Waldröschen VII. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 2. Karl May

Waldröschen VII. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 2 - Karl May


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hat« – »Ihr macht mich immer neugieriger.« – »Wißt Ihr, wem vor Señor Arbellez die Hazienda gehört hat?« – »Ich denke, dem Grafen Rodriganda.« – »Ja.« – »Er ist gestorben.« – »Nein, Señorita. Er ist nicht gestorben; er lebt noch; ich habe auch ihn gesehen.«

      Josefa trat einen Schritt zurück.

      »Ihr lügt!« rief sie. – »O nein«, antwortete der Vaquero triumphierend, »ich sage die Wahrheit. Man hat dem Grafen eine Medizin gegeben, die Starrkrampf hervorbringt. Er wurde begraben, ist aber auch aus dem Grab genommen worden. Dann hat man ihn als Sklaven verkauft. Es ist ihm geglückt, nach Jahren sich zu befreien. Er hat dabei meine Señorita Emma getroffen. Diese führte ihn darauf zu der wüsten Insel, und so wurden die Gefangenen alle befreit.« – »Was taten sie dann?«

      Josefa hauchte diese Frage nur noch. Es war ihr vor Schreck fast unmöglich, laut zu sprechen.

      »Sie gingen nach Mexiko, und zwar zunächst nach Fort Guadeloupe.« – »Warum dorthin?« – »Ich weiß es nicht, wohl, um den Präsidenten Juarez zu treffen.« – »Und haben sie ihn getroffen?« – »Ja«, antwortete der Gefragte. – »Er war dort? Er war in Fort Guadeloupe?« – »Ja; ich selbst habe ihn gesehen.« – »Ich hörte doch, er sei in El Paso del Norte.« – »Nein. Er ist nicht mehr dort. Er kam nach Fort Guadeloupe, um die Franzosen zu vernichten, die das Fort erobern wollten.« – »Ah, das ist mir neu. Ist es wirklich zu einem Kampf gekommen?« – »Zu einem fürchterlichen sogar. Es sind dreihundert Franzosen und noch mehr mit ihnen verbündete Komantschen vollständig aufgerieben worden, nachdem bereits vorher im Teufelspaß eine ganze Kompanie vernichtet worden ist.« – »Welch ein Glück! So gebietet also Juarez wieder über eine bedeutende Macht?« – »Er hat weiße Jäger bei sich, ist mit den Apachen verbündet und wird auch aus den Vereinigten Staaten zahlreiche Freiwillige erhalten.« – »Aber dazu gehört ja Geld, viel Geld!« sagte Josefa schlau. »Und das hat er nicht.« – »Geld? Oh, das hat er, und er bekommt auch noch viel mehr. Er hat kürzlich von dem Präsidenten der Union Millionen geschickt erhalten, und eben jetzt bringt ihm ein Engländer wieder Geld, Kanonen und Waffen.«

      Josefa horchte auf. Sollte der Vaquero etwa Lord Lindsay meinen? Sie fragte:

      »Von einem Engländer? Wie wollte der mit solchen Vorräten nach Fort Guadeloupe kommen? Das Land ist ja von den Franzosen dicht besetzt.« – »Das wird keine Schwierigkeiten machen. Der Engländer befindet sich in El Refugio an der Mündung des Rio Grande und hat einen Boten an Juarez geschickt. Dieser ist Geierschnabel, ein berühmter Jäger und Pfadfinder. Er hat Juarez in Guadeloupe getroffen. Ich habe auch mit ihm gesprochen. Dort ist verabredet worden, wie und wo das Geld und die Waffen in die Hände des Präsidenten kommen werden.« – »Aber Ihr wißt dies nicht; Euch hat man nichts davon gesagt?« meinte sie lauernd. – »Warum nicht?« fragte er mit Selbstbewußtsein. »Ich habe ja dabeigestanden, als Señor Mariano dem Boten des Engländers sagte, daß er mit nach El Refugio fahren werde.« – »Señor Mariano? Warum wollte er mit?« – »Hm, weil die Tochter des Engländers seine Verlobte ist.«

      Jetzt wußte Josefa genau, woran sie war.

      »Hat denn dieser Engländer eine Dame bei sich?« fragte sie.– »Ja. Geierschnabel erzählte es.« – »Nannte er auch ihren Namen?« – »Ja. Sie heißt Amy Lindsay, und ihr Vater ist Lord Henry Lindsay, Graf von Nothingwell.« – »Ah, diese beiden! Ich habe von ihnen gehört und weiß, daß sie Freunde von Juarez sind. Señor Mariano will zu ihnen? Gewiß, um behilflich zu sein, das Geld und die Waffen dem Präsidenten zu bringen.« – »Er wollte, aber es ist anders geworden. Geierschnabel hat ihn nicht mitgenommen.« – »Warum nicht?« – »Sein Boot war für zwei Männer zu klein. Darum wird Señor Mariano sich Juarez anschließen und bei ihm bleiben, bis der Lord kommt.« – »Und die anderen? Ich meine Señor Sternau und die übrigen.« – »Sie bleiben auch bei Juarez. Sie machen seinen Kriegszug mit!«

      Der Vaquero sprach nur in kurzen Bemerkungen, denn diese Leute sind nicht gewöhnt, lange Reden zu halten, darum mußte Josefa ihm jede Antwort abkaufen.

      »Was Ihr sagt!« meinte sie. »Juarez will einen Kriegszug unternehmen?« – »Ja. Er hat ihn bereits begonnen, indem er Fort Guadeloupe befreite.« – »Und wohin wird er nun gehen?« – »Erst nach Chihuahua und dann nach Coahuila. In Chihuahua wird er bereits jetzt sein. Kommt er dann nach Coahuila, so wird er dort den Lord und die Lady treffen.« – »In der Stadt selbst?« – »Nein, in der Nähe, eine Tagereise von der Stadt.« – »Kennt Ihr den Ort der Zusammenkunft?« – »Ja, ich hörte davon sprechen. Man wird sich da treffen, wo östlich von Coahuila der Sabinafluß sich mit dem südlichen Arm vereinigt.« – »Und da werden alle dabeisein – Sternau, Mariano, Büffelstirn und die anderen?« – »Alle, außer dem Grafen Rodriganda, der in Fort Guadeloupe zurückbleibt, weil er krank ist.« – »Ah! Krank! Ist‘s gefährlich?« fragte Josefa schnell. – »Ich glaube nicht. Er hat von einem Franzosen einen Hieb auf den Kopf erhalten. Er war betäubt, aber Señor Sternau gab alle Hoffnung, daß er bald wieder hergestellt sein werde. Er ist unter guter Pflege im Fort zurückgeblieben.« – »So wird er also den anderen nachreisen?« – »Jedenfalls.« – »Aber nicht allein! Diese Gegend dort soll eine ziemlich gefährliche sein.« – »Allein allerdings nicht. Juarez hat ihm eine Bedeckung von Apachen zurückgelassen, die ihn dann begleiten werden. Es wird ihm also nichts geschehen können.« – »Habt Ihr nicht vielleicht gehört, wie der alte Graf auf Cortejo zu sprechen ist?« – »Nein. Er lag ja ohne Bewußtsein in seinem Zimmer. Ich habe nur gehört, was die anderen sprachen, und auch das war nur wenig, da es ganz zufällig geschah.« – »Nun, was habt Ihr denn da gehört? Ich interessiere mich für Señor Arbellez und dessen Freunde so sehr, daß ich gern so viel wie möglich wissen möchte.« – »Es ist nichts von Bedeutung, was ich Euch da sagen könnte, Señorita. Ich war ja meist in der Küche, und befand ich mich ja im Gastzimmer, so waren da eine solche Menge von Jägern und Indianern beisammen, daß man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte. Die eigentlichen Herren und Señores nebst den Señoritas hatten ihre Zimmer, wo ich keinen Zutritt hatte. Wichtiges habe ich also ganz und gar nicht gehört. Nur als ich Anstalt machte, aufzubrechen, kamen sie alle zu mir, um mir ihre Botschaften an Señor Arbellez aufzutragen.« – »Nun, wie lauteten diese Botschaften?« – »Señorita Emma und Señor Helmers ließen ihm sagen, daß sie sich herzlich sehnten, ihn wiederzusehen. Sie würden sogleich mit mir geritten sein, um nach der Hazienda zu kommen, da aber die Gegend von Franzosen besetzt und außerdem sehr unsicher sei, so seien sie gezwungen, sich dem Präsidenten anzuschließen. Doch sollte ich tausend und aber tausend Grüße überbringen. Sie alle seien wohlauf.« – »Was vertraute Euch Señor Sternau an?«

      Es war klar, daß Josefa Sternau für die bedeutendste und gefährlichste Person der ganzen Gesellschaft hielt. Deshalb stellte sie diese Frage.

      »Er gebot mir«, antwortete der Vaquero, »meinem Herrn zu sagen, daß er sich nicht sorgen solle. Chihuahua und Coahuila würden sicher in die Hände des Präsidenten fallen, und bald. Dann wäre es von der letzteren Stadt ja gar nicht weit bis zur Hazienda, und das Wiedersehen würde nicht auf sich warten lassen.« – »Und Señor Mariano?« – »Von dem soll ich sagen, daß in der Angelegenheit des Grafen jetzt alles gut stehe. Die Verbrecher würden bald entlarvt und bestraft werden.« – »Versteht Ihr, was er damit meinte?« fragte Josefa, indem sie ihre Eulenaugen mit einem stechenden Blick auf den Vaquero richtete. – »Hm!« meinte er nachdenklich. »Man könnte da manches sagen oder wenigstens vermuten.« – »Ah, ich habe auch so einiges gehört« – »Von dem falschen Grafen, nicht wahr, Señorita?«

      Josefas Augen schlossen sich, um nicht bemerken zu lassen, welch ein lauernder Raubtierblick ihnen sonst entschlüpft wäre. Als sie sie wieder öffnete, hatten sie nur den Ausdruck einer freundlichen, mitfühlenden Neugier.

      »Allerdings von dem falschen Grafen«, antwortete sie. »Aber was wißt Ihr davon?« – »Viel oder wenig, je nachdem man es nimmt. Ihr habt doch wohl gehört, daß die Señores Sternau, Mariano und Helmers bereits einmal in del Erina waren?« – »Freilich, Señor Arbellez hat es mir erzählt«, log Josefa. – »Nun, damals haben diese Herren mehrere ganz absonderliche Abenteuer erlebt. Cortejo trachtete ihnen nämlich nach dem Leben, und daß sie später verschwanden, daran ist er ganz allein schuld gewesen;


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