Waldröschen VII. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 2. Karl May

Waldröschen VII. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 2 - Karl May


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der Hacienda del Erina bestimmt habe, bereits abgeritten sei.

      2. Kapitel

      Die uns so wohlbekannte Hazienda hatte gegenwärtig noch ganz dasselbe Aussehen wie in früheren Jahren, bot aber heute einen nicht ganz friedlichen Anblick dar.

      An einer jeden Ecke war eine Art Verschanzung aufgeworfen, auf der ein französischer Posten Wache hielt, und im Hof lagen eine ziemliche Anzahl Soldaten herum, die unter dem Befehl des Hauptmannes dazu bestimmt waren, die Hazienda zu beschützen.

      Dieser Hauptmann saß droben in dem Speisesaal, den wir auch bereits kennen, und unterhielt sich mit dem Haziendero und dessen Freundin Marie Hermoyes.

      Der Haziendero lag müde in einer Hängematte. Er war, seit er sein Kind verloren hatte, fürchterlich gealtert. Sein Haar war lang und schneeweiß, ja, es hatte fast den durchsichtigen Schein des Eises. Seine Gestalt war eingetrocknet und zusammengebogen. Er hatte das Aussehen eines Mannes, der weit über hundert Jahre zählte.

      Auch die alte Marie war ergraut, aber sie erschien weit rüstiger als ihr Herr.

      Der Hauptmann war ein nicht zu alter Mann, aber ein Dutzendmensch, nicht gut und nicht böse, nicht klug und auch nicht dumm. Soeben hatte ihn ein Soldat verlassen, der ein versiegeltes Schreiben, das von einem Kavalleristen gebracht worden war, überreicht hatte.

      »Verzeihung, daß ich öffne!« sagte er zu Arbellez. »Dienst geht allem vor.«

      Damit machte der Hauptmann den Brief auf. Während er las, nahm sein Gesicht einen höchst gespannten Ausdruck an. Er legte endlich das Schreiben wieder zusammen, steckte es zu sich und sagte:

      »Da erhalte ich eine Nachricht, die mir ebenso lieb wie unlieb ist.«

      Arbellez blickte ihn an, ohne ihn durch eine Frage zum Sprechen aufzufordern. Er hatte während der Anwesenheit der Franzosen sich sehr wohl gehütet zu zeigen oder ahnen zu lassen, daß er ein Freund des Vaterlandes, ein Anhänger von Juarez sei.

      »Ich weiß«, fuhr der Franzose fort, »daß Sie uns nicht feindlich gesinnt sind, und darum darf ich Ihnen sagen, um was es sich handelt. Sie wissen wohl, wie weit unsere Truppen das Land besetzt haben?« – »Bis Chihuahua«, antwortete der Haziendero mit einem unterdrückten Seufzer. – »Ja. Wir haben ein Bündnis mit den Komantschen geschlossen, die bereit sind, als irreguläre Kavallerie unserer Sache zu dienen. Nun haben Sie vielleicht gehört, daß der Expräsident Juarez bis an die äußerste Grenze des Landes geflohen ist?« – »Ja, bis El Paso del Norte.« – »Ihn auch von dort zu vertreiben, war unsere Aufgabe. Er mußte entweder gefangen oder hinüber nach Nordamerika getrieben werden. Das ist nun geschehen.« – »Ah, wirklich?« fragte Arbellez rasch. »Er ist – gefangen?« – »Nein, leider nicht.« – »Also vertrieben?« – »Ja. Paso del Norte befindet sich in unserem Besitz, wie mir hier gemeldet wird. Außerdem kennen Sie vielleicht ein Fort, das am Puercosfluß liegt und Guadeloupe heißt?« – »Ja, ich kenne es«, antwortete der Haziendero, noch aufmerksamer werdend. – »Auch dieses ist in unsere Hände gefallen.« – »Ich gratuliere, Señor.« – »Ich danke, Monsieur. Es befindet sich also die Nordgrenze ganz in unseren Händen. Wir haben da, wie ich gelesen habe, mehrere Siege erfochten. Paso del Norte und Guadeloupe sind unser. In einer Schlucht, die Teufelsschlucht genannt, haben wir einen Trupp von fast tausend Jägern und feindlichen Apachen aufgerieben, und endlich ist uns auch ein General der Union, ein gewisser Hannert, in die Hände gefallen, der Juarez Geld bringen sollte.«

      Der Haziendero hatte Mühe, seinen Schreck zu verbergen.

      »So haben Sie das Geld?« fragte er. – »Natürlich.« – »War es viel?« – »Man schreibt mir, daß es viele Millionen seien.« – »So gratuliere ich abermals, Señor Capitano.« – »Ich danke, Monsieur! Es steht ja gar nicht anders zu erwarten, als daß wir überall siegen müssen. Unsere glorreiche Armee hat an allen Orten der Erde ihre Schule erhalten. Wir haben in Afrika, Asien und Amerika gesiegt; Europa zittert vor uns; ein Juarez und ein Haufen wilder Apachen wird von uns einfach niedergetreten und zermalmt.«

      Da trat ein Unteroffizier ein, der einen einfach und harmlos aussehenden Mann geführt brachte, und meldete:

      »Mein Kapitän, dieser Mann ist soeben angekommen; er gab vor, mit dem Besitzer sprechen zu wollen.«

      Während dieser Meldung war das Auge des Hauptmanns auf den Unteroffizier gerichtet. Dadurch gewann der Fremde Zeit, dem Haziendero einen unbemerkten Wink zu geben. Arbellez verstand diesen Wink allerdings nicht, aber er sagte sich, daß den Mann eine Absicht, die den Franzosen verborgen bleiben solle, herbeiführte, und beschloß, sich danach zu verhalten.

      Der Offizier wandte sich an den Mann:

      »Wir sind hier auf Etappe und dürfen also nicht jeden frei passieren lassen. Wer bist du?« – »Ich bin ein armer Vaquero, Señor«, antwortete der Gefragte. – »Woher?« – »Aus der Gegend von Castannola.« – »Was willst du hier?« – »Mein Herr hat Unglück gehabt Einige seiner besten Herden sind ihm mit den Büffeln davongegangen, und er braucht nun nicht mehr so viele Hirten als vorher. Er hat eine Anzahl derselben entlassen, und ich bin leider auch dabei. Ich kenne Señor Arbellez als einen Mann, der gut bezahlt und seine Leute gut behandelt; darum kam ich her, um zu fragen, ob ich nicht bei ihm in Dienst treten kann.« – »Hast du eine Legitimation, einen Entlassungsschein?«

      Ein eigentümliches Lächeln ging über das Gesicht des Mannes, aber er antwortete bescheiden:

      »Señor, das mag in Frankreich so gehalten werden, in Mexiko aber fragt man nicht nach solchen Dingen. Wollte ich ein Zeugnis verlangen, so würde ich ausgelacht« – »Ja, ich habe mich leider nicht nach Euren Gebräuchen, sondern nach meiner Instruktion zu richten. Ich darf hier nur solche Leute zulassen, die sich legitimieren können.«

      Da legte sich der Haziendero ins Mittel. Er kannte zwar den Mann nicht sagte aber doch:

      »Señor, bei diesem Mann ist eine Legitimation unnötig. Ich garantiere für ihn.« – »So kennen Sie ihn?« – »Ja.« – »Das ist etwas anderes, Señor. Kennen Sie auch seinen Namen?«

      Der Haziendero beschloß, den ersten besten Namen zu nennen.

      »Natürlich!« antwortete er. »Dieser Vaquero heißt Pablo Rebando. Sein Bruder hat bei mir in Dienst gestanden, und ich bin sehr mit ihm zufrieden gewesen.« – »So haben Sie vielleicht die Absicht ihn zu engagieren, Monsieur?« – »Allerdings.« – »Gut ich gebe Ihnen meine Erlaubnis dazu und werde seinen Namen in die Hausstandsliste, die ich über die Hazienda zu führen habe, eintragen.« – »Ich danke, Monsieur, und bitte um Verzeihung, daß ich Ihnen so viel Mühe bereite.« – »Ah, wenn man weiter keine Mühe hätte«, erwiderte der Offizier, indem er sich zum Gehen erhob, »so wäre es sehr bequem und leicht, Etappenkommandant zu sein. Was ich Ihnen noch sagen muß, ist daß ich vielleicht recht bald Abschied von Ihnen zu nehmen habe.« – »Das würde mir unendlich leid tun, Señor!« zwang sich Arbellez zu sagen. – »Es scheinen Truppenzusammenziehungen bevorzustehen, vielleicht eines großen, kräftigen Vorstoßes wegen. Es wurde mir in dem Brief der Befehl, mich bereitzuhalten.« – »Ist dies bald zu erwarten, Señor?« – »Heute und morgen noch nicht. Es vergehen ja Tage, ehe so ein Befehl aus Chihuahua oder Coahuila hier anlangen kann. Adieu jetzt, Señor!«

      Der Offizier ging. Es war ihm gar nicht eingefallen, daß der große Truppenvorstoß und seine eigene Marschbereitschaft mit den erfochtenen Siegen, von denen er erzählt hatte, nicht in Einklang zu bringen seien.

      Jetzt befanden sich Arbellez und Marie Hermoyes mit dem angeblichen Vaquero allein.

      »Nun, mein Freund, ich hoffe, daß du mit mir zufrieden bist«, sagte der Haziendero zu ihm. »Ich habe deinetwegen eine Unwahrheit gesagt, was ich sonst niemals tue.« – »Ich danke Euch, Señor«, antwortete der Mann. »Ich denke, diese kleine Unwahrheit rechtfertigen zu können. Es war mir nicht gleichgültig, zu sehen, daß Eure Hazienda von den Franzosen besetzt ist.« – »Du wußtest das nicht?« – »Nein. Und als ich es erfuhr, glaubte ich doch nicht, von den Franzosen förmlich verhört zu werden. Eine Legitimation, ein Zeugnis in Mexiko. Es ist unerhört.« Der Mann lachte herzlich, und Arbellez stimmte ein. – »Nun sage mir aber auch, wer du bist«, meinte der letztere. –


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