Waldröschen IX. Erkämpftes Glück. Teil 2. Karl May

Waldröschen IX. Erkämpftes Glück. Teil 2 - Karl May


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suchte vergebens, teils in seinem Gedächtnis und teils in Cortejos Zügen. Er schüttelte schließlich den Kopf und meinte:

      »Habe ihn niemals gesehen.« – »Oh, hundertmal, alter Lügner«, behauptete Landola. – »Wo?« – »In Barcelona.« – »Könnte mich nicht besinnen.« – »Unser Reeder.«

      Da schlug der Mann die Hände zusammen.

      »Señor Cortejo? Wirklich? Nein, welch ein Gesicht! So eine Veränderung ist ein großes Meisterstück!« – »Allerdings«, meinte Landola, »wir haben es auch nötig. Aber sage, kannst du uns Auskunft über Señor Pablo geben?« – »Nein.« – »Über Señorita Josefa?« – »Nein.« – »Alle Teufel! Warum nicht?« – »Señorita sandte mir ein Schreiben, das ich an Señor Gasparino Cortejo abgehen lassen sollte. Ich habe es zur Auszeichnung mit der Ziffer 87 versehen. Ist es angekommen?« – »Ja«, antwortete Cortejo. »Zwei Tage vor unserer Abreise.« – »Seit dieser Zeit habe ich keine Nachricht.« – »Auch nicht von der Hazienda?« – »Nein.« – »Wie steht es in der Hauptstadt?« fragte Cortejo. – »Sie steckt voller Franzosen.« – »Verdammt! Da ist man seines Lebens nicht sicher.« – »Oh, sie führen keine üble Manneszucht.« – »So meinst du, daß man sich hinwagen könnte?« – »Ja, aber den Namen Cortejo dürftet Ihr nicht hören lassen.« – »Fällt mir nicht ein. Ich bin Don Antonio Veridante, Rechtsanwalt des Grafen Alfonzo de Rodriganda. Und dieser hier ist mein Sekretär. Notiere dir das zum eventuellen Gebrauch.«

      Der Agent notierte sich die Namen wirklich und meinte:

      »Ihr müßt entschuldigen, Señores, daß ich erschrak, als der Name Landola genannt wurde. Es befindet sich hier ein Mensch, der seit fünf Wochen täglich anfragt, ob Kapitän Landola noch nicht angekommen sei.« – »Ein Mensch, der fünf Wochen lang täglich nach mir fragt?« – »Ja.« – »Wie heißt er?« – »Er sagt es nicht.« – »Was will er?« – »Er entdeckt mir es nicht.« – »Woher ist er?« – »Das verrät er nicht.« – »Also ein höchst geheimnisvoller Mensch?« – »Ganz und gar. Ich habe ihn vergeblich abgewiesen, er kommt immer wieder.« – »Eine solche Beharrlichkeit ist unbedingt nicht ohne Grund. Zu welcher Stunde pflegt er zu kommen?« – »Er kommt außerordentlich pünktlich, um …« der Agent blickte nach der Uhr und fügte hinzu: »Es ist die Zeit. In einer Minute wird er klopfen.« – »So bin ich wirklich neugierig«, meinte Landola. – »Soll ich ihn hereinlassen?« – »Ja.« – »Und was ihm antworten?« – »Das übernehme ich.«

      Landola hatte diese Worte kaum gesagt, so ertönte ein kurzes, kräftiges Klopfen, und auf das »Herein« des Agenten trat eine lange, sehnige Gestalt ein. Es war Grandeprise, unser alter Bekannter.

      »Darf ich fragen, ob Señor Landola noch nicht angekommen ist?« erkundigte er sich in höflichem Ton.

      Landola hielt beide Fäuste geballt; er hatte den Stiefbruder gleich erkannt und ahnte es, daß diesen nur die Rache herbeigetrieben hatte. Er bemeisterte jedoch seinen Grimm und fragte Grandeprise mit ein wenig verstellter Stimme:

      »Was wollt Ihr von ihm, Señor?« – »Eine Kleinigkeit«, antwortete der Jäger. – »Worin besteht diese Kleinigkeit?« – »Das darf nur er erfahren.« – »Wer hat Euch gesagt, daß Ihr Euch hier nach ihm erkundigen könnt?« – »Das verrate ich nicht.« – »Ihr seid ein wunderbarer Kauz. Wie ist Euer Name?« – »Er gehört nur mir, nicht Euch.« – »Donnerwetter, das war grob.« – »Meinetwegen.« – »Nun, auf diese Weise kommt Ihr nicht zum Ziel.« – »Wieso?« – »Ist es denn etwas Wichtiges, was Ihr ihm mitzuteilen habt?« – »Ja, für ihn und für mich.« – »Ihr werdet ihn nicht eher treffen, als bis Ihr mir wenigstens die eine meiner Fragen beantwortet habt.« – »Welche?« – »Wer Euch hergewiesen hat.« – »Dann erfahre ich, wo er ist?« – »Ja.« – »Ganz gewiß. Ich stehe eben im Begriff, ihn aufzusuchen.« – »Ihr wißt also, wo er sich befindet?« – »Ja.«

      Die Augen des Jägers leuchteten vor grimmiger Freude.

      »So sollt Ihr es erfahren«, sagte er. – »Nun, wer hat Euch hergewiesen?« – »Pater Hilario im Kloster della Barbara zu Santa Jaga.«

      Der Kapitän machte eine Bewegung des Erstaunens und sagte:

      »Ich kenne den Pater nicht. Wer muß ihm diese Adresse verraten haben?« – »Wenn ich sicher wäre, Landola zu treffen, so würde ich Euch auch dies noch sagen«, meinte der Jäger. – »Ich gebe Euch mein Wort darauf«, erwiderte Landola. – »Nun gut! Der Pater hat die Adresse jedenfalls von Señor Pablo Cortejo erfahren.«

      Dieser Name brachte eine kleine Aufregung unter den drei anderen Anwesenden hervor.

      »Pablo Cortejo?« fragten alle drei zu gleicher Zeit. – »Ja.« – »Kennt Ihr ihn?« fragte Landola. – »Ja.« – »Ihr gehört wohl zu seinen Anhängern?« – »Nein.« – »Zu seinen Gegnern?« – »Nein.« – »Donnerwetter, wozu denn?« – »Zu nichts und niemand, ich treibe keine Politik.« – »Aber wie kommt Ihr da zu dem Prätendenten Cortejo?« – »Ich fand ihn verwundet am Fluß liegen und heilte ihn.« – »Alle Wetter! Wo war das denn?« – »Droben am Rio Grande del Norte.« – »Was wollte er dort?« – »Ein Engländer brachte Geld und Waffen für Juarez; Señor Cortejo wollte ihm dies wegnehmen, kam aber dabei mit Indianern in Streit. Er wurde an beiden Augen verwundet, so daß er im Schilf lag und nicht sehen konnte. Er getraute sich nicht vor. Da fand ich ihn.« – »Mein Gott«, rief Cortejo. »Er ist also blind?«

      »Nicht ganz.« – »Was heißt das?« – »Das eine Auge ist ihm allerdings verloren gegangen; das andere jedoch haben wir mit Hilfe des Wunderkrautes geheilt.« – »Der Unvorsichtige! Wo befand sich denn zu jener Zeit Juarez?« – »Bereits in Coahuila.« – »Und mein – ah! Und Cortejo wagte sich bis zum Rio Grande?« – »Ja.« – »So hat er geradezu Gott versucht! Wohin ist er denn?« – »Er litt fürchterliche Schmerzen. Ich nahm ihn auf eins meiner Pferde und versuchte, ihn nach der Hacienda del Erina zu bringen.« – »Was wollte er dort?« – »Er sagte, daß seine Verwandten dort wohnten. Er hatte mir nämlich noch nicht gestanden, daß er Cortejo sei.« – »Ach so! Kam ihr durch?« – »Mit Mühe, denn die Scharen von Juarez waren nahe, und einige Truppen der Vereinigten Staaten lagen uns auch bereits im Weg. Aber mit Hilfe eines Umweges gelang es uns doch.« – »Wo war da Señorita Josefa?« – »Auf der Hazienda.« – »Ihr fandet sie dort?« – »Hm! In der Nähe, und wie! Denn die Hazienda war unterdessen erobert worden.« – »Von wem?« – »Von den Mixtekas, die sich erhoben hatten.« – »Für wen?« – »Für Juarez und gegen Cortejo.« – »Das ist Pech! Erzählt!« – »Wir langten des Nachts in der Hazienda an. Dort stießen wir auf Flüchtlinge von Cortejos Leuten, die dem Kampf entronnen waren. Die Hazienda war verloren und Señorita Josefa gefangen.« – »Und mein – ah! Und Cortejo blind!« – »Nur auf einem Auge. Das andere war bis dahin ziemlich heil geworden. Er zog die paar Flüchtlinge an sich, wobei ich erst bemerkte, wer er sei, und dann begaben wir uns des Morgens nach dem Berg El Reparo, auf dessen Höhe wir uns ausruhen und das weitere beschließen wollten. Kennen die Señores den Berg El Reparo?« – »Wir haben von ihm gehört.« – »Den Teich der Krokodile oben?« – »Ja.«

      Cortejo dachte dabei mit Grauen an Alfonzo, der da oben an dem Baum gehangen hatte.

      »Wir erreichten die Höhe«, fuhr der Jäger fort. »Als wir durch die Büsche brechen wollten, bemerkten wir einige Reiter, die am Teich abgestiegen waren. Es waren Mixtekas. Unter ihnen ihr Häuptling Büffelstirn und noch ein weißer Jäger, den sie Donnerpfeil nennen.« – »Ah, es ist ein Deutscher?« fragte Cortejo. – »Ja.« – »Er heißt Helmers?« – »So habe ich gehört.« – »Ich habt diese Kerle doch überfallen?« – »Das versteht sich, denn sie hatten die Absicht, Señorita Josefa den Krokodilen zu fressen zu geben.« – »Donnerwetter!« – »Ja, sie hing bereits an einem Lasso über dem Teich, und die Bestien schnappten nach ihr.« – »Gelang der Überfall?« – »Ja. Wir töteten die Mixtekas und retteten die Señorita.« – »Wurden auch der Häuptling und der Weiße getötet?« – »Nein. Sie hatten sich entfernt.« – »Jammerschade! Was tatet Ihr dann?« – »Cortejo wußte weder aus noch ein. Er durfte nicht zu den Franzosen, nicht zu den Deutschen,


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