Alarm. Alfred Schirokauer

Alarm - Alfred Schirokauer


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um diese Versetzung nach London gebeten«, sagte sie mit einem verächtlichen Ton auf dem letzten Worte. »Ich habe lediglich, als Seine Majestät und der Minister in einem Gespräche andeuteten, wir würden nun wohl bald Madrid verlassen, geäußert, ich würde mich freuen, wenn das Ziel deiner neuen Entsendung England wäre.«

      »Weshalb?« hieb Breton ihr entgegen.

      »Weil ich England liebe.«

      »Auf einmal? Merkwürdig! Von dieser großen Liebe habe ich bisher nie etwas gemerkt.«

      »Du hast sehr vieles an mir bisher nicht bemerkt«, entgegnete sie bitter und anzüglich.

      Der Herzog überging diesen peinlichen Vorwurf. Er bog ab.

      »Du willst mir einreden«, höhnte er, »eine Frau liebe jemals ein Land, ein Volk?«

      »Ich habe nicht den Ehrgeiz, dich zu einem Sachverständigen in Dingen der Frauenpsyche zu machen«, antwortete sie und zuckte die Achseln.

      »Mag sein. Jedenfalls weiß ich, daß eine Frau ein Land immer nur liebt – wegen eines Mannes, der diesem Lande angehört oder sich dort aufhält.«

      »Du überraschst mich durch deine tiefe Frauenkenntnis«, lächelte sie überheblich.

      Ihr Lächeln reizte ihn aufs neue. »Ich weiß auch, wer dieser Mann ist, um dessentwillen du England so explosiv liebst«, schrie er.

      Sie fühlte, wie sie erblaßte. Bot alle Kraft ihres starken Willens auf, unberührt zu erscheinen. »Ich bin sehr neugierig«, sagte sie, und es gelang ihr, der Stimme ihren natürlichen, gleichgültigen Klang zu geben.

      »Es war nicht sehr schwer, das herauszufinden«, bekannte er herablassend. »Ich brauchte nur festzustellen, wer von den Männern, die jetzt in London sind, damals in Tokio waren, als du an mich jene wahnsinnige Forderung wagtest.«

      Da schwieg sie. Ihre mühsam errungene Sicherheit war plötzlich entwurzelt. Er wußte alles!

      Doch jetzt überkam sie der Trotz der Liebe. Mochte er wissen! Desto besser. Desto rascher die Entscheidung. Sie verlor jede Vorsicht. Kämpfte nun mit offenem Visiere.

      »Du hast wahrhaftig keine Ursache, dich zu wundern und den Moralhelden zu spielen, wenn ich dir untreu würde«, rief sie in weißglühender Empörung.

      »Ich habe keine Ursache?!«

      Ihr halbes Geständnis warf ihn über den Haufen.

      »Weiß Gott nicht!«

      »Was sagst – du – da?!« stammelte er.

      Er hatte in Wahrheit doch nicht an einen Grund seiner Eifersucht geglaubt, trotz aller großen grimmigen Worte.

      »Ich sage, daß ich ein Recht habe, dich zu betrügen«, erwiderte sie kühn.

      »Ein Recht?!« fauchte er. »Welches Recht?!«

      »Soll ich dir das erst erläutern?« rief sie außer sich.

      »Bitte!«

      Da brach sie aus. »Seit sechs Jahren bin ich nicht mehr dein Weib.«

      »Mein Weib nicht«, rief er betont, »aber die Herzogin Breton de Los Herreros bist du.«

      »Darauf pfeif ich!«

      Vor ihrer Heftigkeit wurde er beherrscht.

      »Du ergehst dich in Ausdrücken einer Frau aus der Hefe des Volkes«, tadelte er hochmütig.

      »Es scheint eben auch alte Geschlechter zu geben«, spottete sie, »die noch nicht ganz degeneriert und verbraucht sind – deren Mitglieder noch das rote Blut, den Saft und die Kraft einer Frau aus der Hefe des Volkes haben.«

      Die Parade entwaffnete ihn. Des Herzogs bewegliches Südländergesicht erstarrte. Es dauerte einige Zeit, bis er das innere Gleichgewicht und die Sprache wiedergewonnen hatte.

      »Du suchst deine Schuld hinter Pöbeleien zu verstecken«, verwies er mokant. »Ich nehme das nicht so tragisch. Beleidigen kannst du mich nicht. Es ist die Semitin, die aus dir spricht.«

      Sie lachte heiser auf. »Eine temperamentvolle kleine Prinzessin muß sie gewesen sein, diese Omajjadin, daß sie nach sechshundert Jahren noch so lebendig aus mir spricht. Schade, daß ihr Bretons nicht auch eine so ausgiebige Ahnfrau gehabt habt!«

      Ohne auf ihren Spott zu achten, fuhr er fort: »Aus dir höhnt nur dein ohnmächtiger Zorn, daß ich hinter deine Schliche gekommen bin. Aber das sage ich dir: merke ich die geringsten Beziehungen zwischen dir und diesem Laffen Lord Hastings —«

      Sie horchte auf. Er mißverstand das jähe Heben ihres Kopfes.

      »Ja, ja, Lord Hastings! Ich habe wohl gemerkt, wie er sich in Tokio um dich bemüht hat. Jetzt ist er hier im Auswärtigen Amt. Ich durchschaue euch. Aber wehe dir, wenn ich das Geringste zwischen euch merke. Dann töte ich dich und ihn. Wenn meine Karriere zum Teufel gehen soll, zertrete ich sie selbst, ehe du mich der Lächerlichkeit preisgibst und sie mir verdirbst.«

      Sie hörte kaum noch seine Worte. In ihr jubelte es, alles andere übertönend.

      Er war auf falscher Fährte!

      Alles war gerettet. Alles war gut. Verwegen, wie ihr Ahnherr, der Räuber der schönen Kalifentochter, hielt sie ihn auf der unrichtigen Spur.

      »Hüte dich!« – warnte er noch einmal ernst und schicksalsschwer.

      Sie lächelte ihn keck an. »Lord Hastings ist ein – Mann. Und eine Frau aus der Hefe des Volkes kann man nicht durch leere Drohungen einschüchtern«, warf sie ihm hochfahrend über die Schultern zu und ging hinaus.

      6

      Trotz Angelitas ungeduldigem Verlangen und Rutlands entschlußfroher Sehnsucht dauerte es lange, bis sie sich wiedersahen. Tagsüber arbeitete er in seinem Büro im Verwaltungspalaste der Killick & Ewarts-Werke, während sie von den zahllosen Pflichten einer großen Dame der Gesellschaft gehetzt und getrieben wurde. Visiten, Empfänge, Theater, Konzerte, Diners, Bälle forderten jetzt in der »Season« ihre Kraft und Teilnahme bis in die späte Nacht. Suchte sie sich einer dieser Veranstaltungen zu entziehen, um einen Abend der Freiheit zu gewinnen, erweckte sie sofort den spürenden Verdacht des Herzogs. Er sagte dann ebenfalls kurz entschlossen ab und wich nicht aus dem Hause. Auch sonst gewahrte sie an vielem seine spionierende Überwachung.

      Dennoch gelang es ihr, den Geliebten täglich auf kurze Augenblicke telephonisch zu sprechen. Bald rief sie ihn im Büro, bald abends in seiner Wohnung an, wie die Gelegenheit sich bot. Nur kurze konventionelle Worte, doch sie hörten gegenseitig ihre Stimmen, fühlten über die trennende Entfernung hin das Leben und die Nähe des anderen. Und empfanden auch sonst zu allen Stunden die umtastenden, nahen, liebkosenden Gedanken, die einander suchten und fanden.

      Angelitas Ungestüm umgürtete sich mit einer zähen, krampfhaften Geduld. Sie wollte die Beichte des Geliebten hören. Ohne Zaudern und Schwanken erwartete sie ihren Tag. Sie wußte, daß er ihr und sie ihm gehören würde, wenn durch sein offenes Bekenntnis alle Hemmungen zwischen ihnen verscheucht, das lähmende Gespenst aus seinem Hirn und Herzen vertrieben war. Dann würde er frei und bereit sein für bedenkenlose Liebe und ein Glück ohne Ballast und Schwere. Dann würde er mannhaft handeln. Vielleicht mit ihr fliehen. Vielleicht bleiben und allem gesellschaftlichen Aufruhr und Entsetzen trotzen. Sie wußte es nicht. Sie vertraute ihm. Nur eins war ihr gewiß, daß dann endlich, nach diesen verflossenen Jahren des Harrens, das Leben, das tiefste, wahre Leben des Glückes mit ihm beginnen würde. In dieser Zuversicht war sie getrost und wollte diese kurze Spanne Zeit bis zu diesem alles lösenden Augenblicke in Geduld und Vorsicht und beherrschter Fassung ertragen.

      Am Tage vor ihrer ersten großen Gesellschaft rief sie ihn an.

      Der Herzog hatte auch bei den Spitzen der englischen Wirtschaft Karten abwerfen lassen. Zu diesen gehörte der Präsident von Killick & Ewarts, dieser wichtige Faktor in der Land- und Seerüstung Spaniens. Nach dem Marokkokriege hatte das Kriegsministerium in Madrid den größten Teil der Neuarmierung des Heeres und der Flotte von der englischen Weltfirma bezogen.

      Rutland hatte bald darauf seine Visitenkarte in Halkinstreet durch den Butler Wisdom abgeben lassen.

      So


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