. Ich riß es mit allem, was darauf stand, herab und fiel dann hin. Da gab es einen fürchterlichen Lärm. Die Kerle sprangen aus der Stube herbei, und ehe ich mich aufraffen konnte, hatten sie mich fest gepackt. Der Wirt holte schnell zwei Leinen herbei, und ich wurde gebunden, in die Stube geschleppt und ausgefragt. Ich sollte sagen, wer und was du seist, und habe ihnen gestanden, daß — — «

      »Daß ich ein indischer Königssohn bin und mir hier eine Frau suche. Das habe ich gehört, du unverbesserlicher Flunkerer. Jetzt wollen wir wieder in die Stube gehen.«

      »Willst du denn nicht erfahren, was ich getan habe, nachdem ich von den Fesseln befreit war?«

      »Das kann ich mir selbst sagen. Du glaubtest, ich sei in Gefahr und hast Osko und Omar veranlaßt, gegen meinen Befehl zu handeln. Ihr seid aus dem Fenster gestiegen und habt euch eine Strecke vom Hause entfernt, um Soldaten zu spielen.«

      »Ja, aber das habe ich nicht ohne guten Grund getan. Ich habe einmal das Anschleichen nach deiner Art und Weise versucht. Ich legte mich auf die Erde und kroch nach der Ecke, denn ich erfuhr, daß du dich dorthin begeben hattest. Dort standen die Kerle. Ich kam so nahe an sie, daß ich sie flüstern hörte, wenn ich auch nicht die Worte verstehen konnte. Das vermehrte meine Besorgnis, und so beeilten wir uns, die Soldaten aufmarschieren zu lassen. Wir stampften im Takt den Boden, und Osko und Omar stießen dazu ihre Kolben kräftig auf. Unser Wirt, der Schäfer, half auch mit.«

      »Wo befindet er sich jetzt?«

      »Ich habe ihn nach Hause geschickt. Er ist der Nachbar des Konakdschi und soll von diesem nicht gesehen werden, um nicht später unter dessen Feindschaft und Rache zu leiden.«

      »Das ist noch das Klügste, was du heute abend getan hast.«

      »War es denn nicht auch klug, daß wir, als der Weg frei war, in das Haus gingen und die alte Wirtin zwangen, alle ihre Leute zu binden?«

      »Ich kann nicht sagen, daß du da als Ausbund von Weisheit gehandelt hast.«

      »Diesen Leuten gehört nicht mehr. Ich sage dir, sie sind alle mit unsern Feinden einverstanden.«

      »Das weiß ich und darum werde ich sie wenigstens für heute Nacht unschädlich machen; sie würden sonst sofort den Entflohenen einen Boten nachsenden. Komm also herein!«

      Wir kehrten in die Stube zurück, wo der Wirt, wie sein Gesichtsausdruck mich vermuten ließ, meinem Erscheinen mit Bangigkeit entgegengesehen hatte.

      Halef mochte vielleicht meinen, die Leute hätten erraten, daß ich vorhin beabsichtigte, ihm eine Rüge zu erteilen. Um sein Ansehen zu behaupten, trat der unverbesserliche Prahlhans zu dem Wirt und sagte:

      »Der Kriegsrat, welchen wir draußen gehalten haben, ist beendet. Ich bin mit dem Entschluß unsers weisen Effendi einverstanden, und so werdet ihr jetzt euer Schicksal aus seiner Hand empfangen.«

      Am liebsten hätte ich ihm eine kleine Ohrfeige verabreicht; er verließ sich doch allzu sehr auf meine Zuneigung. Ich begnügte mich, ihm einen zornigen Blick zuzuwerfen, und nahm den Wirt ins Verhör, dessen Ergebnis ein negatives war. Er leugnete jegliches Einverständnis mit den Entflohenen kurz weg.

      »Herr, ich bin unschuldig,« beteuerte er. »Frage mein Weib und auch meine Leute, sie werden dir genau dasselbe sagen.«

      »Natürlich, denn sie sind ja instruiert. Gibt es in deinem Hause einen Raum, in welchem man etwas fest und sicher verschließen kann?«

      »Ja, das würde der Keller hinter uns sein. Die Türe ist dort in der Ecke, wo meine Frau sitzt.«

      Der Fußboden bestand aus festgestampftem Lehm. Der Teil desselben aber, auf welchem die Frau saß, war mit einer Bretterdiele belegt, und da gab es eine mit einem wirklichen Schloß versehene Falltüre. Die Wirtin hatte den Schlüssel in der Tasche, sie mußte ihn hergeben, und ich öffnete. Eine Leiter führte hinab. Ich nahm das Licht, stieg hinunter und sah einen ziemlich großen, viereckigen Raum, in welchem allerlei Feldfrüchte lagen. Ich kehrte wieder nach oben zurück und ließ dem Wirt die Stricke abnehmen.

      »Steig hinab!« gebot ich ihm.

      »Was soll ich da unten tun?«

      »Wir werden eine Kellerversammlung veranstalten, weil man da unten am ungestörtesten beraten kann.«

      Als er noch zögerte, zog Halef die Peitsche aus dem Gürtel. Jetzt bequemte sich der Wirt zum Hinabsteigen. Die Andern mußten ihm alle auch folgen, nachdem wir sie von den Fesseln befreit hatten. Zuletzt stieg die Frau hinab, und wir zogen die Leiter empor. Dann wurden die in der Schlafstube befindlichen Kissen und Decken herbei geholt und ihnen hinabgeworfen, und endlich erklärte ich ihnen:

      »Jetzt könnt ihr die Beratung da unten beginnen. Ihr mögt also überlegen, ob ihr mir bis morgen früh alles aufrichtig gestehen wollt. Und damit es euch nicht einfällt, den Beratungsraum auf irgend eine Weise zu verlassen, will ich euch sagen, daß wir hier auf der Türe wachen werden.«

      Sie hatten sich bisher schweigsam verhalten; nun aber protestierten sie laut; doch wir schnitten den Einspruch ab, indem wir die Türe zuwarfen und verschlossen. Den Schlüssel steckte ich ein. Halef und Osko blieben als Wachen da.

      Mit Omar kehrte ich ins Haus des Schäfers zurück, der in großer Neugierde auf uns gewartet hatte. Er erfuhr so viel, als wir für angemessen hielten, ihm anzuvertrauen; dann begaben wir uns zur Ruhe.

      Nach der Anstrengung in den letzten Tagen war unser Schlaf so tief, daß wir wohl erst am späten Vormittag aufgewacht wären. Doch hatte ich unsern Wirt gebeten, uns bei Tagesanbruch zu wecken.

      Als wir dann nach dem Konak gingen, fanden wir die Türe von innen verriegelt. Halef und Osko schliefen noch, und wir mußten klopfen. Sie hatten sich ein Lager aus Heu und Stroh auf der Kellertüre bereitet und teilten uns mit, daß die Gefangenen sich sehr ruhig verhalten hätten. Als die Kellertüre geöffnet und die Leiter hinabgegeben worden war, stieg der Konakdschi mit den Seinen herauf. Die Gesichter, welche wir zu sehen bekamen, waren wirklich zum Malen. Es stand auf allen der intensivste Grimm geschrieben, obwohl Jeder und Jede sich zu beherrschen suchte. Der Wirt wollte mit Vorwürfen und Verteidigungen beginnen; ich schnitt ihm aber die Rede durch die Worte ab:

      »Wir haben nur mit dir zu verhandeln; komm in die hintere Stube. Die Andern mögen sich an ihr Tagewerk begeben.«

      Diese Andern waren im nächsten Augenblick verschwunden. Als wir dann in der Stube saßen, stand der Konakdschi mit einem Armensündergesicht vor uns.

      »Du hast während der ganzen Nacht Zeit gehabt, nachzudenken, ob du uns ein offenes Geständnis ablegen willst,« begann ich. »Wir erwarten deine Antwort.«

      »Herr,« meinte er, »ich habe gar nicht nötig gehabt, nachzudenken. Ich kann doch nichts weiter sagen, als daß ich unschuldig bin.«

      Nun erging er sich in den einzelnen Vorfällen der verflossenen Nacht und wußte denselben die beste Seite für sich abzugewinnen. Er hatte während der Nacht seine Verteidigung reiflich überlegt und führte sie nun mit Geschick durch. Um ihn zu täuschen, sagte ich endlich:

      »Wie mir jetzt scheint, haben wir dich allerdings ohne Grund im Verdacht gehabt und ich bin erbötig, dir jede angemessene Genugtuung zu geben.«

      »Herr, ich verlange nichts. Es genügt mir, zu hören, daß du mich für einen ehrlichen Mann hältst. Du bist hier fremd im Lande und kennst die Verhältnisse desselben nicht. Da ist es kein Wunder, wenn du einen solchen Fehler begehst. Auch deine Leute sind nicht von hier, wie es scheint. Da wäre es sehr geraten, dir für deine Weiterreise einen Mann zu nehmen, wenigstens von Zeit zu Zeit, auf welchen du dich in solchen Lagen vollständig verlassen könntest.«

      Aha! Jetzt war er bei dem beabsichtigten Thema angekommen. Ich ging auf dasselbe ein, indem ich antwortete:

      »Du hast recht. Ein zuverlässiger Führer ist viel wert. Aber eben weil ich ein Fremder bin, ist es nicht geraten, mir einen solchen zu nehmen.«

      »Warum?«

      »Weil ich


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