Waldröschen IX. Erkämpftes Glück. Teil 2. Karl May

Waldröschen IX. Erkämpftes Glück. Teil 2 - Karl May


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einen Schritt näher.

      »Was?« fragte er. »Habe ich recht gehört? Rodriganda?« – »Ja.« – »Meinen Sie den Grafen, dessen Stammschloß gleichen Namens bei Manresa in Spanien liegt?« – »Ja.« – »Er hat große Besitzungen in Mexiko?« – »Ja.« – »Sie sollen mitfahren. Sie haben doch Ihre Legitimationen bei sich?« – »Das versteht sich. Wünschen Sie dieselben zu sehen?« – »Jetzt nicht. Das hat für später Zeit. Das Schiff sticht bald in See, und ich habe noch anderes zu tun. Ihr Boot kann zurückgehen. Peters!«

      Auf diesen Ruf kam ein Matrose herbei.

      »Führe die beiden Señores in die vorderste Kajüte. Du magst sie bedienen und bist deshalb vom übrigen frei.« – »Danke, Kapitän!« meinte der Mann. Dann drehte er sich zu den beiden Pflegebefohlenen und sagte in gebrochenem Spanisch: »Folgen Sie mir!«

      Er führte sie in einen zwar kleinen, aber allerliebsten Raum, in dem sich übereinander zwei Betten befanden.

      »So, das ist Ihre Koje«, sagte er. »Machen Sie es sich bequem. Ich hole Wasser und dergleichen herbei.«

      Kaum war er fort, so meinte Cortejo:

      »Was war das, Señor Landola?« – »Er kannte die Familie Rodriganda.« – »Ja. Wir müssen da außerordentlich vorsichtig sein.« – »Hätten wir den Namen Rodriganda nicht erwähnt, so wären wir wahrhaftig nicht mitgenommen worden.« – »Und doch wünschte ich, ich hätte lieber nichts gesagt.« – »Na, wir müssen warten, was wir erfahren. Bis dahin können wir vorsichtig lavieren, bis wir das richtige Fahrwasser finden.« – »Ja, aber da bitte ich um eins.« – »Was?« – »Daß ich die Erkundigungen einziehe. Ihr geltet für meinen Untergebenen, also bin ich derjenige, der reden muß.« – »Meinetwegen«, meinte Landola mürrisch.

      Peters kam bald zurück, um Wasser und Waschrequisiten zu bringen.

      »Lagt Ihr lange in Rio?« fragte Cortejo. – »Nur drei Tage«, lautete die Antwort. – »Woher kommt Ihr?« – »Um Kap Hoorn.« – »Ah! Um Südamerika herum?« – »Ja.« – »Wohl von Australien?« – »Eigentlich ja, aber zunächst von Mexiko.« – »Von einem der Westhäfen?« – »Guaymas.« – »Ladung dort genommen?« – »Nein. Passagiere dort gelandet.« – »Viele? Der Kapitän sagte doch, dies sei kein Passagierschiff.« – »Ist es auch nicht.« – »Was sonst?« – »Privateigentum.« – »Wem gehört es denn?« – »Dem Grafen Rodriganda.«

      Die beiden Freunde blickten einander erschrocken an, was jedoch der Matrose nicht bemerkte.

      »Rodriganda?« fragte Cortejo, indem er sich zusammennahm. »Wie ist denn der Vorname dieses Herrn?« – »Don Ferdinando.« – »Wo wohnt er?« – »In Mexiko.« – »Kennst du ihn?« – »Nein, ich habe ihn nicht gesehen.« – »Ich denke, nach deinen Reden zu schließen, ihr habt ihn in Guaymas ausgeschifft.« – »Das ist richtig, aber ich war nicht dabei.« – »Wieso?« – »Ich hatte einen schlechten Kapitän und ging daher in Valparaiso vom Schiff. Da kam Kapitän Wagner mit diesem Dampfer. Er mußte einen schwerkranken Mann ans Land geben und nahm an dessen Stelle mich auf.« – »So bist du also erst seit Valparaiso hier an Bord?« – »Ja.« – »Und weißt nichts von den früheren Schicksalen dieses Schiffes?« – »Ich weiß einiges, was ich von den anderen erfahren habe.« – »Nun?« – »Es gehörte einem Engländer und wurde in Ostindien von dem Grafen Rodriganda gekauft.« – »Wie kam der Graf nach Indien?« – »Mit Kapitän Wagner, Schiff Seejungfer aus Kiel.« – »Kiel ist wohl ein deutscher Hafen? Nicht?« – »Ja.« – »Sonderbar, daß der Graf dorther gekommen ist.« – »Oh, nicht von dort kam er.« – »Von woher sonst?« – »Er wurde an der Ostküste Afrikas aufgenommen.« – »Wo da?« – »Er war im Harrarland gewesen und da entflohen. Er traf die Seejungfer an der Küste. Der Kapitän brachte ihn nach Indien und dann nach Australien, um die anderen abzuholen!« – »Die anderen? Wer ist das?« – »Wer? Hm!«

      Der Mann zögerte zu antworten. Er betrachtete sich die beiden Männer eine Sekunde lang, ohne seine Auskunft fortzusetzen.

      »Warum antwortetest du nicht?« fragte Cortejo. – »Weil ich weiter nichts weiß.« – »So! Und das andere wußtest du so rasch.« – »O Señor, es kommt sehr viel auf den Frager an, ob man etwas schnell vergißt oder nicht.«

      Bei diesen Worten drehte der Mann sich um und schritt zur Tür hinaus.

      Cortejo blickte Landola an.

      »Was war das?«

      Landola zuckte anstatt der Antwort mit den Achseln.

      »Ich wette meinen Kopf, daß er es wußte und es doch nicht sagte.« – »Ihr seid selbst schuld.« – »Ich? Inwiefern?« – »So eine weitfahrende Teerjacke pflegt kein Dummhut zu sein.« – »Was hat dies mit meiner Frage zu tun?« – »Sehr viel. Ihr wart zu unvorsichtig.« – »Nicht daß ich wüßte!« – »Und doch. Ihr wart ja förmlich erpicht, etwas über Rodriganda zu hören. Ihr habt den Kerl mit den Augen fast verschlungen.« – »Unsinn!« – »Ich habe Euch beobachtet, es ist so.« – »Ich weiß nichts davon.« – »Wenn Ihr Euch nicht anders beherrschen könnt, so ist es besser, Ihr überlaßt das Fragen mir. Sonst verratet Ihr Euch.« – »Das geht nicht. Aber wenn es wirklich so ist, wie Ihr sagt, so werde ich mich auch in acht nehmen.« – »Das rate ich Euch sehr an. Ihr habt ja gehört, wie die Sachen stehen. Oder nicht?« – »Hm. Dieser Kapitän hat den Grafen befreit.« – »Und nach Indien gebracht. Hier ist mir nur eins unklar.« – »Was?« – »Hier hat der Graf diesen Dampfer gekauft. Der kostet Geld.« – »Allerdings«, meinte Cortejo. »Woher hat er dasselbe?« – »In der Sklaverei erarbeitet jedenfalls nicht.« – »Vielleicht dem Sultan gestohlen?« – »Dem Sultan gestohlen und doch entkommen! Das klingt unwahrscheinlich.« – »Wir werden es erfahren.« – »Mit diesem Dampfer sind sie nach Australien gefahren, um die anderen zu holen. Wen habe ich unter diesen anderen zu verstehen?« – »Doch Sternau und die Seinen.« – »Das denke ich auch.« – »Aber wie konnte der Graf in diesem abgeschlossenen Harrar etwas von Sternau erfahren.« – »Zumal ich Sternau auf eine Insel gesetzt habe, die kein Mensch kannte. Das ist wahrlich unbegreiflich.« – »Wir werden auch das erfahren.« – »Aber ich muß bitten, sehr vorsichtig zu sein. Ihr habt dem Kapitän bereits gesagt, daß Ihr Sachwalter des Grafen Rodriganda seid. Wie wollt Ihr Euch aus dem Loch helfen, in das Ihr aus eigener Schuld gefallen?« – »Das wird nicht schwer sein.« – »Wieso?« – »Ich kann doch das Vertrauen des Grafen Alfonzo besitzen, ohne gerade ein Feind der anderen zu sein!« – »Es wird sich empfehlen lassen, wenn wir den alten Grafen Emanuel gekannt haben.« – »Gut, dieser Gedanke reicht hin. Ich hoffe, daß wir von den Plänen Sternaus so viel erfahren, als für uns nötig ist, rasch zum Ziel zu kommen.«

      Als der Kessel den nötigen Dampf besaß, nahm der Dampfer die Anker auf und wandte sich der See zu. Der Kapitän stand auf der Kommandobrücke, bis man offenes Meer hatte und die Fahrt frei war, dann stieg er herab, um die Führung dem Steuermann zu überlassen.

      Da trat Peters zu ihm, legte die Hand an den Hut und sagte:

      »Kapt‘n!« – »Was willst du, mein Junge?« fragte Wagner, der gewohnt war, mit seinem Seevolk in der leutseligsten Weise zu verkehren. – »Die Passagiere.« – »Na, was ist mit ihnen?« – »Hm! Fürchterlich neugierig!« – »So, so! Was wollten sie wissen?« – »Alles vom Schiff.« – »Tut ja nichts.« – »Und vom Grafen Rodriganda.« – »Auch das tut nichts, mein Sohn.« – »War mir aber doch auffällig. Der eine fragte, und der andere sperrte das Maul wie ein Walfisch auf.« – »Das ist leicht erklärlich. Sie kennen beide den Grafen Rodriganda.« – »Ach so!« – »Hast du sonst noch etwas?« – »Nein.« – »So schicke sie einmal zu mir und sage dem Koch, daß sie in meiner Kajüte mit mir essen werden.«

      Peters ging. Sobald ihn aber der Kapitän nicht mehr zu sehen vermochte, brummte er zwischen den Zähnen:

      »Also sie kennen den Grafen. Gefallen mir aber doch nicht. Sie sehen beide gerade so aus, als wenn ein Seeräuberschiff die Kanonenluken maskiert, um für einen Kauffahrer angesehen zu werden. Kann auf keinen Fall schaden, wenn ich ein wachsames Auge auf sie habe.« Der gute Peter


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