Im Lande des Mahdi II. Karl May

Im Lande des Mahdi II - Karl May


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du seine Familie?«

      »Ich weiß nur, daß er zwei Schwestern hat.«

      »Das stimmt. Und daraus ersehe ich auch, daß du die Wahrheit redest und wirklich derjenige bist, für den du dich ausgiebst. Er hat Ibn Asl eine dieser Schwestern zum Weibe gebracht. Auf einer Seriba am obern weißen Nile wird die Hochzeit sein. Wenn du mit uns ziehst, kannst du das Fest mitmachen. Ibn Asl ist bei solchen Gelegenheiten außerordentlich freigebig. Auch sein Vater ist dabei.«

      »Er hat einen Vater?« fragte ich, indem ich mich verstellte.

      »Ja, sein Vater lebt noch. Er zieht als frommer Fakir am Nile auf und ab, um unter dieser Maske die Geschäfte seines Sohnes zu fördern.«

      »Ist er schon jetzt bei ihm?«

      »Eigentlich ja. Für kurze Zeit aber ist er abwesend, mit einer Schar unserer Sklavenjäger in die Steppe gezogen, um Gericht zu halten.«

      »Gericht?«

      »Ja, um einen fremden Giaur, welcher uns großen Schaden bereitet hat, zu bestrafen.«

      »Du machst mich neugierig!«

      »Ibn Asl mag es dir selbst erzählen, wenn es ihm beliebt. Ich weiß nicht, ob ich zu dir von ihm sprechen darf. Der Christ ist ein Schurke, ein Teufel, den wir vernichten müssen.«

      Wenn er gewußt hätte, daß ich selbst dieser Schurke, dieser Teufel war! Er fuhr fort:

      »Er ist von Kahira aus verfolgt worden bis hierher, aber vergebens. Selbst dem Mokkadem ist er entgangen, als er – —«

      »Dem Mokkadem?« fragte ich. »Welchen Mokkadem meinst du?«

      »Den der heiligen Kadirine.«

      »Welcher Abd el Barak heißt? Ah, den kenne ich sehr gut. Ich habe ihn in Kahira getroffen.«

      »Wirklich? So freue ich mich um so mehr, daß ich dir hier begegnet bin. Du wirst Freunde finden. Der Mokkadem ist nämlich auch mit Murad Nassyr nach Faschodah. Er hat einen Muza‘bir bei sich, und beide wollen unsern Sklavenzug mitmachen.«

      Da wußte ich ja auf einmal, was ich wissen wollte. Es befand sich kein Bekannter von mir bei Ibn Asl, und so konnte ich es wagen, zu ihm zu gehen. Eben jetzt berührte die Sonne den westlichen Horizont, und es galt, das Mogreb, das Gebet des Sonnenunterganges, vorzunehmen. Da ich für einen Moslem zu gelten hatte, so war ich gezwungen, wenigstens die äußeren Bewegungen mitzumachen. Ich ging also zu Ben Nil und kniete neben ihm, der bereits im Beten war, nieder.

      Ich hätte bei dem Fremden bleiben können, hatte aber meinen guten Grund, das scheinbare Gebet bei meinem Gefährten zu verrichten. Dieser mußte doch erfahren, was ich mit dem andern gesprochen und verhandelt hatte; er hätte sonst sehr leicht einen Fehler begehen und durch irgend eine Aeußerung das Gelingen meines Planes zunichte machen können. Eine lange Rede durfte ich da freilich nicht halten. Der Fremde konnte sich uns nähern, und dann mußte Ben Nil schon unterrichtet sein. Darum sagte ich ihm, als das Gebet beendet war:

      »Merke auf! ich bin ein Sklavenhändler aus Suez und heiße Amm Selad. Du bist mein Diener und nennst dich Omar. Wir kennen Murad Nassyr, von dem ich Sklaven gekauft habe, und auch den Mokkadem. Wir sind nilaufwärts und kommen jetzt von Chartum.«

      »Schön, Effendi!« nickte der Jüngling.

      »Um Allahs willen, sag‘ das Wort Effendi jetzt nicht wieder, außer wenn du ganz sicher weißt, daß wir allein sind. Du hast Herz. Ich habe etwas vor, wozu Mut gehört. Es ist ein großes Wagnis. Willst du nicht mitthun, so bin ich dir nicht gram darüber, und du kannst hier im Dorfe die Ankunft der Asaker erwarten.«

      »Herr, gehe wohin du willst, ich gehe mit! Und wenn es in den Tod wäre. Wenn es sich um eine Gefahr handelt, werde ich dich um so weniger verlassen.«

      »Gut! Du bist ein braver, treuer Kerl. In Asl befindet sich nämlich hier, und ich gehe zu ihm, um seine gegen den Reïs Effendina gerichteten Absichten zu erfahren und dieselben zu durchkreuzen. Ich thue, als ob ich mich ihm auf dem Sklavenzuge, den er bald antreten wird, anschließen will, um von ihm Schwarze zu kaufen.«

      Ich konnte nicht weiter sprechen, denn der Fremde trat zu uns und sagte:

      »Du fragtest mich, ob du in einer Hütte des Dorfes schlafen könntest. Du wirst aber nicht hier schlafen können, denn ich werde dich nach dem Abendgebete zu Ibn Asl führen.«

      »Warum erst dann?«

      »Ich erwarte noch ein Schiff. Du weißt, daß Schiffe gewöhnlich des Nachts nicht fahren, sondern an das Ufer legen. Im höchsten Falle fährt man bis eine Stunde nach Sonnenuntergang. Bis dahin muß ich also hier warten. Dann aber, wenn es noch nicht gekommen ist, weiß ich, daß es heute überhaupt nicht mehr kommt, und kann meinen Posten verlassen.«

      »Was ist es für ein Schiff?«

      »Darf dieser junge Mann alles hören?« gegenfragte er, indem er auf Ben Nil deutete.

      »Ja. Er ist der treueste und verschwiegenste meiner Diener, und ich habe kein Geheimnis vor ihm.«

      »Du hast von dem Reïs Effendina gehört?«

      »Ich habe ihn sogar in Kahira gesehen.«

      »Du weißt auch, welche Aufgabe er zu vollbringen hat?«

      »Das weiß jedermann. Er soll den Sklaven-Jägern und —Händlern nachspüren und sie fangen. Ich hörte, daß er ganz besondere und außerordentliche Vollmachten überkommen hat.«

      »So ist es allerdings. Allah verdamme diesen Hund! Er hat schon viel Unheil über die Jäger gebracht und erst kürzlich im Wadi el Berd eine ganze Schar unserer Kameraden hingemordet.«

      Wenn er gewußt hätte, daß ich nicht nur dabei gewesen war, sondern sogar diese Schar aufgespürt und festgenommen hatte!

      »Das wird er nicht Mord, sondern Strafe nennen,« sagte ich.

      »Willst du ihm das Wort reden?«

      »Nein. Ich als Sklavenhändler kann doch unmöglich sein Freund sein. Wenn er so fortfährt, wie er es bisher getrieben hat, wird bald kein Sklave mehr zu kaufen sein.«

      »Der Giaur, von dem ich dir vorhin sagte, ist sein Freund und Gehilfe. Bald wird dem einen wie dem andern das Handwerk gelegt sein. Der Giaur wird sich jetzt wohl schon in den Händen der Unserigen befinden, und auf den Reïs Effendina warten wir stündlich.«

      »Es ist also sein Schiff, welches du hier sehen willst?«

      »Ja. Er kommt, und Ibn Asl liegt im Hinterhalte.«

      »Will er das Schiff des Reïs Effendina angreifen?«

      »Das kann ihm nicht einfallen. Das Schiff ist so gebaut und bewaffnet, daß wir trotz unserer Ueberzahl sehr leicht den kürzern ziehen könnten. Wozu überhaupt kämpfen, wobei es selbst auf der Seite des Siegers Verwundete und Tote giebt! Man kann einen Feind auf andere Weise unschädlich machen.«

      »Wie denn, zum Beispiele?«

      »Man nimmt zum Beispiel – —«

      Ich war außerordentlich gespannt, das Folgende zu hören. Wenn der Mann diesen Satz aussprach, so erfuhr ich alles, was ich wissen wollte, und brauchte mich gar nicht zu Ibn Asl und in Gefahr begeben. Leider aber hielt er schon beim vierten Worte inne, legte sich, wie erschrocken, die Hand auf den Mund und fügte dann hinzu:

      »Fast hätte ich da mehr gesagt, als ich wohl verantworten kann. Du hast ein so Vertrauen erweckendes Gesicht, daß ich dir alles sagen könnte, ohne zu fragen, ob ich auch wohl das Recht dazu habe. Ich will aber schweigen. Ibn Asl mag es dir selbst mitteilen, und ich bitte dich, ihn ja nicht merken zu lassen, daß ich so gesprächig gegen dich gewesen bin.«

      »Ich bin nicht sehr mitteilsam. Du kannst ruhig sein. Weißt du denn gewiß, daß der Reïs Effendina kommen wird? Der Mann soll nicht nur schlau, sondern auch sehr vorsichtig sein.«

      »Was das betrifft, so ist der Giaur, der christliche Effendi, noch weit mehr zu fürchten, wie uns gesagt worden ist. Ibn Asl hat dem Reïs Effendina eine Falle gestellt, in welche er sicher gehen wird.«

      »Kennst


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