Im Lande des Mahdi III. Karl May

Im Lande des Mahdi III - Karl May


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um seiner heutigen Würde gemäß zu erscheinen.

      Als die Gohk den erwähnten Plan erreichten, stellten sie sich auch in zwei Treffen auf und kamen dann, ihren Häuptling voran, waffenschwingend und schreiend auf uns zugerannt. Sie waren natürlich zu Fuße. Ihre Waffen bestanden in Spießen, Säbeln, Messern, Keulen, Bogen und Pfeilen. Einige von ihnen, selbstverständlich auch der Häuptling, hatten Flinten. Sobald sie sich gegen uns in Bewegung setzten, thaten wir dasselbe gegen sie. Die nun folgenden Evolutionen bestanden darin, daß sie zwischen unsern Gliedern durchrannten und wir zwischen den ihrigen hindurchritten. Hauptsache dabei war natürlich der Lärm. Wer ein Gewehr hatte, schoß es möglichst oft ab; die andern schwangen unter entsetzlichen Gebärden ihre Waffen, alle aber schrieen, riefen und heulten, als ob sie verrückt geworden seien. Ich trug zu diesem schönen Konzerte meinen Teil in so ehrlicher Weise bei, daß ich dann einige Tage lang an einer rauhen Kehle laborierte. Wer so reist wie ich, der muß mit den Nachtigallen singen und mit den Wölfen heulen können, sonst erregt er Anstoß allerorten.

      Als wir uns diesen Bewegungen und dieser Vokal-Kunstleistung eine Viertelstunde lang mit edler Begeisterung hingegeben hatten, blieben beide Parteien auf ein gegebenes Kommando einander gegenüber halten. Dann kam der Häuptling der Gohk mit vielen Verbeugungen auf den Reis Effendina zu, wand den Leib bald nach rechts und bald nach links, als ob er an einer höchst energischen Pferdekolik leide, verdrehte die Augen, rang die Hände, sprang einige Schritte vor, dann wieder zurück, bewegte den Hals schraubenmäßig, wie eine Henne, welche mit dem Schnabel Eier legen will, druckte und schluckte, als ob er an einem mit hinuntergefahrenen Knochen ersticken wolle, und brachte endlich, endlich das zum Vorscheine, was zum Vorscheine kommen sollte, nämlich eine Rede, welche wohl über eine Viertelstunde dauerte und mich besonders durch die eine ihrer vielen und auffälligen Eigenschaften entzückte, daß sie uns ihrer Länge wegen nicht übersetzt werden konnte. Als das letzte Wort verklungen war, brachen seine Gohk in ein wahrhaft tolles Jubelgeschrei aus, in welches wir aus Leibeskräften und mit Aufbietung aller Körperstärke einstimmten.

      Nun kam der bedeutungsvolle Moment, in welchem unser kommandierender Generalissimus zu antworten hatte. Er schickte sich dazu mit einem wohltönenden Räuspern an, ließ seinem Munde einen kurzen, edel klingenden Satz entfahren und schaltete darauf eine weise Pause ein, um Agadi Zeit zur Uebersetzung zu lassen. Daran schloß er, immer in lieblicher Abwechslung, einige andere Sätze und Pausen, bis er zu der wohlbedachten Ueberzeugung gelangte, daß es mit seiner Beredsamkeit zu Ende sei. Er gab, um Ende und auch alles gut zu machen, mit der erhobenen Hand ein Zeichen, um uns zu einer frenetischen Anstrengung unserer Stimmwerkzeuge aufzufordern. Leider aber hatte der gute Reis Effendina weder sich noch eine andere Person zu begeistern vermocht, weshalb das Resultat dieser Aufforderung eine ebenso allgemeine wie auffällige Stille war.

      Wir sahen uns dadurch, sozusagen, vor den Gohk blamiert. Ihr Anführer hatte den unsrigen um alle Pferdelängen geschlagen. Wie war dem abzuhelfen? Sollte der peinliche Eindruck, welchen das Schweigen hervorbrachte, verwischt werden, so mußte schnell und augenblicklich etwas geschehen. Dies sagte mir mein Taktgefühl, ein Gefühl, welches mein schwarzer Adjutant ganz in demselben Maße wie ich besaß, denn er trieb sein Packtier, noch ehe ich zu einem Entschlusse gekommen war, vor, hielt vor dem Häuptlinge der Gohk an, deutete auf mich und rief, ihn zwei- oder dreimal wiederholend, einen langen Satz aus, von welchem ich nichts zu verstehen vermochte. Glücklicherweise klärte mich der Dolmetscher rasch auf, daß ich jetzt auch sprechen solle.

      Ich, eine Rede! Dieser Gedanke war ganz vortrefflich. Ja, die Gohk sollten eine Rede hören! Je toller, desto besser; denn je unsinniger ich mich gebärdete, desto tiefern Eindruck mußte ich hervorbringen. Ich trieb also meinen Ochsen, ohne lange zu überlegen, zum raschesten Laufe an, jagte zehn-, zwanzigmal um den Anführer der Gohk herum und stieß dabei das wilde, schrille Kriegsgeheul der Komantschen und Apatschen aus, welches ich in Amerika so oft gehört hatte, sprang aus dem Sattel, ließ dann den Ochsen laufen, wohin er wollte und blieb vor dem ganz entzückt beobachtenden schwarzen Anführer stehen, schlug die Arme empor und begann mit weithin schallender Donnerstimme:

      »Festgemauert in der Erden Steht die Form aus Lehm gebrannt.

      Heute muß die Glocke werden;

      Frisch, Gesellen, seid zur Hand!«

      So deklamierte, oder vielmehr schrie ich weiter, das ganze, lange Lied von der Glocke, bis zum Schlusse. 0 Schiller, du begeisterndster unter den Sängern, wäre es dir vergönnt gewesen, mich zu hören, so wärest du endlich, endlich einmal zu der Ueberzeugung gekommen, daß ich der einzige Sterbliche bin, der dich richtig verstanden hat und deine herrliche Dichtung durch die nötigen Kehl- und Gaumentöne aufs unvergleichlichste wiederzugeben vermag!

      Ich blieb während der Deklamation keineswegs stehen, sondern ich sprang hin und her, warf bald das eine, bald das andere Bein empor, kauerte mich nieder, schnellte wieder auf, drehte mich wie ein Kreisel um mich selbst, raffte, als ich die letzten Zeilen »Freude dieser Stadt bedeute; Friede sei ihr erst Geläute« in das Weltall hineingeschrieen hatte, mein Gewehr wieder auf, rannte zu meinem Ochsen, welcher unfern stehen geblieben war, sprang auf seinen Rücken und jagte ihn, das vorhin erwähnte Kriegsgeheul wieder ausstoßend in wildem Laufe zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Parteien einige Male hin und her, worauf ich endlich wieder an meinen erst eingenommenen Platz zurückkehrte.

      Was nun erfolgte, ist ganz unbeschreiblich. Erst tiefe, lautlose Stille; dann heulte mein geistesgegenwärtiger, schwarzer Adjutant mir zu. Das brachte die Stimmen aller gegenwärtigen Schwarzen, Braunen, Gelben und Weißen in Aufruhr. Und was für Stimmen waren das! Was ist der Föhn, der Sirocco, der Samum, der nordamerikanische Blizzard, ja was ist selbst die rasende, hochasiatische Wjuga gegen den Sturm, welcher sich nun erhob! Wer eine Stimme hatte, und die hatte doch ein jeder, ließ dieselbe hören, als ob er hundert Stimmen hätte. Wäre die ganze Hölle losgewesen, vor diesem Lärm hätte sie sich augenblicklich wieder verkrochen. Die ganze, bisherige Ordnung war mit einem Male aufgelöst. Das Entzücken trieb jeden von seinem Platze. Unsere Reiter warfen sich von ihren Tieren. Alles, alles, Körper, Arme, Beine, Köpfe schwebten, glitten, tanzten, sprangen und flogen in tollem Wirrwarr auf dem Platze herum und hin und her. Unsere sonst so einsichtsvollen Ochsen erschraken darüber und kniffen brüllend aus. Kurz und gut, ich hatte einen so unbeschreiblichen Erfolg, daß es mir selbst heute, wenn ich daran denke, angst und bange wird; denn hatte ich mich vorhin wie wahnsinnig gebärdet, so thaten dies meine Zuhörer noch viel mehr. Sie glichen wirklich Tollen; selbst die verständigsten unserer Asaker wurden angesteckt, und auch Ben Nil tanzte und jubelte mit, als ob er es bezahlt bekäme.

      Ein einziger nur war es außer mir, der ruhig blieb, nämlich der Reis Effendina. Er kam zu mir, um mir kopfschüttelnd zu sagen:

      »Glaubst du, Effendi, daß ich beinahe dachte, du seist übergeschnappt? Was fiel dir ein? Du, der bedächtigste und ruhigste von uns allen, gebärdest dich ganz plötzlich wie einer, der den Verstand verloren hat! Was sollte ich da denken! Ich wäre am liebsten gleich auf und davon gerannt!«

      »So hat meine Leistung also deinen Beifall nicht?« fragte ich lachend.

      »Nein, ganz und gar nicht! Du hast unsere Würde geschädigt. Für was für Menschen müssen diese Schwarzen uns halten!«

      »Für ganz tüchtige Kerle; darauf kannst du dich verlassen! Wenn man die Menschen nimmt, wie sie sind, wird man nie bei ihnen anstoßen, sondern vielmehr Anerkennung finden. Ich denke, daß du dich für mein Auftreten noch bei mir bedanken wirst.«

      »Schwerlich! Ich bin der Vertreter des Vicekönigs, dessen Ansehen durch solche Tollheiten leiden muß.«

      »Ich habe freilich nicht an das Ansehen des Vicekönigs, sondern zunächst daran gedacht, uns hier ein solches zu verschaffen. Die Folge wird zeigen, ob der Khedive durch mein Verhalten seinen Thron verliert oder nicht. Willst du tadeln, so prüfe erst.«

      »Aber du mußt doch unbedingt zugeben, daß meine Rede viel würdiger war als die deinige!«

      »In meinen Augen, ja. Aber hast du sie denn mir gehalten?«

      »Den Gohk natürlich.«

      »So sind sie es, welche zu entscheiden haben. Es fragt sich, wessen Rede nicht uns beiden, sondern ihnen besser gefallen hat. Eigentlich haben sie durch ihren Beifall


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