Waldröschen I. Die Tochter des Granden. Karl May

Waldröschen I. Die Tochter des Granden - Karl May


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zu verwerten.« – »Das hat er wohl selbst erzählt?« meinte Cielli in wegwerfendem Ton. – »Ihr irrt Euch! Señor Sternau besitzt zu viel wahre Bildung, als daß er von sich redet. Meine Tochter hat in der ärztlichen Abteilung Bücher gefunden, die er geschrieben hat, und eine ganze Reihe von ärztlichen Zeitschriften, in denen von seinen Kenntnissen und Erfolgen in der lobendsten Weise die Rede ist. Ein jeder Arzt, der sich bemüht, der Entwicklung seiner Wissenschaft zu folgen, muß den Namen Sternau kennen. Wer allerdings bequem und gegen seine Patienten gewissenlos genug ist, auf dem alten, fehlervollen Standpunkt zu beharren, wer sich für so untrüglich hält, daß er es verschmäht, die Literatur zu studieren, in der die segensreichen und oft staunenswerten Erfolge der neueren Forschung niedergelegt sind, der wird die Namen wissenschaftlicher Kapazitäten und Heroen niemals kennenlernen.«

      Bei diesen Worten konnte keiner der drei Ärzte eine Bewegung des Zornes unterdrücken, und Doktor Francas fragte:

      »Erlaucht, haben wir die Worte ›bequem‹ und ›gewissenlos‹ vielleicht auf uns zu beziehen?« – »Nein«, antwortete der Graf mit höflicher Gelassenheit. »Ich spreche im allgemeinen und hielt allerdings Euch gegenüber es für meine Pflicht, den Ausdruck ›obskurer Medikaster‹ zu berichtigen, da Señor Sternau nicht anwesend ist und sich also nicht selbst verteidigen kann.« – »So stellen wir uns mit dieser Erklärung zufrieden, Don Emanuel«, bemerkte Milanos. »Wir wissen sehr genau, daß nicht ein jeder, der ein ärztliches Buch verfaßt, ein ärztlicher Heros sein muß, und beziehen dies gerade ganz strikt auf diesen Doktor Sternau. Wir dürfen uns rühmen, durch ganz Spanien einen Ruf zu besitzen, an dem niemand, am allerwenigsten ein Fremder, zu rütteln vermag. Wenn wir uns demnach herabgelassen haben, die fehlerhafte Prognose des Señor Sternau zu kritisieren, so geschah dies aus Teilnahme für Eure Erlaucht, nicht aber etwa, weil wir meinen, daß er auf derselben wissenschaftlichen Stufe stehe wie wir. Wir erklären nochmals mit aller Überzeugung und Entschiedenheit, daß Ihr Leben nur durch einen schleunigen Schnitt gerettet werden kann, daß aber die Operation mittels des Zangenbohrers Ihren augenblicklichen Tod zur Folge haben muß.« – »Ist das Eure feste Überzeugung, Señores?« fragte der Graf sehr ernst. – »Ja«, antworteten alle drei.

      Da tastete er nach einem kleinen Schächtelchen, das neben ihm auf dem Tisch lag, öffnete es und reichte es ihnen hin.

      »Dann, bitte, nehmen Sie einen Einblick in den Inhalt dieses Etuis«, sagte er lächelnd.

      Francas griff darnach, unterwarf den Gegenstand einer kurzen, oberflächlichen Untersuchung und gab das Etui an Cielli weiten

      »Ein Pulver«, sagte er wegwerfend. »Wenn Señor Sternau glaubt, Ihr Leiden durch eine innerliche Behandlung mit Pulvern und Tinkturen zu heben, so hat er sich damit selbst sein Urteil gesprochen.« – »Ihr irrt! Dieses Pulver soll nicht in das Innere meines Körpers kommen, sondern es ist aus demselben herausgenommen worden.« – »Ah!« rief Francas. – »Ja, Señores! Heute in der Frühe hat Doktor Sternau mit der Zermalmung des Steins begonnen, und dieses Pulver ist der sichtbare Erfolg seiner Bemühung. Ihr seht übrigens, daß ich nicht tot bin.«

      Die drei Männer machten verlegene Gesichter, was der Graf aber infolge seiner Blindheit nicht bemerken konnte. Francas faßte sich schnell und fragte:

      »Sind Eure Erlaucht auch wirklich überzeugt, daß dieses Pulver einen zermalmten Stein darstellt?«

      Da machte der Graf eine Bewegung größten Unmuts und rief: »Señor, glaubt Ihr etwa, Doktor Sternau sei ein Betrüger, ein Escamoteur? Das wäre ein unwürdiges Verhalten, mit dem Ihr nur Euch selbst schaden würdet! Ich habe gefühlt, wie er den Stein packte. Ich habe das Knirschen desselben gehört, als der Bohrer sich zu drehen begann, und ich fühle selbst jetzt die Reste des Pulvers von mir weichen.« – »Aber die Schmerzen, die Eure Durchlaucht auszustehen haben!« lenkte Francas ein. – »Schmerzen? Sie sind nicht von Bedeutung! Die Applikation des Bohrers war bereits vorbereitet und hat mir nur das Gefühl einer nicht angenehmen Ausdehnung verursacht; die Anbohrung des Steins war sehr wenig schmerzhaft, und die einzigen, wirklichen Schmerzen, die ich erst jetzt empfinde, bestehen nur in jenem einfachen Weg, das man bei jeder Affektion der Wasserwege empfindet!« – »Aber die anhaltende Dauer dieser Schmerzen!« – »Ich fühle und bin überzeugt, daß ich sie ertragen werde. Señor Sternau besitzt mein vollständiges Vertrauen! Er hat mir heute bewiesen, daß seine Art zu operieren bei weitem nicht die Gefahr in sich schließt, wie diejenige, die mir von Euch vorgeschlagen wurde. Ich glaube nun auch seiner Versicherung, daß die Blindheit meiner Augen heilbar sei. Señores, laßt Euch ein Wort sagen! Doktor Sternau hatte die Absicht, nur unter Eurem Beirat zu handeln, ist aber durch Eure Schroffheit zurückgestoßen worden. Er ist trotz seiner Jugend der Mann, von dem selbst erfahrene Männer lernen können. Schließt ihm Euch an, und dann soll es mir lieb sein, auf Euren Rat hören und ihn berücksichtigen zu können.«

      Da streckte Francas beide Hände wie zur Abwehr aus und sagte:

      »Ich danke, Erlaucht! Es kann nicht meine Absicht sein, zu einem Mann in die Schule zu gehen, der selbst der Schule noch nicht entwachsen ist. Schenken Sie ihm mehr Vertrauen als uns, so können wir ja nichts dagegen tun, aber entgehen wenigstens können wir der Zumutung, uns als Schüler betrachten zu lassen. Ich bitte um die Erlaubnis, nach Madrid zurückkehren zu können.« – »Auch ich werde noch heute wieder nach Cordova gehen, wo man mich kennt und mir vertraut«, bemerkte Milanos in stolzem, selbstbewußtem Ton. – »Und ich«, fügte Cielli bei, »bitte Eure Erlaucht, mich von meiner Stellung als Hausarzt zu entheben. Vielleicht ist Señor Sternau bereit, die dadurch entstehende Lücke auszufüllen.« – »Das ist ja eine Attacke, der ich als einzelner, so überlegenen Kräften gegenüber, gar nicht widerstehen kann«, meinte der Graf mit seinem ruhigen Lächeln. »Schloß Rodriganda steht Euch jederzeit gastlich offen; wenn Ihr aber so stürmisch fort verlangt, so darf ich Euch allerdings denen nicht entziehen, die Euren Rat und Eure Hilfe nicht entbehren können. Legt meinem Rentmeister Eure Rechnungen vor und nehmt meinen herzlichsten Dank für das Wohlwollen, mit dem Ihr Euch meiner Krankheit angenommen habt« – »Den Dank haben wir bereits erhalten, Don Emanuel«, sagte Francas scharf. »Werden Sie die Güte haben, diesen Besuch gleich auch als Abschiedsvisite gelten zu lassen?« – »Dieser Wunsch ist auch mir genehm«, antwortete der Graf.»Reist mit Gott, Señores!«

      Die Ärzte verbeugten sich und schritten hinaus. Draußen im Nebenzimmer aber blieben sie ganz unwillkürlich stehen, um sich anzublicken.

      »Es ist aus!« meinte Francas. – »Leider«, fügte Milanos hinzu. – »Geschlagen!« zürnte Cielli. »Geschlagen von einem solchen Menschen!« – »Pah, noch nicht!« sagte Francas. »Wir reisen zwar ab, aber ich bin überzeugt daß wir zurückgerufen werden!«

      Sie schritten durch das Vorzimmer mit einer keineswegs siegesstolzen Miene an dem Diener vorüber und trennten sich draußen, um sich in ihre Zimmer zu begeben.

      Als Francas sein Zimmer betrat, fand er es nicht leer. Graf Alfonzo nebst dem Notar und der frommen Schwester hatten ihn hier erwartet.

      »Nun, gelungen?« fragte der erstere. – »Ja«, antwortete der Gefragte barsch. – »Gott sei Dank!« – »Spart Euren Dank für spätere Zeit, Graf!« meinte der Arzt »Gelungen ist es allerdings, aber nicht uns!« – »Ah!« – »Nein, sondern diesem Sternau.« – »Wirklich?« fuhr der Notar auf. »Der Teufel soll ihn holen!« – »Aber sehr bald, sonst bin ich nicht mehr da!« lachte der Doktor ergrimmt. – »Ihr wollt abreisen?« fragte die Schwester erschrocken. – »Ja. Wir haben den Abschied erhalten und sollen dem Rentmeister unsere Rechnungen vorlegen.« – »Das ist ja außerordentlich! Das ist ja mehr als unhöflich! Das ist ja förmlich zur Tür hinausgeworfen!« meinte der Notar. »Ihr werdet nicht gehen!« – »Nicht? Meint Ihr? Da befindet Ihr Euch im Irrtum. Doktor Francas hat nicht nötig, einem halsstarrigen Patienten seine Hilfe aufzuzwingen.« – »Ihr sollt sie nicht aufzwingen, Señor, sondern der Graf selbst wird Euch ersuchen, noch länger hierzubleiben.« – »Möglich. Aber wie wollt Ihr ihn dazu veranlassen?« – »Es wird Euch das nur einen kleinen Wink kosten. Aber vor allen Dingen erzählt uns Euer Gespräch mit dem Grafen.« – »Das war kurz und bündig. Es ist aus allem zu ersehen, daß er uns den Abschied erteilt hätte, falls wir nicht so klug gewesen wären, ihn zu fordern.«

      Er erzählte.

      Graf


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