Synnöve Solbakken: Erzählung. Bjørnstjerne Bjørnson
sie es ihr gesagt hatten. – »Allein kannst du es nicht,« sagte der fremde Herr, und das merkte sich Thorbjörn. – Als Synnöve wieder zu den andern herauskam, erzeigten ihr diese noch mehr Achtung als sonst; Synnöve aber ging zu Ingrid hin, begrüßte sie freundlich und bat sie, mit ihr zusammen auf den Grasplatz hinauszukommen. Dort setzten sie sich hin, denn es war lange her, seit sie vertraulich miteinander geredet hatten. Thorbjörn stand wieder unter den andern und betrachtete Synnöves schöne, ausländische Blumen.
An diesem Tage ging Synnöve mit den andern zusammen nach Hause. – »Soll ich dir nicht die Blumen tragen?« fragte Thorbjörn. – »Das kannst du gern tun,« erwiderte sie sanft, aber ohne ihn anzusehn, dann nahm sie Ingrid bei der Hand und ging voran. In der Nähe von Solbakken blieb sie stehn und sagte Ingrid Lebewohl. »Das kleine Stück kann ich sie sehr gut noch selber tragen,« sagte sie und nahm den Korb auf, den Thorbjörn niedergesetzt hatte. Den ganzen Morgen lang hatte er darüber nachgedacht, daß er sich erbieten wollte, ihr die Blumen einzupflanzen, aber nun kam er nicht dazu, denn sie wandte sich rasch um. Er dachte aber an nichts andres danach, als daß er ihr doch bei den Blumen hätte helfen sollen. – »Worüber habt ihr beiden denn gesprochen?« fragte er Ingrid. – »Über nichts.«
Als die andern alle zu Bette gegangen waren, kleidete er sich leise wieder an und ging hinaus. Es war ein schöner Abend, warm und still; über den Himmel lag ein leichter Schleier von blaugrauen Wolken ausgebreitet, der hie und da zerrissen war, so daß es aussah, als ob jemand aus dem tiefen Blau wie aus einem Auge hervorluge. Niemand war zu sehn in der Nähe des Gehöfts und auch nicht in der Ferne, aber auf allen Seiten zirpten die Heuschrecken im Grase, rechts schlug eine Wachtel, eine andre antwortete ihr von links her, worauf ein Gesang im Grase hin und her anhub, so daß es ihm zuletzt war, wie er dahinging, als habe er ein großes Gefolge um sich, obwohl er nichts sehn konnte. Der Wald zog sich blau, dann dunkel und immer dunkler zum Gebirge hinauf und glich einem großen Nebelmeer. Drinnen aber hörte er den Auerhahn spielen und balzen; eine einsame Eule schrie, und der Gießbach sang seine alten, harten Reime lauter als je – jetzt, wo sich alles niedergelassen hatte, um ihn anzuhören. Thorbjörn schaute nach Solbakken hinüber und schritt weiter. Er bog von den gewöhnlichen Wegen ab, kam schnell hinüber und stand bald in dem kleinen Garten, der Synnöve gehörte und der gerade unter dem einen Giebelfenster lag, gerade unter dem, hinter dem sie schlief. Er lauschte und spähte, aber alles war still. Da sah er sich im Garten nach Arbeitsgerät um und fand auch richtig Spaten und Rechen. Mit der Umgrabung des einen Beetes war schon begonnen worden, aber nur eine kleine Ecke war fertig geworden, in die aber schon zwei Blumen gesetzt worden waren, wahrscheinlich um zu sehn, wie es sich ausnehmen würde. – Sie ist müde geworden, die Ärmste, und hat die Arbeit aufgeben müssen, dachte er; hier ist eine männliche Kraft nötig, dachte er weiter und nahm die Arbeit in Angriff. Er fühlte keine Lust zum Schlafen, ja es war ihm, als habe er niemals eine so leichte Arbeit verrichtet. Er erinnerte sich, wie die Blumen gepflanzt werden sollten, er erinnerte sich auch des Pfarrgartens und richtete nun das eine nach dem andern. Die Nacht verstrich, aber er merkte es nicht, er ruhte kaum, und es gelang ihm auch, das ganze Beet umzugraben, die Blumen einzupflanzen und die eine und die andre wieder umzusetzen, um es noch schöner zu machen, und dabei warf er von Zeit zu Zeit einen Blick nach dem Giebelfenster hinauf, ob nicht vielleicht doch jemand ihn bemerke. Aber weder dort noch anderswo war jemand, auch hörte er nicht einmal einen Hund bellen. Endlich begann der Hahn zu krähen und weckte die Vögel des Waldes, die nun einer nach dem andern aufflogen, um ihre »Guten Morgen« zu singen. Während er so dastand und die Erde glattklopfte, fielen ihm die Märchen ein, die ihm Aslak früher erzählt hatte, und daß er ehemals geglaubt hatte, drüben auf Solbakken wüchsen Kobolde und Hexen. Er schaute zum Giebelfenster hinauf und lächelte bei dem Gedanken, was Synnöve wohl sagen würde, wenn sie in der Morgenstunde herunterkäme. Es war schon ganz hell geworden, die Vögel machten schon einen großen Lärm, deswegen schwang er sich über die Gartenhecke und eilte nach Hause. Ja, nun sollte nur einer sagen, daß er es gewesen wäre, der drüben in Synnöve Solbakkens Garten die Blumen eingepflanzt hätte!
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