Von Bagdad nach Stambul. Karl May

Von Bagdad nach Stambul - Karl May


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wirst du ihn entlassen?«

      »Sobald es ohne Gefahr geschehen kann.«

      »Bedenke, daß er eigentlich mir gehört. Ich hoffe, daß mein ihm gegebenes Wort nicht zu Schanden werde!«

      »Was würdest du tun, wenn das Gegenteil geschähe?«

      »Ich würde einfach dich —«

      »Töten?« fiel er mir in die Rede.

      »Nein. Ich bin ein Franke, das heißt, ich bin ein Christ; ich töte nur dann einen Menschen, wenn ich mein Leben gegen ihn verteidigen muß. Ich würde dich also nicht töten, aber ich würde die Hand, mit welcher du dein Versprechen mir bekräftigt hast, zu Schanden schießen. Der Emir der Bejat wäre dann wie ein Knabe, der kein Messer zu führen versteht, oder wie ein altes Weib, auf dessen Stimme nichts gegeben wird.«

      »Herr, wenn mir das ein Anderer sagte, so würde ich lachen; euch aber traue ich es zu, daß ihr mich mitten unter meinen Kriegern angreifen würdet.«

      »Allerdings täten wir das! Es ist keiner unter uns, der sich vor deinen Bejat fürchten möchte.«

      »Auch Mohammed Emin nicht?« erwiderte er lächelnd.

      Ich sah mein Geheimnis verraten, aber ich antwortete gleichmütig:

      »Auch er nicht.«

      »Und Amad el Ghandur, sein Sohn?«

      »Hast du jemals vernommen, daß er ein Feigling sei?«

      »Nie! Herr, wäret ihr nicht Männer, so hätte ich euch nicht bei uns aufgenommen; denn wir reiten auf Wegen, welche gefährlich sind. Ich wünsche, daß wir sie glücklich vollenden!«

      Der Abend brach herein, und eben, als es so dunkel wurde, daß es die höchste Zeit zum Lagern war, gelangten wir an einen Bach, der aus einem Labyrinth von Felsen in das Freie sich ergoß. Dort lagerten die vier Bejat, welche uns vorausgeritten waren. Der Khan stieg ab und trat zu ihnen, um sich längere Zeit leise mit ihnen zu unterhalten.

      Warum tat er so heimlich? Hatte er etwas vor, was nur sie allein wissen durften? Endlich gebot er seinen Leuten, abzusteigen. Einer der vier schritt uns voran, in das Felsengewirr hinein. Wir führten die Pferde hinter uns und gelangten nach einiger Zeit in eine große, ganz von Felsen eingeschlossene freie Rundung. Dieser Ort war das sicherste Versteck, das jemals gefunden werden konnte, freilich viel zu klein für zweihundert Mann und deren Pferde.

      »Bleiben wir hier?« fragte ich.

      »Ja,« antwortete Heider Mirlam.

      »Aber nicht alle!«

      »Nur vierzig; die andern werden in der Nähe lagern.«

      Diese Antwort mußte mich zufriedenstellen; nur wunderte es mich, daß trotz der Sicherheit unserer Lage kein Feuer angebrannt wurde. Dies fiel auch den Gefährten auf.

      »Schöner Platz!« sagte Lindsay. »Kleine Arena. Nicht?«

      »Allerdings.«

      »Aber feucht und kalt hier am Wasser. Warum nicht Feuer anmachen?«

      »Weiß es nicht. Vielleicht sind feindliche Kurden in der Nähe.«

      »Was aus ihnen machen? Niemand kann uns sehen. Hm! Gefällt mir nicht!«

      Er warf einen zweifelhaften Blick auf den Khan, welcher mit dem sichtlichen Bestreben, von uns nicht gehört zu werden, zu seinen Leuten redete. Ich setzte mich zu Mohammed Emin, welcher auf diese Gelegenheit gewartet zu haben schien, denn er fragte mich sofort:

      »Emir, wie lange bleiben wir bei diesen Bejat?«

      »So lange es dir beliebt.«

      »Ist es dir recht, so trennen wir uns morgen von ihnen.«

      »Warum?«

      »Ein Mann, der die Wahrheit verschweigt, ist kein guter Freund.«

      »Hältst du den Khan für einen Lügner?«

      »Nein; aber ich halte ihn für einen Mann, der nicht alles sagt, was er denkt.«

      »Er hat dich erkannt.«

      »Ich weiß es; ich habe es an seinen Augen gesehen.«

      »Nicht bloß dich, sondern auch Amad el Ghandur.«

      »Das ist leicht zu denken, da mein Sohn die Züge seines Vaters trägt.«

      »Macht dir dies vielleicht Sorgen?«

      »Nein. Wir sind Gäste der Bejat geworden, und sie werden uns nicht verraten. Aber warum haben sie diesen Bebbeh gefangen genommen?«

      »Damit er unsere Anwesenheit nicht verraten kann.«

      »Warum soll sie nicht verraten werden, Emir? Was haben zweihundert bewaffnete und gut berittene Reiter zu fürchten, wenn sie keinen Troß bei sich haben, weder Weib noch Kind, weder Kranke noch Greise, weder Zelte noch Herden? In welcher Gegend befinden wir uns, Effendi?«

      »Wir sind inmitten des Gebietes der Bebbeh.«

      »Und er wollte zu den Dschiaf? Ich habe wohl bemerkt, daß wir immer gegen Mittag ritten. Warum teilt er heute die Leute in zwei Lager? Emir, dieser Heider Mirlam hat zwei Zungen, obgleich er es ehrlich mit uns meint. Wenn wir uns morgen von ihm trennen wollen, welchen Weg schlagen wir dann ein?«

      »Wir haben die Berge des Zagros zu unserer Linken. Die Distriktshauptstadt Banna liegt ganz in unserer Nähe, wie ich vermute. Geht man an ihr vorüber, so kommt man nach Amehdabad, Bija, Surene und Bayendereh. Hinter Amehdabad öffnet sich ein Paß, welcher durch einsame Schluchten und Täler nach Kizzelzieh führt. Dort hat man die Hügel von Girzeh und Sersir zur Rechten, ebenso die kahlen Berge von Kurri-Kazhaf; man gelangt an die beiden Wasserläufe Bistan und Karadscholan, welche sich mit dem Kizzelzieh vereinigen und in den Kiuprisee fallen. Haben wir diesen erreicht, so sind wir geborgen. Dieser Weg ist freilich beschwerlich.«

      »Woher weißt du dies?«

      »Ich habe in Bagdad mit einem Bulbassi-Kurden gesprochen, welcher mir diese Gegend so gut beschrieb, daß ich mir eine kleine Karte anfertigen konnte. Ich glaubte nicht, sie brauchen zu können, habe sie aber doch hier in mein Tagebuch gezeichnet.«

      »Und du meinst, daß es gut sei, diesen Weg einzuschlagen?«

      »Ich habe mir auch andere Orte, Berge und Flüsse aufgezeichnet, halte diesen Weg aber für den besten. Wir könnten entweder nach Sulimania oder über Mik und Doweiza nach Sinna reiten, wissen aber nicht, welche Aufnahme wir dort finden.«

      »So bleibt es dabei: – wir trennen uns morgen von den Bejat und ziehen über die Berge nach dem See von Kiupri. Wird dich deine Karte nicht täuschen?«

      »Nein, wenn mich der Bulbassi nicht getäuscht hat.«

      »So laß uns ruhen und schlafen! Die Bejat mögen tun, was ihnen beliebt.«

      Wir tränkten unsere Pferde am Bache und sorgten für das notwendige Futter. Dann legten sich die Andern gleich zur Ruhe, während ich den Khan aufsuchte.

      »Heider Mirlam, wo sind die andern Bejat?«

      »In der Nähe. Warum fragest du?«

      »Bei ihnen ist der gefangene Bebbeh, den ich sehen möchte.«

      »Warum willst du ihn sehen?«

      »Es ist meine Pflicht, weil er mein Gefangener ist.«

      »Er ist nicht dein, sondern mein Gefangener; denn du hast ihn mir übergeben.«

      »Darüber wollen wir uns nicht streiten; aber ich möchte doch nachsehen, wie er sich befindet.«

      »Er befindet sich gut. Wenn Heider Mirlam dies sagt, so ist es wahr. Sorge dich nicht um ihn, Herr, sondern setze dich zu mir, und laß uns eine Pfeife Tabak rauchen!«

      Ich folgte seinem Worte, um ihn nicht zu erzürnen, verließ ihn aber sehr bald wieder, um mich niederzulegen. Warum sollte ich den Bebbeh nicht sehen? Schlecht behandelt wurde er nicht; dafür bürgte mir das Wort des Khan. Dieser aber wurde jedenfalls von einem Grunde geleitet, den mein mangelhafter Scharfsinn nicht zu entdecken vermochte.


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