Narzißmus als Doppelrichtung. Andreas-Salomé Lou
Urzustandes, erhöht sich daran unter Umständen masochistisch, sowohl den körperlichen Schmerz als auch die Situation der Demütigung bejahend. Dem Ich gegenüber also widerspruchsvoll, da: »die Verkehrung der Aktivität in Passivität und Wendung gegen die eigene Person eigentlich niemals am ganzen Betrag der Triebregung vorgenommen wird«. (Freud, Trieb und Triebschicksale.) Eben dieses Paradoxon des Erlebens rückt jedoch erst voll ins Licht, inwiefern dem Narzißmus ein Doppelvollzug von Selbstbehauptung und von Schwelgen in noch Uneingegrenztem ur- und eigentümlich sei, wie Freud ja überdies zugibt, wir hatten: »allen Grund anzunehmen, daß auch Schmerz, wie andere Unlustempfindungen, auf die Sexualerregung übergreifen und einen lustvollen Zustand erzeugen, um deswillen man sich auch die Unlust7 des Schmerzes gefallen lassen kann« (wenn Freud auch am sekundären Charakter des Masochismus festhalten will, als einer Reaktion auf vorangegangene, hinterdrein gleichsam nach Sühneschmerz verlangende Übergriffe). Innerhalb weiblich gerichteter Libido meine ich übrigens etwas vom sexuellen Urausdruck nicht nur verdeutlicht zu sehen in der Verschärfung zum masochistischen Zug, wo ja, ob auch negativ, das Ich als schmerzbedingendes, immerhin noch bedeutungsvoll mitwirkt; der Rückschub ins Passive gewährt überdies nämlich auch den erogenen Zonen dauernd ihren ursprünglichen Spielraum, als – gegenüber dem Vorstoß ins Aktive – dem Prinzip des Aufhaltenden, Verweilenden, also jener Zärtlichkeit, die hochgeeignet zur Beseelung, seelischen Verfeinerung der Leibesvorgänge, doch diese zugleich an ihre Kindergewohnheiten bindet; an infantile Erogenität des Gesamtleibes, an noch nicht punktuell einbezirkten Allkontakt sozusagen. Und endlich und nicht zum wenigsten, ist es der beharrende Überrest der Klitorissexualität selber, der, fürs Genitalziel überflüssig geworden, am Weibe sich an seinem infantilen Rückstand, sei es kindlicher oder kindischer, auslebt, bis – ja vielleicht bis das Weib »das Kind« aus sich in die Welt hinausgeboren hat. Auf diesem Höhepunkt weiblicher Erfahrung aber, steht sie, die Erzeugerin, Ernährerin, Erzieherin des Kindes zugleich dem Wachstum ins Männliche nahe: ihrem Stück Aktivität, darin fast doppelgeschlechtlich ergänzt, und eben drum wieder ins Urnarzißtische zurückgerundet, wie es auf der ganzen Welt sich nur ermöglicht im Bild der Mutter, die, sich selbst fortgebend, sich selbst an der Brust hält. Entsprechend dem Penis-Neid des Weibes findet man deshalb nicht selten beim Mann jenes Sichselbst-Wiedergebärenwollen (das sowohl zu unterscheiden wäre vom Zurückwollen in die geliebte Mutter = Gebärerin, als auch vom »inzestuosen Sich-eigner-Vaterseinwollen«); nach einigen Beobachtungen, die mir vorliegen, glaube ich darin eine weiblich umgemodelte Klitoris-Betonung zu sehen, indem ja, nach infantiler Annahme von der Analerotik her, die Klitoris auch etwas vom Leibe Ablösbares (den »Lumpf« aus Freuds bekannter Kinderanalyse) bedeutet, wie es in mancher (natürlich nicht jeglicher) Schwangerschaftsphantasie männlicher Neurotiker sich ebenfalls Ausdruck schafft. Ich komme aber darauf, weil mir mehrfach auffiel, wie Mannbarwerden des Knaben zunächst als Bedrängtwerden von Fremdem empfunden wurde: als vergewaltigendes Außer-einem8, das man in sich hineinzwingen, sich einverleiben möchte zu Besitz statt Besessenheit; bevor das »Zuviel« der Libido auf die Abfuhr ans Objekt verfällt, macht sie in solchen Fällen sich bemerkbar fast gleich einer Schädigung der narzißtischen Selbstliebe, der Einheit von Libido und Ich: erst an der Objektbesetzung einen die beiden sich dann neu in der Gemeinsamkeit ihres Entzückens am Objekt.
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