Gräfin Elisa von Ahlefeldt, die Gattin Adolphs von Lützow, die Freundin Karl Immermann's. Assing Ludmilla
erschrack auf das heftigste, und die Berührung war ihr so widrig, daß sie ohne sich zu besinnen in ihrer Angst eine Wasserflasche ergriff, die vor ihr auf dem Tische stand, und vor aller Augen ihre Hand damit begoß und abwusch. Der Franzose sah sie bestürzt an.
Einige an der Tafel sitzende preußische Offiziere hatten aus einiger Entfernung dem Vorgang zugesehen; unter diesen waren Adolph von Lützow, der nachherige berühmte Freischaarenführer, und sein Freund, Gustav von Bornstedt, welcher in der Schlacht von Auerstädt große Proben von Unerschrockenheit abgelegt und nach dem Tilsiter Frieden seinen Abschied genommen hatte. In jener Zeit, wo das Vaterland von Napoleon unterdrückt war und man den Franzosen so vielfältig mit Haß begegnete, war es leicht erklärlich, daß die Preußen die Meinung faßten, die ihnen unbekannte junge Dame wolle durch ihre Handlung ihren deutschen Patriotismus an den Tag legen, und damit ausdrücken, daß ihre Hand ihr durch die geringste Berührung eines Franzosen wie befleckt erschiene, ja, sie waren so erfreut über diesen energischen Haß, für den sie es hielten, daß sie am Nachmittag bei Elisens Mutter um die Erlaubniß anhielten, ihr die Aufwartung machen zu dürfen, um die schöne, franzosenfeindliche deutsche Jungfrau kennen zu lernen.
Sie hatten sich indessen sehr geirrt. Ganz abgesehen davon, daß Elisa eigentlich keine Deutsche, sondern eine geborene Dänin war, so lag es überhaupt durchaus nicht in ihrem Charakter, einem Einzelnen, mit dem sie sich noch eben harmlos unterhalten hatte, und dem sie auch außerdem ganz freundlich gesinnt war, eine so harte Kränkung zuzufügen, und ihn allein ungerechterweise entgelten zu lassen, was seine Nation, oder vielmehr Napoleon an Deutschland verbrochen hatte. Im Gegentheil bedauerte sie, wie sie sich von ihrem Schreck erholt hatte, den Franzosen so verletzt zu haben und suchte sich möglichst bei ihm zu entschuldigen. Dieser Vorfall war es jedoch, der den ersten Anlaß zu Elisens Bekanntschaft mit Adolph von Lützow gab, und noch in ihrem späteren Alter pflegte sie zuweilen scherzend zu sagen, jenem seltsamen Mißverständniß habe sie ihren Gatten verdankt.
Wenn Adolph von Lützow auch nicht die Franzosenfeindin in Elisen fand, die er in ihr erwartete, so fand er dafür besseres in ihr. Wenn auch von Geburt eine Dänin, so war sie doch dem Sinn und Geiste nach eine Deutsche, die deutsche Mutter und die brave Marianne Philipi hatten in diesem Betreff entschiedenen Einfluß auf sie ausgeübt, und viel mehr fühlte sie sich zu den Deutschen hingezogen als zu den Dänen. Mit ihrem warmen Herzen, mit ihrer lebhaften Phantasie hatte sie tief den Druck mitempfunden, der auf Deutschland ruhte, und in ihrem begeisterten Gemüthe fanden die Freiheitshoffnungen, die sich in der ganzen deutschen Jugend mächtig regten, ihren reinsten Wiederhall.
Es war nicht anders möglich, Adolph von Lützow, welcher bereits die Kriege am Rhein mitgemacht, sich in der Schill'schen Freischaar ausgezeichnet hatte, und bei der ruhmvollen Vertheidigung von Kolberg gegenwärtig war, wofür er als Hauptmann schon den Orden pour le mérite erhielt, mußte Elisens besonderen Antheil erwecken. Die Wunden, welche er von Kolberg davongetragen, und deren Heilung ihn nach Nenndorf geführt, durften ihr Interesse für ihn nur erhöhen; sie sah in ihm einen deutschen Krieger, welcher mit ganzer Seele für das Vaterland glühte, das auch sie wie das ihrige liebte.
Adolph von Lützow war damals sechsundzwanzig Jahre alt, von mittlerer Größe; er sah weder regelmäßig schön, noch geistreich und bedeutend aus, aber gutmüthig und angenehm; seine großen blauen Augen trugen den Ausdruck von Treue, Wohlwollen und Bravheit; sein rundes Gesicht war von schlichten blonden Haaren umgeben, ein blonder Bart bedeckte die Oberlippe; das Kinn war kurz und etwas vorspringend. Sein offenes, männliches Wesen durfte gefallen, und ein Zug von soldatischer Munterkeit stand ihm wohl an.
Elisa trat ihm entgegen in der vollen Blüthe ihrer Jugend und Schönheit, eine wahrhaft ätherische Erscheinung, achtzehn Jahre alt, voll Geist, Leben und Frische, mit liebenswürdig kindlicher Unschuld schon ernsten Sinn und tiefere Einsicht verbindend, und jene süße Anmuth, die alles bezauberte, was ihr nahte. Gewiß, sie durfte darauf rechnen, sich viele Herzen zu gewinnen, auch wenn sie nicht die vornehme Grafentochter, die künftige Erbin großer Reichthümer gewesen wäre!
Lützow bezeigte ihr seine Verehrung und Bewunderung auf das lebhafteste; als er sie kennen lernte, hatte er seine Abreise schon festgesetzt, die nach zwei Tagen erfolgen sollte; nun konnte er sich aber nicht entschließen, sich so rasch aus solcher Nähe zu verbannen, und er blieb von einem Tage zum andern.
»Welche von den beiden Damen ist es denn,« fragte ein alter Graf Löwenhielm leise und lächelnd zu Elisen und Fanny gewandt, indem er auf Lützow deutete, »die jenen schnurrbärtigen Offizier dort festhält, der immer morgen abreisen will und immer hier bleibt?« – »Ich nicht!« rief Fanny, aber Elisa erröthete.
Lützow verweilte beinahe drei Wochen und trat immer offener und dringender mit seinen Bewerbungen hervor. Daß er Elisens Neigung erobert, durfte er hoffen, und auch der Gräfin Charlotte wußte er Zutrauen und Wohlwollen einzuflößen. Beide Frauen konnten sich aber nicht verhehlen, welche Schwierigkeiten einer Verbindung im Wege standen, da sie wohl wußten, daß Graf Ahlefeldt sich nicht leicht entschließen würde, seine Tochter außer Landes zu geben, und noch dazu einem jungen preußischen Offizier, der zwar von guter Familie war, tapfer und brav, aber weder durch Rang noch Vermögen die Ansprüche befriedigte, die jener an seinen künftigen Schwiegersohn glaubte machen zu dürfen; in der That fanden sich überall Gelegenheiten zu glänzenderen Parthien. Die zärtliche Mutter freilich konnte der Wahl der Tochter nicht entgegen sein, und fand, daß ein wahres Herzensglück, wie es sich hier darzubieten schien, solchen äußeren Vortheilen vorzuziehen sei. Lützow seinerseits betheuerte, daß er nicht eher ruhen würde, bis alle Hindernisse hinweggeräumt seien, und er Elisen errungen hätte.
So reiste er ab. Bald nach ihm verließ auch die Gräfin Charlotte mit ihrer Tochter und Fanny das freundliche Nenndorf, um nach Pyrmont zu gehen, wo noch eine Nachkur gebraucht werden sollte.
Dort erhielt Elisa den ersten Brief von Lützow; wir theilen denselben, so wie einige folgende mit, da es interessant sein dürfte, Adolph von Lützow, der meist nur als muthiger Offizier und Führer der Freischaar genannt wird, hier als eifrigen Liebhaber und Bewerber kennen zu lernen. Er schrieb ihr aus Welle bei Tangermünde an der Elbe, den 2. August 1808: »Gnädige Gräfin! Nicht allein Eigennutz, etwas von Ihren weißen Händen zu besitzen, veranlaßt mich, Ihnen zu schreiben, sondern ich verbinde noch das Vergnügen damit, mich mit Ihnen unterhalten zu können, und weiß doch gewiß, daß während Sie diese Zeilen lesen, Sie die Güte haben müssen – an mich zu denken. – Meine Reise habe ich bisher glücklich zurückgelegt, der Himmel war klar und unbewölkt, mich konnte dies aber nicht freuen, denn ich kann es nicht ausstehen, wenn alles um mich her heiter ist, während ich mich den Träumen einer zweifelhaften Zukunft überlasse. – Wie ist es Ihnen in Nenndorf gegangen? Ich hoffe, vergnügt, und wünsche doch so herzlich, daß Sie wenigstens den ersten halben Tag nach meiner Abreise nicht ganz froh gewesen sein möchten. So groß ist meine Selbstsucht, daß ich sogar auf Kosten Ihres Vergnügens die Hoffnungen meines Herzens recht sehr ungern getäuscht wissen möchte. – Wie wird es aber in Pyrmont werden? Werden Sie nicht dort, meine innigverehrte Gräfin, über alle interessante Bekanntschaften der blauen Farbe treu zu bleiben vergessen? Die Farbe der Beständigkeit hat, vorzüglich jetzt, tausendfachen Werth für mich, und das Schönste aus Ihren Händen selbst, ohne diese keinen Reiz für mich. – Aber was schreibe ich für dummes Zeug! Sie versprechen mir ein Geschenk, und ich mache schon Bedingungen. Um Gotteswillen, Gräfin, nehmen Sie sich in Acht! – Habe ich nur etwas Hoffnung, so werde ich übermüthig. – Sagen Sie nicht, daß Sie mir nicht abgeneigt sind, dann übertreibt meine Phantasie, dann werde ich unbändig und glaube schon das zu besitzen – was ich herzlich empfinde, aber nicht nennen will, weil es so Viele nennen, ohne es zu empfinden. Ist diese Hoffnung erst zur Ueberzeugung geworden, dann möchte mein lahmes Bein mich umsonst abhalten wollen, den weitesten Weg zurückzulegen, um mein Glück zu erreichen, meine krumme Hand stark genug sein, es festzuhalten, und mein deutsch ehrlicher Kopf die Mittel wohl finden, wodurch es mein werden muß.« –
Lützow täuschte sich nicht, wenn er auf Elisens Treue rechnete; sie hatte mit jener Energie, die ihr in allen wichtigen Lagen ihres Lebens eigen war, fest beschlossen, keinem Anderen als Lützow ihre Hand zu geben.
Auf der Rückreise von Pyrmont wurde Hamburg wieder berührt, und die Reisenden suchten in Altona den Schriftsteller und Arzt, Professor Johann Christoph