Die Höhlenkinder im Steinhaus. Sonnleitner Alois Theodor

Die Höhlenkinder im Steinhaus - Sonnleitner Alois Theodor


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sie mit dem Anschlagkamm aneinandergeschoben werden.

      Endlich war der Erfinder mit dem neuen Gerät zufrieden und übergab es Eva. Sie machte große Augen, dankte und sprach vor sich hin: »So hab ich‘s mir auch gedacht.« Peter mußte lachen. Sie hatte sich‘s auch so gedacht! Mehr als ihr karger Dank freute ihn, daß sie sofort zu weben begann. Es ging so lange gut, bis die vom Zug des Webkammes gedehnten Zweierfäden schlaff wurden. Da half sie sich, indem sie alles Garn mit einem klebrigen Brei aus Kastanienmehl und Wasser anfeuchtete und trocknen ließ. Das machte die Fäden straffer und widerstandsfähiger. Was sie dann mit Geduld und Sorgfalt zustande brachte, war ein steifes Gewebe von der Breite einer Armlänge. Solche Webstücke konnte sie aneinandernähen und Kleider daraus machen! Vorher aber mußte das Gewebe durch Bürsten mit Weberkarden aufgerauht und der trockene Kleister daraus entfernt werden. Jetzt erst war das Zeug geschmeidig und dicht.

      Peter trachtete, die ungleiche Spannung des Garns überhaupt zu verhindern. Unverdrossen baute er einen neuen Webrahmen, dessen Breitenhölzer an den Enden Falze bekamen. Mit diesen umfaßten sie die Innenseiten der Längshölzer und konnten an ihnen nach außen geschoben und durch Holznägel festgesteckt werden.

* * *

      Der rauhe Winter war schon fast vorbei. Die untergehende Sonne hatte sich dem Winterhorn genähert, und der Tag der Sonnwende stand bevor. Die Eisdecken des Moorsees und des Klammbachsees gleißten im Widerschein des tiefstehenden Sonnenballs. Peter, der sich nun ganz gesund fühlte, rüstete sich, die Bären zu belagern und erging sich in großartigen Reden. Schon teilte er die Bärenfelle zwischen Eva und sich.

      Da nahm sie sich ein Herz, faßte seine Rechte mit beiden Händen und sprach mit einem Ernst, der ihn aufhorchen ließ: »Die Sonne ist am Winterhorn. Morgen ist Sonnwend. Komm mit mir nach den alten Höhlen. Dort zünd ein Feuer an, und vor dem Sonnenbild dank dem Herrgott, daß er dich und mich erhalten hat.«

      Peters Gesicht hellte sich auf.

      »Und dort sag laut, daß du immer mit mir gut sein willst — immer gut, hörst du? Auch ich werde geloben, daß ich dein gutes Weib sein werde, solange ich lebe. Sag, Peter, willst?«

      Da drückte er ihre Rechte, und mit aller Entschlossenheit sprach er schlicht und laut: »Ja, Eva!«

      Am nächsten Tage fuhren sie, mit ihren besten Pelzen angetan, über die blanke Eisdecke des Klammbachsees. Eva saß auf dem Schlitten, die Stirnbinde mit bunten Federn und Ebereschendolden geschmückt, vor sich den Feuertopf, dem bläulicher, nach Wacholderbeeren duftender Rauch entstieg; und Peter lief auf seinen knöchernen Schlittschuhen hinter dem Schlitten her. Er trieb ihn vorwärts, die Arme gegen die Rückenlehne gestemmt, die er aus einem armdicken Waldrebenbogen hergestellt hatte.

      Am Sonnstein angelangt, verließen sie das Eis, sammelten am Rande des Urwalds dürres Holz und schichteten es vor den alten Höhlen auf. Als der feurige Sonnenball sich zum Gipfel des Winterhorns senkte, züngelten die ersten Flammen an den harzigen Nadeln empor. Gerötet vom Widerschein der untergehenden Sonne, umweht vom würzig duftenden, bläulichen Rauch standen die groß gewordenen Kinder des Heimlichen Grunds Hand in Hand. Dann stiegen sie zum Heiligtum in Evas alter Höhle auf.

      Vor dem Sonnenbild knieten sie nieder.

      Eva begann feierlich vorzusprechen, und Peter sprach ihr Satz für Satz nach: »Gott, du hast uns vor den Menschen da draußen errettet — wir danken dir. Du hast uns am Leben erhalten, als die Wasser kamen — wir danken dir. Du hast uns die Gewalt gegeben, uns der Bären und der Geier zu erwehren — wir danken dir!

      Vater! Wir sehen dich nicht, aber wir sehen, was du hast werden lassen und werden läßt. So erkennen wir dich. Du gibst allen deinen Geschöpfen Licht und Wärme durch deine Sonne.

      Dein Hauch bringt die Wolken. Sie tränken die Erde und laben alles Lebendige. Du läßt alle satt werden von dem, was du erschaffen hast. Dein Atem durchweht auch uns. Du willst das Leben und liebst alles Lebendige. Du bist unser Vater, wir sind deine Kinder. Wir lieben dich, wir wollen, daß du an uns Freude habest. Darum tun wir, was dein Wille ist. Wie du gut bist zu allem, was da lebt, wollen auch wir gut sein einer dem andern. Was dem einen gehört, gehöre dem andern. — In Arbeit, in Schmerz und Leid wollen wir uns beistehen bis zum Tode!«

      Eva faßte Peters Rechte und hielt sie umklammert. Seine Hand erwiderte den Druck der ihren. Peter und Eva küßten sich.

      So war vor Gott der Ehebund geschlossen worden.

      Feuer dran!

      Von nun an lebte Eva als Peters Frau in seiner geräumigen Hütte. Ihr verlassenes Heim diente als Vorratshaus für Heu und Brennholz. Da Peter sich Evas Fröhlichkeit erhalten wollte, achtete er auf ihr Mienenspiel. Aus ihrem Gesicht las er unwillkürlich Zustimmung oder Ablehnung. Evas Gefühl für das, was sich gehört, ging auch in Peters Wesen über. Ihrem Sinn für das Schöne, von dem ja Ordnung und Sauberkeit untrennbar sind, versuchte Peter sich anzupassen. Der tägliche Gebrauch von Seifenbrei und Kamm wurde auch ihm zum Bedürfnis. Beim Essen aus gemeinsamer Schüssel strich er sich das Mus nicht mehr mit der Hand in den Mund, sondern benützte den plumpen irdenen Löffel. Auch die Fleischbrocken schob er nicht mehr mit der Hand in den Mund, sondern spießte sie auf ein spitzes Stäbchen. Wenn Eva morgens und abends mit Gott und den Ahnen Zwiesprache hielt, war Peter zwar nur schweigsamer Gefährte, aber er dachte mit, was sie sprach, und wurde unter Evas Einfluß anders, ruhiger, ordentlicher.

      Sein niederes Bett, unter dem noch nie hervorgekehrt worden war, so daß der Igel dort stets erfolgreich nach Asseln gejagt hatte, ersetzte Peter durch ein kniehohes, vierbeiniges Bettgestell. Unter dem konnte Eva täglich saubermachen. Für die Koch- und Vorratsgefäße brachte er an der Wand breite Borde an, die er mit seinen Bronzekeilen aus Fichtenholz gespalten und mit der Axt behauen hatte. Damit die Asche nicht mehr im Wohnraum herumlag und zertreten wurde, führte er um die Feuerstelle eine fast kniehohe Mauer auf. Im Herdwinkel stellte er die Bildstöckel der Ahnen auf und hängte die brennende Ampel davor. Während Eva alle Risse im Lehmbelag der Wände verstrich, bereitete er aus gebranntem Kalk einen Topf voll Kalkmilch, mit der sie den Anstrich der Wände erneuerte. Am Herd fügte er zwei Bänke im Winkel aneinander. Die Mergelscheibe, die ihm bisher als Tischplatte gedient hatte, wenn er, auf dem Boden hockend, aß, versah er mit vier hüfthohen Füßen und stellte den so entstandenen Tisch vor den Bänken auf; ein warmer, bequemer Platz zum Arbeiten, Essen und Schwätzen war geschaffen.

      Fröhlich verrichtete Eva ihre häuslichen Arbeiten. Als Peter seine Jagdgänge wieder aufnahm, gab es frisches Wildbret, einmal sogar eine Wildgans, die er über dem Moor abgeschossen hatte. Seit Eva Peters Frau war, bereitete sie die Mahlzeiten mit erfinderischer Liebe, denn ihr Mann hielt viel auf gutes Essen. Ob sie auf dem flachen Mahlstein den granitenen Quetscher über Kastanien oder Schwadenkorn hin und her führte, ob sie mit dem Küchenschlegel Fleisch weichklopfte oder, vor dem Herde kauernd, mit einem Gänseflügel die Glut anfachte, sie freute sich darauf, ihren Mann schmausen zu sehen.

      Bald kamen Stürme auf, die schwer lastende Schneemassen antrieben. Das Dach der Wohnstube bog sich durch, und der Schilfhut über dem Rauchloch wurde abgerissen.

      Höchste Zeit, ein anderes, besseres Heim zu finden! Peter entschloß sich, die Bärenhöhlen zu erobern. Ehe er daran ging, die noch im Winterschlaf befangenen Bewohner durch Feuer und Rauch zu ersticken oder zu vertreiben, forschte er nach, ob die Höhlen irgendwo oben noch einen Ausgang hätten. Vom Moorbachursprung kletterte er mühsam über die Schichten der Kalkfelsen und gelangte an ein verlassenes schmales Bachbett, das sich nach rechts, den Bärenhöhlen zu, senkte. Je weiter er darin abwärts ging, desto dünner wurde die Schneedecke des Geröllbodens. Dort, wo das Rinnsal in einen Felsspalt mündete, war aller Schnee weggeschmolzen. Aus dem unten breiteren, oben schmaleren Durchlaß stieg ein lauer Hauch herauf; er roch nach schimmeliger Losung.

      Aha, diese Windluke da war der obere Ausgang der Bärenhöhlen! Vergebens versuchte Peter, auf allen vieren kriechend, sich hier durchzuzwängen. Wenn er in der untersten Höhle ein Feuer anfachte, könnten die vor dem Gluthauch flüchtenden Bären wohl bis hierher gelangen, aber hinaus könnten sie nicht, auch unten nicht; denn kein Tier geht durch Feuer! In Gedanken versunken, machte sich Peter auf den Heimweg.

      Föhnwetter


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