In den Schluchten des Balkan. Karl May

In den Schluchten des Balkan - Karl May


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mich.

      »Tschokdan, tschokdan – schon längst, seit langer Zeit! Und erst heute war er bei mir!«

      »Ah! Er war bei dir?«

      »Ja. Er und seine beiden Begleiter waren es ja, welche mich überrumpelten und banden und hinunter in den Keller brachten, wo ich mit meinem Weibe hätte ersticken müssen, wenn du nicht gekommen wärest!«

      »Die waren es! Also diese! Nun, so will ich dir sagen, daß derjenige, den ich erwarte, ihr Verbündeter ist.«

      »Ich erschlage ihn! Ich ermorde ihn!« knirschte er.

      »Ich will ihn gefangen nehmen.«

      »Herr, Effendi – — wie soll ich dich nennen? Du hast mir noch nicht gesagt, wer du bist.«

      »Nenne mich Effendi!«

      »Also, Effendi, ich helfe dir, wenn du dich seiner bemächtigen willst.«

      »Gut! Zwar weiß ich nicht ganz genau, ob wir ihn hier noch zu sehen bekommen werden; er kann bereits vorüber sein. Und du wirst ihn auch nicht beachtet – — ah, seit wann habt ihr im Keller gesteckt?«

      »Seit kurz vor dem Mittag.«

      »So kannst du ihn nicht gesehen haben, selbst wenn er vorbeigeritten wäre, und – —«

      »Soll ich mich erkundigen?« fiel er schnell ein.

      »Wo? Bei wem?«

      »Ich eile ins Dorf und frage den alten Jemischdschi, der bis nach Anbruch des Abends bei seinen Körben an der Straße sitzt.«

      »Wie lange wird es währen, bis du zurückkommst?«

      »Nur zehn Minuten. Der Ort liegt ganz in der Nähe.«

      »Aber ich bitte dich, noch zu verschweigen, was dir heute geschehen ist!«

      »Ich werde, wenn du es wünschest, nicht davon sprechen.«

      »So beeile dich!«

      Ich beschrieb ihm in kurzen Worten den Reiter, so wie derselbe mir beschrieben war, und dann eilte er fort. Die angegebene Zeit war noch nicht vergangen, so kehrte er zurück.

      »Er ist noch nicht vorüber,« meldete er mir.

      Er trat zunächst in die Schmiede, um dem Feuer neue Nahrung zu geben; dann setzte er sich wieder neben mich.

      »Jetzt nun sage mir, wie es dir heute ergangen ist!« forderte ich ihn auf.

      »Schlecht, sehr schlecht!« antwortete er. »Ich stand bei meiner Arbeit in der Schmiede; da kamen die drei Reiter und blieben bei mir halten. Der eine, den ich nicht kannte, sagte mir, daß sein Pferd ein Nal[28] verloren habe. Ich bin nicht nur Demirdschi[29], sondern auch Nalband[30], Effendi, und war sogleich bereit, ihm ein neues Nal zu schmieden. Ich hatte mir nur ihn angesehen; aber während der Arbeit fiel mein Blick auf die beiden, die bei ihm waren, und da erkannte ich in dem einen den Steuereinnehmer Manach el Barscha aus Uskub.«

      »Kannte er auch dich?«

      »Ja.«

      »Wo habt ihr euch denn kennen gelernt?«

      »Vor vier Jahren in Raslug. Du mußt nämlich wissen, daß ich alle und jede Krankheit der Pferde kenne und auch die Arznei dafür. In Raslug und in der Umgegend war ein großes Sterben unter den Pferden ausgebrochen, und weil niemand helfen konnte, wurde ich geholt. Ich wohnte als Gast bei einem reichen Pferdehändler, der über 100 Pferde stehen hatte. Zu diesem kam Manach el Barscha, um ein Roß zu kaufen. Es wurden ihm mehrere vorgeführt. Eines davon hatte sich eine Erkältung zugezogen; es ließ den Speichel fließen. Der Steuereinnehmer sagte, es sei nicht der Schnupfen, sondern die böse Rotzkrankheit, und er werde bei der Gesundheitspolizei Anzeige machen. Er hätte von dem Händler gern ein Pferd als Preis des Schweigens erpreßt. Ich wurde gerufen und sagte, welche Krankheit es sei. Er stritt mit mir und schlug mich schließlich sogar mit seiner Reitpeitsche. Ich gab ihm dafür eine gewaltige Maulschelle, eine Ohrfeige, wie er wohl noch keine bekommen hatte; denn die Hand eines Schmiedes ist wie Horn und Knochen. Er ging wütend fort und zeigte mich an. Er war Steuereinnehmer, ich aber nur ein armer Schmied. Ich bekam zwanzig Hiebe auf die Fußsohlen und mußte auch noch fünfzig Piaster Strafe zahlen. Ich lag mehrere Wochen krank, ehe ich in die Heimat zurückkehren konnte. Du wirst mir glauben, daß ich ihn nicht lieben kann.«

      »Das läßt sich denken!«

      »Heute schlug ich dem Pferde das Eisen auf. Er beobachtete mich mit finstern Blicken und fragte mich dann, als ich fertig war, ob ich ihn noch kenne. Ich sagte ja, denn ich dachte nicht, daß dies mir schaden würde. Er sprach mit den andern einige Worte, und dann traten sie in das Haus herein. Ich war allein, denn mein Weib befand sich auf dem Felde, um Spinat für das Mittagessen zu holen. Was hatten die drei in der Stube zu suchen? Ich schloß die Schmiede zu, obgleich das Feuer noch brannte, und folgte ihnen. Aber kaum war ich eingetreten, so fielen sie über mich her. Es gab einen heißen Kampf, Effendi. Ein Schmied hat harte Muskeln und starke Nerven; aber sie rangen mich doch nieder und banden mich mit den Stricken, welche ich im Hause liegen hatte. Ich schrie vor Wut wie ein Stier. Da banden sie mir ein Tuch um den Kopf und schafften mich in den Keller. Eben als sie mich hinab trugen, kam mein Weib. Ihr ging es ganz ebenso wie mir. Wir wurden mit den Kohlen bedeckt, damit ja oben kein Laut gehört würde, und dann gingen sie. Ich hatte gar nicht an meinen Ajy gedacht, welcher sich hinter dem Hause befand, sonst hätte ich ihn losgebunden, bevor ich in das Haus trat.«

      »Wer ist Ajy?«

      »Mein Hund. Er heißt so, weil er so groß ist, wie ein Bär. Ich hörte ihn bellen, als ich schreiend mit ihnen rang; aber er konnte nicht los. Wäre er bei mir gewesen, so hätte er alle drei zerrissen.«

      »Du hast noch nicht nach ihm gesehen?«

      »Nein. Du weißt ja, daß ich noch nicht hinter das Haus gegangen bin.«

      »So tut es mir leid, daß ich dich betrüben muß!«

      »Betrüben? Ist etwas mit dem Hunde geschehen?«

      »Ja.«

      »Was? Sage es schnell!«

      »Er ist tot.«

      Der Schmied sprang auf.

      »Tot?« stieß er hervor.

      »Ja.«

      »Er war doch gesund und munter! Haben etwa diese drei ihn umgebracht?«

      »Sie haben ihm den Schädel eingeschlagen.«

      Er blieb einige Augenblicke lang wort- und bewegungslos; dann kam es zischend zwischen seinen Lippen hervor:

      »Sagst du die Wahrheit?«

      »Ja, leider!«

      »Tausendfache Todesangst und Verdammnis für die Hunde!«

      Mit diesem Ausruf sprang er fort, in die Schmiede, kam mit einem Holzbrand heraus und eilte hinter das Haus, um sich zu überzeugen, daß ich die Wahrheit gesagt habe. Dort hörte ich seine mehr als zornige Stimme erschallen. Ich wollte die zu erwartenden Kraftworte nicht hören; darum blieb ich sitzen, bis er zurückkam. Er befand sich in einem solchen Grimm, daß ich noch mehr als genug jener starken Ausdrücke zu hören bekam, an denen die orientalischen Sprachen nichts weniger als arm sind.

      Während er sich in solchen Interjektionen erging, hielt ich Augen und Ohren nach der Gegend gerichtet, aus der der Erwartete kommen mußte; doch es war nichts zu sehen und nichts zu hören. Entweder hatte ich infolge der ungemeinen Schnelligkeit meines Pferdes ihm einen zu großen Vorsprung abgewonnen, oder er war durch irgend einen Umstand aufgehalten worden.

      Nach und nach beruhigte sich mein zorniger Schimin wieder. Er wollte nun auch von mir etwas hören und leitete seine Erkundigung durch die Frage ein:

      »Wirst du nun Zeit haben, mir deinen Namen zu sagen, Effendi?«

      »Man nennt mich Kara Ben Nemsi.«

      »So bist du ein Nemtsche, ein Germanly?«

      »Ja.«

      »Wohl


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<p>28</p>

Hufeisen.

<p>29</p>

Schmied.

<p>30</p>

Hufschmied.