Gräfin Elisa von Ahlefeldt, die Gattin Adolphs von Lützow, die Freundin Karl Immermann's. Assing Ludmilla
mit Künstlern, Gelehrten, Militairs, Kaufleuten und Seefahrern, und erweiterte ihren Gesichtskreis, indem sie sich von fremden Ländern, Gegenden und Zuständen erzählen ließ. Ihrer Beobachtung konnte es hiebei nicht entgehen, daß feine Bildung und gründliche Kenntnisse nicht immer vorzugsweise auf Seiten der Vornehmen waren. Eine alte Gräfin aus Holstein, die wenig von ihrem Gut gekommen war, und bei ihrem Besuche auf dem Schlosse, als sie den Mohren des Grafen bei der Tafel aufwarten sah, ängstlich zusammenfuhr und leise fragte: »Färbt der Mensch auch ab?« war wohl nicht das einzige Beispiel von Unwissenheit, welches Elisa unter der hohen Aristokratie wahrnahm, während sie aus dem Verkehr mit dem intelligenten Mittelstand viel mehr Belehrung und Anregung zog. Marianne Philipi hatte, um Elisa vor Eitelkeit zu bewahren, ihr oft versichert, die Herren pflegten junge Damen nur dann mit leeren Schmeicheleien zu unterhalten, wenn sie ihnen nicht Geist und Verstand genug zutrauten, um mit ihnen über ernstere Dinge zu reden. Als daher eines Tages ein vornehmer Herr ihr seine ziemlich faden Huldigungen darbrachte, und sich davon den günstigsten Eindruck versprach, fühlte sich das junge Mädchen bitter gekränkt, und rief in naiver Empörung: »Wie so halten Sie mich denn für so einfältig, daß Sie meinen, mich nicht von interessanteren Gegenständen unterhalten zu dürfen?« –
Wie sehr Elisa überall gefiel, ahnte sie selbst nicht; unschuldig und bescheiden, war sie immer erstaunt und überrascht, wenn ihr irgendwo besondere Verehrung entgegentrat. Daß sie schon von ihrem zwölften Jahre an die zärtliche Neigung eines ausgezeichneten Mannes erregte, beweist uns ein Brief des hannöverischen damaligen Obersten Karl von Alten, der später als Führer der hannoverschen Truppen in Portugal und Spanien sich großen Ruhm erwarb, dann 1815 in der Schlacht von Belle-alliance, wo er eine schwere Verwundung erlitt, sich auszeichnete, und als General in den Grafenstand erhoben wurde. Er starb erst 1840, und sein ehernes Standbild, welches von Kümmel entworfen und 1848 auf dem Waterlooplatz zu Hannover aufgestellt wurde, feiert sein Andenken. Karl von Alten, damals einundvierzig Jahre alt, schrieb an die noch kaum fünfzehnjährige Elisa aus Hamburg den 29. August 1805 die folgenden Zeilen, die eben so viel zarte Achtung als leidenschaftliche Ergriffenheit aussprechen, und von dem Schreiber, wie von der noch so überaus jungen Empfängerin die vortheilhafteste Vorstellung erwecken: »Gnädigste Gräfin! In dem Augenblick, da das traurige Schicksal, das mein Vaterland betroffen, mich veranlaßt dasselbe zu verlassen und nach England zu gehen, hoffe ich Verzeihung zu erhalten, wenn ich Sie, gnädigste Gräfin, mit denjenigen Gesinnungen bekannt zu machen wage, die beinahe seit drei Jahren mein ganzes Wesen erfüllen. Alles das Gute, was ich von allen denen, die das Glück haben Sie zu kennen, erfahren hatte, mochte wohl Veranlassung sein, daß meine erste Bekanntschaft mit Ihnen auch den Grund zu einer Leidenschaft legte, die keine Zeit und keine Abwesenheit hat auslöschen, sondern vielmehr nach einer näheren Kenntniß Ihres fürtrefflichen Charakters zum Nachtheil meiner Ruhe nur zu sehr zugenommen hat. Ihre damalige Jugend, und nachher die mißliche Lage meiner Gesundheit machten es mir zur Pflicht zu schweigen, und meine Empfindungen, so schwer es mir auch ward, in mich zu verschließen. Auch noch jetzt, obgleich diese Hindernisse gehoben sind, und meine Gesundheit längst völlig wiederhergestellt ist, erlaubt mir meine jetzige Lage nicht, etwas Entscheidendes über mein künftiges Glück von Ihnen, noch von Ihren theuren Eltern zu hoffen. Alles was ich jetzt von Ihrer edlen Denkungsart erwarten darf, ist bloß die Versicherung, daß Sie meine freimüthigen Aeußerungen nicht beleidigen, und wenn ich das Glück habe, Ihnen nicht ganz gleichgültig zu sein, mir nicht alle Hoffnungen zu benehmen, im Fall glücklichere Zeiten wieder eintreten sollten. Verzeihen Sie, theuerste Gräfin, die offene, ungekünstelte Sprache eines Soldaten, es war mir aber unmöglich länger zu schweigen, es war durchaus nothwendig zu meiner Beruhigung, daß ich Ihnen mein Herz eröffnete. Nur aus diesem Grunde verspreche ich mir Ihre gnädige Nachsicht, und wenn mein hartes Schicksal es auch wollte, bei Ihnen diejenigen Gesinnungen nicht anzutreffen, die mich zum glücklichsten Menschen machen würden, so hoffe ich wenigstens daß Sie mich Ihrer Achtung nicht unwerth halten werden.« – Elisa war gerührt durch diesen Brief, doch empfand sie keine Neigung für den so viel älteren Mann.
Eine Huldigung ganz anderer Art wurde Elisen zu Theil, als sie im Jahre 1806, sechzehnjährig zum erstenmal einen Ausflug nach Hamburg machte. Sie ging dort an der Seite ihrer Erzieherin über den Jungfernstieg, als ein junger muntrer Matrose ihnen begegnete. Das schöne junge Mädchen, frischer und blühender als die frische, blühende Rose, die er an seinem schwarzen Strohhut trug, mochte ihm wohl besonders gefallen, denn er hob sie wie ein Kind vom Erdboden auf, gab ihr einen Kuß, und setzte sie dann sanft wieder nieder, zu ihrem eigenen großen Schrecken und dem nicht minderen ihrer bestürzten Erzieherin, die dem dreisten Burschen sprachlos nachblickte, als er rasch und vergnügt davon eilte.
Graf Friedrich war ein eifriger Musik- und Theaterliebhaber; er besoldete nicht nur eine große Schaar ausgezeichneter Musiker, die seine beständige Kapelle bildeten, sondern er zog auch ganze Schauspielertruppen zu sich auf das Schloß, die deutsche und französische Komödien aufführen mußten. Er verlangte, daß seine schöne, begabte Tochter dabei mitwirke durch Spiel und Gesang; sie that es, aber sehr ungern, da die Schauspieler ihr durch manche Rohheit und Leichtfertigkeit bald mißfielen, und durchaus nicht den idealen Vorstellungen entsprachen, die sie sich anfänglich von solchen Künstlern gemacht hatte, und es entstand bei ihr eine Abneigung gegen den Schauspielerstand, die sie für immer beibehielt.
So schön und vielversprechend Elisens Jugendleben begonnen hatte, so sollte es doch bald durch manchen Kummer getrübt werden. Zwischen den Eltern entstanden Zwiespalt und Entfremdung in solchem Maße, daß es Elisens Augen nicht verborgen bleiben konnte. Der Vater, vergnügungssüchtig, leichtsinnig und gewohnt sich keinen Genuß zu versagen, machte einen Aufwand, der selbst für die außerordentlichen Mittel, die ihm zu Gebote standen, zu bedeutend war, und seine mannigfaltigen Liebesverhältnisse mußten das häusliche Glück auf das bedenklichste stören. Die Mutter, die ihren Gatten innig liebte, fühlte sich tief gekränkt und unglücklich, sie trennte sich von ihm, und zog nach dem Gute Ludwigsburg, wohin ihr die Tochter folgte. Elisa, die immer besonders zärtlich an der Mutter gehangen, theilte mit ihr Schmerz und Betrübniß, und litt schwer von diesen so traurigen und zerrissenen Verhältnissen.
Nach einem still und zurückgezogen verlebten Winter in Ludwigsburg, beschloß die Gräfin Charlotte, deren Gesundheit etwas zu leiden begann, im Sommer 1808 mit ihrer Tochter nach dem Bade Nenndorf zu gehen. Eine Freundin Elisens, eine junge Engländerin, Namens Fanny Harward, die seit einiger Zeit bei ihnen lebte, begleitete sie dahin.
Mit frischem Jugendmuth, der trotz aller Trübung doch immer wieder fröhlich hervorbrach, sahen die beiden jungen Mädchen dieser Reise entgegen. Wie viel Unerwartetes, Schönes, Abentheuerliches dachten sie sich aus, das ihnen unterweges begegnen könne! Sie wurden nicht müde, sich auszumalen, was ihnen alles Neues und Bedeutsames bevorstehen möchte, und beide waren bereit, alles mit offenem, empfänglichem Sinn aufzunehmen. Diese Vorahnung wurde zum Theil mehr als bestätigt, denn was Elisen betraf, so sollte allerdings ihr Aufenthalt in Nenndorf für ihr ganzes Leben entscheidend werden.
Die Reise wurde gegen die Mitte des Juni angetreten; man kehrte zuerst in Holstein bei Gräfin Charlottens Bruder, dem Gutsbesitzer von Hedemann-Heespen auf Deutsch-Nienhof ein, bei jenem vortrefflichen Onkel Elisens, dem sie immer, mehr noch wie ihrem Vater, zugethan war, und der sich ihrer in der Folge auch stets väterlich annahm; dann verweilte man einige Tage in Hamburg, wohnte einer Revüe bei, welche der damalige Fürst von Ponte-Corvo, der nachherige Kronprinz von Schweden, auf dem Walle über holländische Truppen abhielt, und besuchte die schönen Elbufer. In Hannover wurden die Gärten von Herrenhausen besehen, und als man in Nenndorf anlangte, glaubten Elisa und ihre Freundin schon viel des Interessanten und Hübschen erfahren zu haben.
Wie viel mehr noch sollte ihnen das bunte Badeleben von Nenndorf darbieten, wo sich eine mannigfaltige Gesellschaft froh bewegte! Die verständige Gräfin, ihre reizende Tochter und die muntre Fanny waren überall gern gesehen, man kam ihnen von allen Seiten mit Beeiferung und Freundlichkeit entgegen; sie hörten die Conzerte des dort anwesenden berühmten Violinspielers Kiesewetter, sie tanzten und fuhren spazieren in der angenehmsten Umgebung und heitersten Laune. Einige französische Offiziere, die sich in der Gesellschaft befanden, wußten den jungen Damen in feinster und liebenswürdigster Weise den Hof zu machen, Elisa besonders war immer der Hauptgegenstand aller Auszeichnung.
Eines Tages saß an der Table d'hôte neben