Das Buch der Bilder. Rainer Maria Rilke

Das Buch der Bilder - Rainer Maria Rilke


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ahnend angesehn).

      Da neigte sich die junge Weidenrute

      in ihren Händen dürstend wie ein Tier:

      jetzt ging sie blühend über ihrem Blute,

      und rauschend ging ihr Blut tief unter ihr.

      Kindheit

      Da rinnt der Schule lange Angst und Zeit

      mit Warten hin, mit lauter dumpfen Dingen.

      O Einsamkeit, o schweres Zeitverbringen...

      Und dann hinaus: die Straßen sprühn und klingen

      und auf den Plätzen die Fontänen springen

      und in den Gärten wird die Welt so weit –.

      Und durch das alles gehn im kleinen Kleid,

      ganz anders als die andern gehn und gingen –:

      O wunderliche Zeit, o Zeitverbringen,

      o Einsamkeit.

      Und in das alles fern hinauszuschauen:

      Männer und Frauen; Männer, Männer, Frauen

      und Kinder, welche anders sind und bunt;

      und da ein Haus und dann und wann ein Hund

      und Schrecken lautlos wechselnd mit Vertrauen –:

      O Trauer ohne Sinn, o Traum, o Grauen,

      o Tiefe ohne Grund.

      Und so zu spielen: Ball und Ring und Reifen

      in einem Garten, welcher sanft verblaßt,

      und manchmal die Erwachsenen zu streifen,

      blind und verwildert in des Haschens Hast,

      aber am Abend still, mit kleinen steifen

      Schritten nachhaus zu gehn, fest angefaßt –:

      O immer mehr entweichendes Begreifen,

      o Angst, o Last.

      Und stundenlang am großen grauen Teiche

      mit einem kleinen Segelschiff zu knien;

      es zu vergessen, weil noch andre, gleiche

      und schönere Segel durch die Ringe ziehn,

      und denken müssen an das kleine bleiche

      Gesicht, das sinkend aus dem Teiche schien –:

      O Kindheit, o entgleitende Vergleiche.

      Wohin? Wohin?

      Aus einer Kindheit

      Das Dunkeln war wie Reichtum in dem Raume,

      darin der Knabe, sehr verheimlicht, saß.

      Und als die Mutter eintrat wie im Traume,

      erzitterte im stillen Schrank ein Glas.

      Sie fühlte, wie das Zimmer sie verriet,

      und küßte ihren Knaben: Bist du hier?...

      Dann schauten beide bang nach dem Klavier,

      denn manchen Abend hatte sie ein Lied,

      darin das Kind sich seltsam tief verfing.

      Es saß sehr still. Sein großes Schauen hing

      an ihrer Hand, die ganz gebeugt vom Ringe,

      als ob sie schwer in Schneewehn ginge,

      über die weißen Tasten ging.

      Der Knabe

      Ich möchte einer werden so wie die,

      die durch die Nacht mit wilden Pferden fahren,

      mit Fackeln, die gleich aufgegangnen Haaren

      in ihres Jagens großem Winde wehn.

      Vorn möcht ich stehen wie in einem Kahne,

      groß und wie eine Fahne aufgerollt.

      Dunkel, aber mit einem Helm von Gold,

      der unruhig glänzt. Und hinter mir gereiht

      zehn Männer aus derselben Dunkelheit

      mit Helmen, die, wie meiner, unstät sind,

      bald klar wie Glas, bald dunkel, alt und blind.

      Und einer steht bei mir und bläst uns Raum

      mit der Trompete, welche blitzt und schreit,

      und bläst uns eine schwarze Einsamkeit,

      durch die wir rasen wie ein rascher Traum:

      Die Häuser fallen hinter uns ins Knie,

      die Gassen biegen sich uns schief entgegen,

      die Plätze weichen aus: wir fassen sie,

      und unsre Rosse rauschen wie ein Regen.

      Die Konfirmanden

(Paris, im Mai 1903)

      In weißen Schleiern gehn die Konfirmanden

      tief in das neue Grün der Gärten ein.

      Sie haben ihre Kindheit überstanden,

      und was jetzt kommt, wird anders sein.

      O kommt es denn! Beginnt jetzt nicht die Pause,

      das Warten auf den nächsten Stundenschlag?

      Das Fest ist aus, und es wird laut im Hause,

      und trauriger vergeht der Nachmittag...

      Das war ein Aufstehn zu dem weißen Kleide

      und dann durch Gassen ein geschmücktes Gehn

      und eine Kirche, innen kühl wie Seide,

      und lange Kerzen waren wie Alleen,

      und alle Lichter schienen wie Geschmeide,

      von feierlichen Augen angesehn.

      Und es war still, als der Gesang begann:

      Wie Wolken stieg er in der Wölbung an

      und wurde hell im Niederfall; und linder

      denn Regen fiel er in die weißen Kinder.

      Und wie im Wind bewegte sich ihr Weiß,

      und wurde leise bunt in seinen Falten

      und schien verborgne Blumen zu enthalten –:

      Blumen und Vögel, Sterne und Gestalten

      aus einem alten fernen Sagenkreis.

      Und draußen war ein Tag aus Blau und Grün

      mit einem Ruf von Rot an hellen Stellen.

      Der Teich entfernte sich in kleinen Wellen,

      und mit dem Winde kam ein fernes Blühn

      und sang von Gärten draußen vor der Stadt.

      Es war, als ob die Dinge sich bekränzten,

      sie


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