Durch das Land der Skipetaren. Karl May

Durch das Land der Skipetaren - Karl May


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muß ich sie kennen,« antwortete er. »Ich habe ja in der Zivilhochschule studiert.«

      »Das glaube ich nicht.«

      »Warum nicht?« fragte er beleidigt. »Ich kenne das ganze geistliche Recht, welches auf dem Kuran beruht, auf der Sunna und auf den Entscheidungen der vier ersten Kalifen.«

      »Kennst du auch das Mülteka el buher, welches euer Zivil- und Kriminalgesetzbuch ist?«

      »Ich kenne es; es ist vom Scheik Ibrahim Halebi verfaßt.«

      »Wenn du diese Verordnungen wirklich kennst, warum handelst du denn nicht nach ihnen?«

      »Ich habe mich stets und auch heute streng nach ihnen gerichtet.«

      »Das ist nicht wahr. Es steht geschrieben, daß der Richter selbst dem schlimmsten Verbrecher, bevor er ihm das Urteil spricht, die Verteidigung gestatten muß. Ihr aber habt meinen Freund und Begleiter verurteilt, ohne ihn ein einziges Wort sagen zu lassen. Euer Urteil gilt also nichts. Auch müssen bei der Verhandlung alle Angeklagten und Zeugen vollzählig beisammen sein; das war aber keineswegs der Fall.«

      »Es sind ja alle da!«

      »Nein. Es fehlt Ibarek, der Herbergsvater. Wo befindet er sich?«

      Der Richter wackelte verlegen mit dem Kopf, stand dann auf und antwortete:

      »Ich werde ihn holen.«

      Er wollte fortgehen; ich aber ahnte, was mit Ibarek geschehen war, und hielt den Bascha am Arm zurück, indem ich den Kawassen gebot:

      »Holt Ibarek! Bringt ihn aber genau in demselben Zustand herbei, in welchem er sich jetzt befindet!«

      Zwei von ihnen entfernten sich und führten nach kurzer Zeit den Wirt herbei. Die Hände waren ihm auf den Rücken gebunden.

      »Was ist das? Was hat der Mann begangen, daß man ihn bindet?« fragte ich. »Wer hat den Befehl dazu gegeben?«

      Der Bascha warf den Kopf herüber und hinüber und antwortete:

      »Der Mübarek wollte es so haben.«

      »So hat also der Kodscha Bascha das zu tun, was der Basch Kiatib befiehlt? Und doch sagst du, du hättest die Gesetze studiert! Dann ist es freilich kein Wunder, wenn in deinem Bezirke die ärgsten Spitzbuben für Heilige gehalten werden.«

      »Ich war in meinem Recht,« verteidigte er sich kleinlaut.

      »Das kannst du mir nicht beweisen.«

      »O doch! Euch habe ich nicht arretieren lassen, weil ihr fremd seid. Dieser Herbergsvater aber ist ein Bewohner unserer Gegend. Er steht unter meiner Gewalt.«

      »Und du meinst, daß es dir erlaubt sei, diese Gewalt zu mißbrauchen? Da stehen einige Hundert deiner Untergebenen. Meinst du, daß du mit ihnen machen kannst, was dir beliebt? Vielleicht hast du es bisher getan; aber sie werden sich das heutige Vorkommnis merken und in Zukunft Gerechtigkeit verlangen. Ibarek ist bestohlen worden. Er kam zu dir, um dich um Hilfe zu bitten. Anstatt sie ihm zu gewähren, hast du ihn fesseln und einsperren lassen. Wie willst du diese Ungerechtigkeit verantworten? Ich verlange, daß du ihm augenblicklich die Fesseln lösest.«

      »Die Kawassen haben es zu tun.«

      »Nein, du selbst wirst es tun als Sühne für deine Ungerechtigkeit.«

      Das war ihm denn doch zu viel. Er fuhr mich zornig an:

      »Wer bist du denn eigentlich, daß du hier gebietest, als ob du unser Makredsch oder Bilad i Kamse Mollatari seist?«

      »Siehe hier meine Papiere!«

      Ich gab ihm die drei Pässe hin. Als er das Teskereh, das Buyuruldi und sogar den Ferman erblickte, kniff er erschrocken die kleinen Triefaugen zusammen, und sein Kopf pendelte wie das Metronom des berühmten Regensburger Johann Nepomuk Mälzl.

      »Herr, du stehst ja im Schatten des Großherrn!« rief er aus.

      »So sorge dafür, daß ich einen Teil dieses Schattens auf dich werfe!«

      »Ich werde tun, was du begehrst.«

      Er trat zu Ibarek und löste ihm den Strick.

      »Bist du nun zufrieden?« fragte er.

      »Einstweilen, ja. Es wird noch mehr von dir verlangt. Dein Kawaß Selim hat dir grundfalschen Bericht erstattet. Das Zusammentreffen war ganz anders, als er erzählte. Der Mübarek wird ihm eingegeben haben, wie er zu sagen habe, um uns so viel wie möglich zu schaden.«

      »Das glaube ich nicht.«

      »Ich aber glaube es, denn er hat den Fährmann auch verleitet, ein falsches Zeugnis gegen mich abzulegen.«

      »Ist das wahr?«

      Diese Frage war an den Fährmann gerichtet, welcher jetzt glaubte, daß der Mübarek ihm nun nicht mehr schaden könne, und infolgedessen furchtlos erzählte, wie er von ihm instruiert worden sei.

      »Du siehst,« sagte ich zu dem Bascha, »daß ich diesem Mann keineswegs nach dem Leben getrachtet habe. Ich sah, daß er den Spion des Alten machte, und nahm ihn mit mir, um nach der Angelegenheit zu forschen. Das ist alles. Wenn du mich dafür bestrafen willst, so bin ich bereit, meine Verteidigung anzutreten.«

      »Herr, von einer Bestrafung kann keine Rede sein; du hast keinen Fehler begangen.«

      »So kann auch mein Begleiter nicht wegen des Kawassen bestraft werden, denn nicht er, sondern ein ganz Anderer trägt die Schuld an dem Vorkommnis.«

      »Wer ist der Andere?«

      »Du selbst bist es.«

      »Ich? – Wieso?«

      »Als Ibarek bestohlen worden, kam er zu dir, um Anzeige zu machen. Was hast du getan, um deine Pflicht zu erfüllen?«

      »Alles, was ich konnte.«

      »So? – Was war das?«

      »Ich habe Selim den Auftrag gegeben, er solle nachsinnen, was zu tun sei.«

      »Die andern Kawassen hast du nicht damit betraut?«

      »Nein; denn das war überflüssig. Sie hätten ja doch nichts entdeckt.«

      »So müssen deine Polizisten große Dummköpfe sein, weil du gleich von vornherein weißt, daß sie keinen Erfolg haben werden. Die Tat ist hier geschehen. Warum aber hast du denn diesen Selim, welcher sich erst seit ganz kurzem hier befindet, mit der Sache betraut?«

      »Weil er der Klügste ist.«

      »Ich denke, du hast einen ganz andern Grund.«

      »Herr, welchen andern Grund sollte ich haben?«

      »Ein guter Beamter setzt alle Hebel an, den Täter eines solchen Verbrechens zu entdecken. Du aber hast es verschwiegen und dem Einen, welchem du es mitteiltest, hast du fast eine ganze Woche Zeit gegeben, sich die Sache zu überlegen. Das hat den Anschein, als ob du wünschest, daß die Diebe entkommen mögen.«

      »Effendi! Was denkst du von mir?«

      »Meine Ansicht richtet sich ganz genau nach deinem Verhalten. Nichts lag näher, als daß du hier in Ostromdscha nach den Tätern suchen ließest.«

      »Sie sind ja nach Doiran geritten!«

      »Das zu glauben, muß man sehr befangen sein. Kein Dieb wird sagen, wohin er sich wenden will. Soviel mußt du als alter Jurist doch wissen. Wie nun, wenn ich entdecke, daß du ein Freund dieser Verbrecher bist?«

      Er begann fürchterlich mit dem Kopf zu wackeln, jedenfalls vor Bestürzung.

      »Herr, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll!« rief er aus.

      »Sage lieber gar nichts, denn meine Meinung bleibt doch gänzlich unverändert. Wenn du dich der Sache in der Art angenommen hättest, wie es deine Pflicht war, so wären die Diebe längst entdeckt.«

      »Glaubst du, daß sie freiwillig kommen, um sich mir zu melden?«

      »Nein; aber ich glaube, daß sie sich hier in Ostromdscha befinden.«

      »Unmöglich! Es sind in keinem Konak drei Reiter abgestiegen.«

      »Das


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