Der Schut. Karl May

Der Schut - Karl May


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das Ziel nicht fehlen würde.

      Halef, Omar und Osko lachten nicht — sie ärgerten sich im Stillen darüber, daß ich auf die Wette eingegangen war, ohne gewiß zu sein, sie gewinnen zu müssen.

      »Die Probe ist vorüber,« sagte Israd. »Nun wird es ernst. Wer wirft zuerst?«

      »Du, natürlich.«

      »So wollen wir vorher das Geld zahlen, damit dann kein Irrtum vorkommt. Osko mag es in seine Hand nehmen.«

      Der gute Mann hatte mich also im Verdacht, daß ich mich weigern würde, die hundert Piaster zu zahlen. Er war ja vollständig überzeugt, die Wette zu gewinnen. Ich gab Osko das Geld. Mein Gegner zahlte seine wenige Piaster und griff dann nach dem Beil.

      Seine Fertigkeit war wirklich nicht unbedeutend. Er traf alle drei Male den Stamm, aber nur beim letzten Mal blieb die Axt in demselben stecken.

      »Keinmal gefehlt,« jubelte er. »Und einmal saß der Czakan sogar fest. Mache es mir nach, Effendi!«

      Jetzt mußte ich nach indianischer Art und Weise werfen, wenn ich treffen sollte. Ich holte aus, wirbelte den Czakan um den Kopf und erteilte ihm jene rotierende Bewegung, welche beim Billardspiel als »Effekt« bezeichnet wird. Das Beil sauste, sich um sich selbst drehend, am Boden hin, stieg empor, senkte sich dann plötzlich wieder nieder und fuhr in den Stamm der Esche, in welchem es sitzen blieb.

      Meine Gefährten jubelten laut auf. Israd aber sagte, indem er mit dem Kopf schüttelte:

      »Welch ein Zufall, Effendi! Es ist kaum zu glauben.«

      »Zufall? Da irrst du dich außerordentlich,« antwortete ich.

      Halef holte das Beil zurück, und ich schleuderte es noch zweimal in die Esche. Die Gefährten jubelten; Israd aber wollte noch immer nicht daran glauben, daß ich diesen Erfolg nicht dem bloßen Zufall zu verdanken habe.

      »Wenn du noch nicht überzeugt bist,« sagte ich, »so will ich dir jetzt einen vollgültigen Beweis geben. Sieh die alte ausgehöhlte Weide dort hinter der Esche!«

      »Ich sehe sie. Was ist's mit ihr?«

      »Ich werde nach ihr werfen.«

      »Herr, sie ist weit über hundert Schritte entfernt. Du willst sie wirklich treffen?«

      »Nicht nur das, sondern ich will den einen Ast treffen, welchen sie hat, und zwar so, daß er höchstens eine Handbreit über dem Stamm von dem Czakan abgeschnitten wird.«

      »Herr, das wäre ein Wunder!«

      »Nach den bisherigen sechs Würfen ist mir die Waffe so handgerecht, daß ich gar nicht fehlen kann. Ich werde nun erst jetzt dem Czakan die richtige Doppeldrehung geben, und du wirst sehen, daß er, sobald er am Boden aufgestiegen ist, ganz plötzlich, wie mit einem Ruck, eine dreifache Schnelligkeit erhält. Paß einmal auf!«

      Der Wurf gelang in der vorausgesagten Weise. Das Beil wirbelte an der Erde hin, stieg langsam empor und flog dann mit plötzlich vermehrter Schnelligkeit wieder abwärts und auf die Weide zu. Im nächsten Augenblick lag der erwähnte Ast am Boden.

      »Geh hin und sieh nach!« sagte ich. »Er wird genau eine Handbreit vom Stamm abgeschnitten sein, und zwar scharf, wie mit dem Messer, denn die Schneide des Beiles hat ihn getroffen.«

      Israd machte ein so verblüfftes Gesicht, daß ich hellauf lachen mußte.

      »Habe ich es nicht gesagt?« rief Halef. »Was der Effendi will, das kann er. Osko, gib ihm das Geld! Es sind die Piaster des Triumphes, welche er einstecken mag.«

      Natürlich nahm ich nur meinen Einsatz wieder, und Israd erhielt sein Geld zurück. Er konnte sich nur schwer beruhigen und erging sich, als wir bereits längst wieder unterwegs waren, in den verschiedensten Ausrufen der Verwunderung.

      Mir aber war es lieb, gesehen zu haben, daß ich mich auf meine Hand verlassen könne.

      Nach dieser kurzen Unterbrechung unseres Rittes erlitt derselbe keine weitere Störung. Es wurde Nacht, und Israd erklärte, daß wir in ungefähr einer Stunde in Treska-Konak ankommen würden.

      Wir kamen wieder durch Wald, welcher glücklicherweise nicht dicht war, und dann senkte sich die Höhe. Es gab Weideland, und dann hörten wir Hunde bellen.

      »Das sind die Samsunlar (* Schäferhunde.) meines Verwandten,« erklärte Israd. »Grad vor uns liegt der Konak am Fluß und links das Haus meines Schwähers. Wir wollen aber einen Bogen schlagen. Es könnte ein Knecht des Konakdschi im Freien sein und uns bemerken.«

      Wir wichen nach links ab, bis wir den Fluß erreichten, und ritten nun am Ufer hin bis an das Wohnhaus des Schäfers.

      Das war ein langes, niedriges, nur aus dem Erdgeschoß bestehendes Gebäude. Einige Fensterläden standen offen, und aus ihnen schimmerte Licht. Die Hunde fuhren mit wütendem Gebell auf uns los, beruhigten sich aber sogleich, als sie die Stimme Israds erkannten. Ein Mann steckte den Kopf durch das Fenster und fragte:

      »Wer ist da?«

      »Ein guter Bekannter.«

      »Israd ist's! Frau, der Schwäher ist da!«

      Der Kopf verschwand; gleich darauf wurde die Türe geöffnet, und die Alten eilten herbei, um Israd zu begrüßen. Auch der ältere Sohn kam, um ihn zu umarmen. Dann sagte der Schäfer:

      »Du bringst uns Leute mit. Werden sie bei uns bleiben?«

      »Ja; aber sprich nicht so laut. Der Konakdschi darf nicht merken, daß diese Männer hier sind. Sorge vor allen Dingen dafür, daß unsere Pferde in den Stall kommen.«

      Es war nur ein niederer Schafstall vorhanden, in welchem ich mit dem Kopf an die Decke stieß. Mein Rappe weigerte sich, hinein zu gehen. Der Geruch der Schafe war seiner edlen Nase zuwider, und nur durch Streicheln und Zureden gelang es mir, ihn folgsam zu machen. Dann begaben wir uns in die Stube oder vielmehr in das, was man eben heute Stube nannte, denn der einzige große Raum, welchen das Wohnhaus bildete, wurde nur durch die schon oft erwähnten Weidengeflechte in verschiedene Abteilungen geschieden. Man konnte eine jede derselben durch Verschiebung dieser Scheidewände beliebig vergrößern oder verengern.

      Es waren nur Vater, Mutter und Sohn zu Hause. Die Knechte befanden sich bei den Schafhürden, und Mägde gab es nicht.

      Israd nannte unsere Namen und erzählte zunächst, daß wir seine Schwester gerettet hatten. Das hatte zur Folge, daß wir eine außerordentlich herzliche Aufnahme fanden. Der Sohn begab sich in den Stall, um unsern Pferden gutes Wasser und das beste Futter zu geben, und die Eltern trugen herbei, was im Hause vorhanden war, damit wir ein festliches Mahl halten könnten.

      Natürlich bewegte sich das Gespräch zunächst um das, was sie am meisten interessierte, die Rettung ihrer Schwiegertochter. Dann kamen wir auf den Zweck unserer Reise zu reden, und ich erfuhr, daß die Gesuchten in dem Konak angekommen waren.

      Nun erzählte ich in kurzen Umrissen, warum wir denselben folgten, und erregte dadurch ein nicht geringes Erstaunen.

      »Sollte man es glauben, daß es solche Leute gibt!« rief die alte Frau, indem sie die Hände zusammenschlug. »Das ist ja ganz schrecklich!«

      »Ja, schrecklich ist es,« nickte ihr Mann; »aber zu wundern brauchen wir uns nicht darüber, da sie Anhänger des Schut sind. Das ganze Land könnte Gott auf den Knieen danken, wenn diese Geißel des Volkes einmal unschädlich gemacht wäre.«

      »Weißt du vielleicht etwas näheres über den Schut?« fragte ich ihn.

      »Ich weiß auch nicht mehr als du und Andere. Wüßte man seinen Wohnort, so würde man auch ihn selbst kennen, und dann wäre es mit ihm aus.«

      »Das ist noch die Frage. Ich bin überzeugt, daß die Behörde mit ihm in Verbindung steht. Weißt du nicht, wo Karanirwan-Khan liegt?«

      »Diesen Namen kenne ich nicht.«

      »Kennst du auch keinen Mann, der Kara Nirwan heißt?«

      »Ebensowenig.«

      »Aber


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