Das Buch der Bilder. Rainer Maria Rilke

Das Buch der Bilder - Rainer Maria Rilke


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er euch wie Ewige empfing

      auf den Wegen, die er täglich ging,

      bei den Bänken, welche schattig warten,

      und im Zimmer, wo die Laute hing.

      Geht!... es dunkelt. Seine Sinne suchen

      eure Stimme und Gestalt nicht mehr.

      Und die Wege liebt er lang und leer

      und kein Weißes unter dunklen Buchen, –

      und die stumme Stube liebt er sehr.

      ..... Eure Stimmen hört er ferne gehn

      (unter Menschen, die er müde meidet)

      und: sein zärtliches Gedenken leidet

      im Gefühle, daß euch viele sehn.

      Das Lied der Bildsäule

      Wer ist es, wer mich so liebt, daß er

      sein liebes Leben verstößt?

      Wenn einer für mich ertrinkt im Meer,

      so bin ich vom Steine zur Wiederkehr

      ins Leben, ins Leben erlöst.

      Ich sehne mich so nach dem rauschenden Blut;

      der Stein ist so still.

      Ich träume vom Leben: das Leben ist gut.

      Hat keiner den Mut,

      durch den ich erwachen will?

      Und werd ich einmal im Leben sein,

      das mir alles Goldenste giebt, –

      – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

      so werd ich allein

      weinen, weinen nach meinem Stein.

      Was hilft mir mein Blut, wenn es reift wie der Wein?

      Es kann aus dem Meer nicht den Einen schrein,

      der mich am meisten geliebt.

      Der Wahnsinn

      Sie muß immer sinnen: Ich bin... ich bin...

      Wer bist du denn, Marie?

      Eine Königin, eine Königin!

      In die Kniee vor mir, in die Knie!

      Sie muß immer weinen: Ich war... ich war...

      Wer warst du denn, Marie?

      Ein Niemandskind, ganz arm und bar,

      und ich kann dir nicht sagen wie.

      Und wurdest aus einem solchen Kind

      eine Fürstin, vor der man kniet?

      Weil die Dinge alle anders sind,

      als man sie beim Betteln sieht.

      So haben die Dinge dich groß gemacht,

      und kannst du noch sagen wann?

      Eine Nacht, eine Nacht, über eine Nacht, –

      und sie sprachen mich anders an.

      Ich trat in die Gasse hinaus und sieh:

      die ist wie mit Saiten bespannt;

      da wurde Marie Melodie, Melodie...

      und tanzte von Rand zu Rand.

      Die Leute schlichen so ängstlich hin,

      wie hart an die Häuser gepflanzt, –

      denn das darf doch nur eine Königin,

      daß sie tanzt in den Gassen: tanzt!...

      Die Liebende

      Ja ich sehne mich nach dir. Ich gleite

      mich verlierend selbst mir aus der Hand,

      ohne Hoffnung, daß ich Das bestreite,

      was zu mir kommt wie aus deiner Seite

      ernst und unbeirrt und unverwandt.

      ... jene Zeiten: O wie war ich Eines,

      nichts was rief und nichts was mich verriet;

      meine Stille war wie eines Steines,

      über den der Bach sein Murmeln zieht.

      Aber jetzt in diesen Frühlingswochen

      hat mich etwas langsam abgebrochen

      von dem unbewußten dunkeln Jahr.

      Etwas hat mein armes warmes Leben

      irgendeinem in die Hand gegeben,

      der nicht weiß was ich noch gestern war.

      Die Braut

      Ruf mich, Geliebter, ruf mich laut!

      Laß deine Braut nicht so lange am Fenster stehn.

      In den alten Platanenalleen

      wacht der Abend nicht mehr:

      sie sind leer.

      Und kommst du mich nicht in das nächtliche Haus

      mit deiner Stimme verschließen,

      so muß ich mich aus meinen Händen hinaus

      in die Gärten des Dunkelblaus

      ergießen...

      Die Stille

      Hörst du, Geliebte, ich hebe die Hände –

      hörst du: es rauscht...

      Welche Gebärde der Einsamen fände

      sich nicht von vielen Dingen belauscht?

      Hörst du, Geliebte, ich schließe die Lider,

      und auch das ist Geräusch bis zu dir.

      Hörst du, Geliebte, ich hebe sie wieder......

      ... aber warum bist du nicht hier.

      Der Abdruck meiner kleinsten Bewegung

      bleibt in der seidenen Stille sichtbar;

      unvernichtbar drückt die geringste Erregung

      in den gespannten Vorhang der Ferne sich ein.

      Auf meinen Atemzügen heben und senken

      die Sterne sich.

      Zu meinen Lippen kommen die Düfte zur Tränke,

      und ich erkenne die Handgelenke

      entfernter Engel.

      Nur die ich denke: Dich

      seh ich nicht.

      Musik

      Was


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