Die Mumie von Rotterdam, Zweiter Theil. Döring Georg

Die Mumie von Rotterdam, Zweiter Theil - Döring Georg


Скачать книгу
jungen Leute sahen sich umringt. Mehrere Matrosen hatten einen Kreis um sie geschlossen. Der Capitän und seine Leute schwangen mit drohenden Gebehrden schwere Ruder über ihren Häuptern und ein Wort, ein Wink des Capitäns, so fielen diese nieder zu zermalmenden Schlägen. Die Blicke, mit denen Le Vaillant und La Paix diese rasch und in aller Stille getroffenen Anstalten musterten, sprachen deutlich ihre Betroffenheit und die Erkenntniß aus, daß eben hier kein anderes Heil, als in unbedingter Unterwerfung zu finden sey.

      Unter dem hoch gehobenen rechten Arme des Capitäns blickte das lächelnde Antlitz eines schönen, etwa zwanzigjährigen Mädchens hervor. Sie schien sich an der Verlegenheit der zwei Jünglinge zu weiden. Das halb verbissene Lachen gab ihren Zügen etwas sehr Schalkhaftes und Reizendes. La Paix bemerkte sie zuerst und sein leicht entzündbares Herz fing sogleich Feuer an den lebhaften Augen des schönen Mädchens. Wie sein Freund übereilt und vorschnell in allen Dingen war, so war es La Paix allein in der Liebe, aber hier auch in einem solchen Uebermaße, daß er, wenn er verliebt war, leicht zu allen übrigen Fehlern verleitet werden konnte, von denen er sonst mit allem Aufwande von Beredsamkeit seinen Cameraden abzuhalten suchte. Glücklicherweise war seine Liebe ebenso flüchtig, wie stark. Der Anblick des reizenden Wesens gab ihm seine Fassung zurück. Mit einem lauten Gelächter und indem er den Degen rasch in die Scheide schob, ging er auf Le Vaillant zu, bot diesem freundlich die Hand und sagte in französischer Sprache, von der er voraussetzte, daß sie keiner der Anwesenden verstünde:

      »Soyons amis, Cinna! Wir waren nahe daran, einen dummen Streich zu machen und ich war daran Schuld. Gieb mir die Hand, Le Vaillant! Ich habe dich gekränkt, mein Freund, aber du hast nun einige Grobheiten voraus, die du mir bei Gelegenheit mit Interessen wiedergeben darfst!«

      Der leidenschaftliche, aber dabei gutmüthige Gascogner schlug ein.

      »Sandis!« sagte er. »Du mußt es auch nicht gar zu grob machen. Wo soll ich sonst die Interessen herausbringen, ohne wieder den Degen zur Hand zu nehmen?«

      Jetzt trat La Paix zu dem Capitän. Dieser blickte ihn aus dem einen Auge, das ihm bei einem mißlungenen Versuche, ein englisches Linienschiff durch einen Brander in die Luft zu sprengen, übrig geblieben war, finster und argwöhnisch an. Seine Leute hatten zwar die Ruder sinken lassen, aber in ihren Gebehrden lag noch so viel Drohendes, daß der Jüngling wohl einsah, er müsse alle seine Gewandtheit aufbieten, um das bisherige gute Vernehmen wieder herzustellen. Besonders fürchtete er, daß man sie als Franzosen erkennen möchte und dann war’s vorbei mit allen schönen Plänen, mit allen zu erwartenden Abentheuern.

      Capitän Jonas, eine kurze stämmige Gestalt, war schon ein Fünfziger. Sein Kopf zeigte einen nackten Scheitel, von einem schwarzen Sammetkäppchen leicht bedeckt. Auf der Stelle, wo sein rechtes Auge gesessen, lag ein Pflaster, das linke schien die beiden Jünglinge zu durchbohren. Er stand da, wie ein Richter, der das Bekenntniß eines Schuldigen erwartet. Neben ihm war seine Tochter hervorgetreten, die reizende Juliane, in deren anmuthigen Gesichtszügen ein Ausdruck von Leichtsinn, der dem Menschenkenner unangenehm auffallen mußte, überwiegend hervortrat. Sie hatte seit früher Kindheit alle Kreuz- und Querzüge des Vaters auf Flüssen und Meeren mitgemacht, hatte immer unter Männern gelebt und war von dem Alten, der Alles, außer dem Dienste und der Schiffsordnung, gleichgültig ansah, ganz ihren Neigungen überlassen worden.

      Indem der zierliche La Paix sich beiden näherte, wendete sich seine Verbeugung mehr nach der Tochter, wie nach dem Vater hin.

      »Verzeiht, wohlmögender Heer,« sagte er in gutem Holländisch und mit einem feinen Lächeln auf den Lippen, zu diesem, »wenn ich Euch bemerken muß, daß Ihr von einem Irrthume befangen, mich und meinen Freund in einem ernstlichen Handgemenge wähntet. Wie kämen wir dazu: Stuben- und Schlafgenossen seit langer Zeit? Wir wollten uns die Zeit vertreiben mit einem leichten Fechterspiele, mit einer Uebung, wie wir sie Morgens gewöhnlich unternehmen. Freilich hatten wir Unrecht, Euch nicht zuvor davon in Kenntniß zu setzen und ich würde untröstlich seyn, wenn unsere Unbesonnenheit vielleicht diese zarte Jungfrau erschreckt hätte!«

      »Nein, nein!« entgegnete lachend Juliane. »Ich bin nicht so schreckhaft, wie Ihr Euch einbildet, und habe schon ganz andere Dinge gesehen, als ein Paar junge Leute, die mit ihren Degen ein zweckloses Spiel trieben. Auch erkannte ich gleich,« setzte sie mit einem listigen Blicke hinzu, »daß das Ganze nur auf einen Scherz abgesehen war. Deshalb wird’s auch der Vater nicht so genau nehmen, denn ein Scherz ist kein unerlaubtes Ding an Bord des lustigen Freiers von Rotterdam

      Der Capitän schien zwar mit dieser Erklärung nicht ganz zufrieden, aber sey es, daß er dem Rathe seiner Tochter zu folgen gewohnt war, oder daß er die reich scheinenden jungen Leute nicht weiter bedrängen mochte: genug! er gab den Matrosen einen Wink, sich wieder an ihre angewiesene Plätze zu begeben und zog sich selbst brummend in die Gegend des Steuerruders zurück.

      Der lustige Freier von Rotterdam segelte so schnell, daß sie bald den Haven und die weißen, glänzenden Häuser von Dortrecht zur Seite hatten. La Paix stand neben Julianen und schien bereits in ein sehr vertrauliches Gespräch mit dem Mädchen verflochten, das ihm offenbar eine große Freundlichkeit und Gefälligkeit zeigte. Sein nicht so glücklicher Freund lag auf eine Bank hingestreckt und bemühete sich, seine Aufmerksamkeit dem vierten Buche der Aeneide zu widmen, die er zu seiner Unterhaltung auf die Reise mitgenommen hatte. Aber weder Aeneas noch Dido wollten ihn heute ansprechen. Statt mit beiden in die verhängnißvolle Höhle zu wandern und sie dort zu belauschen, flogen seine Blicke oft neidisch nach dem kosenden Paare hin und als sich dieses endlich gar von dem Verdecke in das Innere des Schiffes zurückzog, warf er das Buch unwillig zur Seite und trat an das Hinterdeck, um hier seine heiße Brust durch die anströmende scharfe Herbstluft kühlen zu lassen.

      »Kommt mit in meine Cajüte!« sagte Juliane, indem sie den entzückten La Paix die dunkele Treppe hinabzog. »Die hat der Vater für mich besonders einrichten lassen und wir sind da ungestörter und traulicher, als in dem großen Zimmer, wo bald den Bootsmann, bald den Vater, bald einen anderen irgend ein Geschäft hinführt. Ihr sollt sehen, wie hübsch und glänzend Alles bei mir aufgeputzt ist. Das ist so recht ein Staatszimmerchen für einen jungen Mann von nobler Herkunft, wie Ihr zu seyn scheint, Myn Heer!«

      In der That schimmerten und blinkten auch die Mahagoniwände des artigen Kabinets, wie venetianische Spiegel. Allenthalben sah dem Jünglinge, neben dem seinigen, das anmuthige, schalkhafte Gesicht seiner freundlichen Begleiterin entgegen. Er hatte noch nie ein weibliches Wesen gefunden, das, nach einer so kurzen Bekanntschaft, sich ihm so zuvorkommend genähert hätte, und gewiß war unter diesen Umständen der Gedanke, daß er, wie Cäsar gekommen sey, um zu sehen und zu siegen, bei einem jungen, leicht anregbaren Franzosen sehr verzeihlich.

      Eine Laute lag auf dem Seidenpolster, das längs der einen Seitenwand hinlief. Juliane schob das Instrument bei Seite und, nachdem sie schäkernd den jungen Mann zum Sitzen genöthigt, öffnete sie ein Schränkchen und holte ein versiegeltes Fläschchen und einen Teller mit köstlich duftenden Zimmetschnitten hervor.

      »Wir wollen frühstücken!« sagte sie, indem sie Beides auf das Tischchen vor dem Polster stellte und sich neben La Paix niederließ. »Hier ist köstlicher Rosoli, den mir mein Oheim aus Schidam verehrt, und diese Zimmetschnitten habe ich selbst gebacken. Laßt Euch Beides munden! Wir haben noch einige Stunden, bis wir die Syrene erreichen, und die müssen wir so gut, als möglich auszufüllen suchen.«

      La Paix war überselig. Er ergriff ihre Hand und zog sie an seine Lippen. Sie aber entwand sie ihm lachend, um von einem nahe befindlichen Gestelle ein Paar zierliche silberne Becher herbeizureichen, die sie mit dem süßen geistigen Getränk bis zum Rande füllte.

      »Auf gut Glück in unserm Vorhaben!« sagte sie und stieß mit einem Feuerblicke, der dem Leydener Studenten tief in die Seele drang, an den Becher, den dieser ergriffen hatte. Er wurde doch ein wenig betroffen, als er Julianen den nicht gar kleinen Pokal


Скачать книгу