Waldröschen III. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 1. Karl May

Waldröschen III. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 1 - Karl May


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eine Kleinigkeit handeln. Er suchte dich eben dieses Italieners wegen. Er hat dir dieses Mannes wegen zehn Franken gegeben.« – »Das ist wahr.« – »Du stehst also in seinem Dienst.« – »So lange es mir gefällt.« – »Aber du hast den Italiener garottiert in der Rue de la Poterie.« – »Donnerwetter!« meinte Gerard überrascht. »Wer sagt das? Wer will das wissen?« – »Papa Terbillon. Er weiß das ganz genau.« – »Pah! Es ist eine Lüge.« – »Nein, Spitzbube. Der alte Terbillon geht ganz sicher. Er hat es selbst beobachtet. Er war im Theater und in der Weinstube, der Italiener auch, und du ebenso.« – »Das mag sein, er wird sich verkleidet gehabt haben. Aber das beweist noch gar nichts.« – »Der Beweis ist dennoch da, denn Papa Terbillon ist euch gefolgt und hat gesehen, daß du den Italiener in der Straße de la Poterie niedergeschlagen hast.« – »So hat er falsch gesehen.« – »Lüge nicht! Er hat gute Augen und wird dich ins Verderben bringen.« – »Das wollen wir abwarten.« – »Er hat mir anbefohlen, daß du sofort zu ihm kommen sollst.« – »Ich werde zu ihm gehen, sobald es mir beliebt. Übrigens habe ich jetzt keine Zeit dazu; ich muß nach Italien verreisen, wohin ich als Diener eben dieses Mannes gehe, den ich garottieren sollte.« – »Alle Teufel!« – »Das beweist doch zur Genüge, daß ich ihn nicht garottiert habe. Ich werde Papa Terbillon seine zehn Franken zurückerstatten, dann kann er mir nicht sagen, daß ich ihn betrogen habe.« – »Gib sie mir, ich werde sie ihm bringen.« – »Hopp, Alter, das werde ich bleibenlassen, weil du das Geld für dich verwenden würdest.« – »Donner und Doria! Hältst du mich für einen Spitzbuben?« – »Ja, ganz gewiß«, lachte Gerard. »Ich habe Erfahrung genug, um zu wissen, was du bist.« – »Halunke!« rief der Alte. »Und das will mein eigener Sohn sein. Wie kommt denn der Kavalier gerade auf dich?« – »Ich habe mich gemeldet.« – »Bist du des Teufels! Jetzt bist du dein eigener Herr, dann aber ein Diener, ein Sklave.« – »Ich will aufhören, ein Verbrecher zu sein.« – »Ah! Und was wird aus mir? Erst hast du mir Annette genommen, und nun gehst du selbst fort. Wovon soll ich leben?« – »Arbeite!« – »Bist du verrückt?« – »Nein. Hast du früher nicht auch gearbeitet?« – »Das war anders, da lebte deine Mutter noch; da war ich jung und kräftig und – und …«

      Er stockte.

      »Und hattest dich dem Branntwein noch nicht ergeben«, fügte Gerard hinzu. – »Hm, du magst recht haben«, sagte der Alte. »Aber man glaubt gar nicht, wie gut ein Schluck dem alten Körper tut.« – »Das ist Täuschung.« – »Was weißt du! Du bist jung!« – »Eine Suppe, ein Glas Bier tut ganz dasselbe. Ich werde es dir beweisen, Vater.« – »Ah, wie?« – »Vielleicht bin ich gar nicht sehr lange fort von hier, und ich will dafür sorgen, daß du während meiner Abwesenheit nicht zu hungern und zu dürsten brauchst« – »Also hast du Geld?« fragte der Alte rasch. – »Dazu ja; aber zum Vertrinken nicht.« – »So gib her, Junge!«

      Der Alte streckte abermals die Hand aus. Gerard schüttelte den Kopf.

      »Nein, so nicht«, sagte er. »Du würdest alles vertrinken.« – »Ich sage dir, daß ich sparsam sein werde!« beteuerte der andere. – »Ich glaube es nicht.« – »Ja, wie willst du denn für mich sorgen, wenn du mir nichts gibst?« – »Du kennst die Restauration der alten Mutter Merveille. Ich werde zu ihr gehen und für dich abonnieren. Du sollst täglich dort dein Frühstück, Mittags- und Abendbrot haben, das ich für dich im voraus bezahle.« – »Welch eine Schlechtigkeit! Dieser Mensch hat Geld und vertraut es seinem Vater nicht an! Ich mag nicht zur Mutter Merveille!« – »Pah! Überdies werde ich Mutter Merveille noch fünfzig Franken für dich geben.« – »Ah, endlich! Wann kann ich sie mir holen?« – »Täglich.« – »Gut. So hole ich sie mir gleich morgen.« – »Nur nicht so hitzig, Alter! Ich habe gesagt, jeden Tag einen Franken. Auf diese Weise hast du täglich ein Taschengeld; gebe ich dir die Summe sofort, so ist sie in einigen Tagen durch die Gurgel gerollt.« – »Ich verspreche dir, sparsam zu sein.« – »Ich glaube es nicht.« – »Donnerwetter! Soll ich dich massakrieren? Welch ein Gedanke, fünfzig Franken zu besitzen und nicht anrühren zu dürfen.« – »Dieser Gedanke ist ganz heilsam. Überdies werde ich die Wohnungsmiete bezahlen, die während meiner Abwesenheit fällig werden wird.« – »So gib mir das Geld: Ich will es sofort zum Wirt tragen.«

      Der Alte steckte zum dritten Mal die Hand aus. Gerard aber lachte und erwiderte:

      »Daraus wird nichts; ich werde selbst zu ihm gehen.« – »Du bist ein Teufel!« – »Und du ein Engel, der nicht mit Geld umzugehen versteht. Also du wirst täglich deine Mahlzeiten und einen Franken haben; das genügt. Bist du klug, so suchst du dir etwas dazu zu verdienen; dann stehst du dich wie ein Kavalier. Adieu!« – »Du willst schon fort? So gib mir wenigstens noch fünf Franken.« – »Keinen einzigen. Und nun merke dir: Komme ich zurück, und du hast gut Haus gehalten, so mache ich dir eine große Freude. Ich werde dir dann etwas schenken, und zwar eine Schwiegertochter.« – »Eine Schwie…«, rief der Alte ganz erstaunt. »Wie kommst du auf diesen Witz?«

      Er lachte und fragte dann weiter:

      »Kerl, so bist du verliebt?« – »Sehr.« – »Nun, dann ist es aus mit dir, und das ganze Geschäft geht kaputt.« – »Welches Geschäft meinst du? Etwa die Garotte? Dieses Geschäft soll allerdings kaputtgehen. Ich will ein ehrlicher Arbeiter werden, Vater.« – »Unsinn! Das bringt kein Garotteur fertig.« – »Ich werde dir das Gegenteil beweisen.« – »Man wird es dir schwer werden lassen. Die Polizei kennt dich zu sehr.« – »Ich werde nicht in Paris bleiben, ich gehe vielmehr in die Provinz. Wohin, das weiß ich noch nicht« – »Und wer ist dein Mädchen, he?« – »Eine Arbeiterin; doch sie hat Geld; ich glaube viertausend Franken.« – »Donnerwetter, das ist etwas!« – »Für den Anfang«, lächelte Gerard.

      Er sagte die Unwahrheit um den Vater für sein Mädchen gut zu stimmen, und war entschlossen, sein Geld für das ihrige auszugeben.

      »Und wo wohnt sie?« fragte der Alte. – »Das erfährst du später.« – »Ah, du denkst, ich besuche sie und pumpe sie an?« – »Ja.« – »Alle Wetter, du bist verdammt vorsichtig. Aber was wird mit mir, wenn ihr fortzieht?« – »Du gehst mit« – »Hei! Wird sie mich mitnehmen?« – »Ja, obgleich sie weiß, daß du den Branntwein liebst und Garotteur bist« – »Und will es versuchen mit mir? Kerl, du bist dieses Mädchen gar nicht wert Es muß dich sehr liebhaben, Gerard; darum heirate es. Es muß überdies gut und brav sein.« – »Ich hoffe es.« – »Gut, so will ich mir Mühe geben, ich will einmal sehen, ob ich mit dem Branntwein fertig werde.« – »Versuche es, und du wirst sehen, daß es gelingt. Siehe, ich selbst gewinne ja über mich.« – »Das ist etwas anderes, du bist jung. Wohin gehst du jetzt?« – »Zum Wirt und zur Mutter Merveille.« – »Darf ich gleich mit?« – »Hm, ja; es ist besser, du hörst was ich mit ihr bespreche. Komm.«

      Sie gingen zum Besitzer des Hauses, um die Miete zu bezahlen, und suchten darauf die Restauration der Mutter Merveille auf, wo Gerard den Vater als Tischgast anmeldete und den Betrag zweier Monate sofort pränumerando entrichtete.

      Am späten Abend suchte dann Gerard einen jener alten, kleinen, aber wohl renommierten Gasthöfe auf, in denen man gut wenn auch einfach und billig wohnt, und ließ sich ein Zimmer geben. In demselben saß er die ganze Nacht und schrieb das Notizbuch des Grafen ab. Außerdem kopierte er noch eine einzelne Seite desselben.

      Mit dieser begab er sich am Morgen zu einem Buchhändler, um zu fragen, welche Sprache dies sei. Er erfuhr, daß es Spanisch sei, und wußte also nun, was er zu tun hatte.

      7. Kapitel

      Gerard ging dann nach der Rue de St. Quentin, um den Grafen aufzusuchen. Er fand diesen, mit großer Ungeduld seiner wartend.

      »Nun, wie steht es?« fragte der Graf. – »Leidlich, vielleicht auch gut«, antwortete Gerard. – »Was soll dies heißen?« – »Es soll heißen, daß ich das Buch gesehen habe, aber nicht weiß, ob Sie es bekommen werden, weil Ihnen der Preis zu hoch sein wird; er verlangt tausend Franken und sagte, daß er keinen Sous herablassen würde.« – »Dieser Schuft! Warum verlangt er eine solche Summe? Das Buch hat ja keinen Wert für ihn!« – »Er sagte, es habe desto mehr Wert für die Polizei.«

      Der Graf verfärbte sich.

      »Warum?«


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