Anna Karenina, 1. Band. Лев Николаевич Толстой

Anna Karenina, 1. Band - Лев Николаевич Толстой


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du Glücklicher!“ unterbrach ihn Stefan Arkadjewitsch, Lewin ins Auge schauend.

      „Weshalb?“

      „Man erkennt die störrigen Pferde an gewissen Zeichen, verliebte Jünglinge erkenne ich an ihren Augen,“ deklamierte Stefan Arkadjewitsch. „An dir erkenne ich alles im voraus.“

      „Bei dir erkennt man aber alles wohl erst nachher?“

      „Nein, nicht gerade nachher; aber du hast eine Zukunft, ich habe nur eine Gegenwart, und die Gegenwart – ist verpfuscht.“

      „Was heißt das?“

      „Es geht mir nicht gut. Indessen von mir will ich nicht sprechen, ich kann dir auch nicht alles so offenbaren,“ sagte Stefan Arkadjewitsch. „Aber weshalb bist du wieder nach Moskau gekommen? – Da nimm!“ rief er dem Tataren zu.

      „Vermutest du?“ antwortete Lewin, ohne seine tiefinnerlich leuchtenden Augen von Stefan Arkadjewitsch abzuwenden.

      „Ich vermute, kann aber nicht darüber zu sprechen beginnen; schon hieran kannst du erkennen, ob ich richtig oder falsch vermute,“ sagte Stefan Arkadjewitsch, mit seinem Lächeln Lewin anblickend.

      „Und was hast du mir da zu sagen?“ fuhr Lewin mit schwankender Stimme fort, empfindend, daß in seinem Antlitz jede Muskel bebte. „Wie schaust du auf die Sache?“

      Stefan Arkadjewitsch trank langsam sein Glas Jablis aus, ohne das Auge von Lewin zu verwenden.

      „Ich,“ sagte Stefan Arkadjewitsch, „würde nichts so sehr wünschen, als dies, nichts! Das ist das Beste was geschehen könnte.“

      „Aber täuschest du dich auch nicht? Du weißt doch hoffentlich, wovon wir jetzt reden,“ frug Lewin, sich mit dem Blick an dem Freunde festsaugend; „glaubst du, daß es möglich ist?“

      „Ich denke, es ist möglich. Weshalb sollte es unmöglich sein?“

      „Nein, nein, denkst du wirklich, daß es möglich ist? Sage mir alles, was du denkst! Wie, wenn mir eine Absage würde? Ich bin sogar überzeugt“ —

      „Weshalb denkst du denn so?“ antwortete Stefan Arkadjewitsch, lächelnd über diese Erregtheit.

      „Nun, mir scheint es bisweilen so; aber es wäre furchtbar, für mich wie für sie.“

      „Auf alle Fälle wäre doch für das Mädchen nichts Schreckliches dabei. Jedes Mädchen ist stolz auf einen Antrag.“

      „Ja, jedes Mädchen, aber sie nicht.“

      Stefan Arkadjewitsch lächelte. Er kannte schon dieses Gefühl Lewins, und wußte, daß für diesen alle Mädchen in der Welt sich nur in zwei Arten teilten; die eine Art bildeten alle Mädchen in der Welt – außer ihr – und diese Mädchen besaßen alle menschlichen Schwächen; sie waren sehr gewöhnliche Menschen; die andere aber – war sie allein, ohne jegliche Fehler, hocherhaben über alle Menschheit.

      „Halt, nimm Sauce,“ sagte er, die Hand Lewins festhaltend, welcher die Sauce fortgeschoben hatte.

      Lewin nahm sich gefügig die Sauce, ließ aber Stefan Arkadjewitsch nicht zum Essen kommen.

      „Halt,“ sagte er, „du weißt, daß dies für mich eine Frage auf Leben und Tod ist; ich habe noch nie mit jemand darüber gesprochen, kann auch mit niemand reden, als mit dir. Und doch sind wir beide in allem so verschieden. Verschiedener Geschmack, verschiedene Ansichten, alles; indessen ich weiß, daß du mich liebst und verstehst, und deshalb liebe ich dich so unaussprechlich. Aber bei Gott, sei ganz offen gegen mich.“

      „Ich sage dir ja, was ich denke,“ antwortete Stefan Arkadjewitsch lächelnd. „Aber ich will dir noch mehr sagen: Mein Weib ist ein – bewundernswertes Weib.“ – Stefan Arkadjewitsch seufzte, indem er seiner jetzigen Beziehungen zu seinem Weibe gedachte; er schwieg eine Weile und fuhr dann fort: „Sie hat die Gabe des Voraussehens, und erkennt die Menschen durch und durch; aber noch nicht genug damit, sie weiß, auch was kommen wird, besonders in Bezug auf Ehebünde. So hat sie beispielsweise vorausgesagt, daß die Schachowskaja den Brendeljen heiraten werde. Kein Mensch hatte dies glauben wollen und doch ist es so gekommen. Sie aber, ist – ganz auf deiner Seite.“ —

      „Inwiefern denn?“

      „Insofern, daß sie abgesehen noch davon daß sie dich liebt, sagt, Kity würde unfehlbar dein Weib.“

      Bei diesen Worten erglänzte das Gesicht Lewins von einem Lächeln, einem Lächeln, welches den Thränen der Rührung nahe war.

      „Das sagt sie?“ rief Lewin aus. „Ich habe stets gesagt, daß sie herrlich ist, deine Frau. Nun ist genug, völlig genug gesagt über die Sache,“ antwortete er, von seinem Platze aufstehend.

      „Gut; aber setze dich doch.“

      Lewin war aber nicht imstande, wieder Platz zu nehmen; er ging mit seinen festen Tritten mehrmals in dem kleinen Raume auf und ab, und blinzelte mit den Augen, um die Thränen nicht sehen zu lassen. Erst dann setzte er sich wieder nieder am Tische.

      „Verstehe wohl,“ sagte er, „das dies keine Liebe ist. Ich war einst verliebt, aber dies ist nicht Liebe. Diese Empfindung ist nicht mein eigen, es ist mehr eine äußere Macht, die mich übermannt. Ich habe ja deshalb Moskau verlassen, weil ich den Beschluß gefaßt hatte, daß es nicht sein dürfe, verstehst du, als ein Glück, wie es in der Welt nicht existiert. Ich kämpfte mit mir, und ich sehe, daß es ohne jenes Eine für mich kein Leben giebt. Ich muß zu einem Ende kommen“ —

      „Weshalb warest du nur fortgefahren?“

      „O, halt, halt, welche Menge von Ideen du bringst; welche Masse von Fragen sind da nötig. Höre also. Du wirst dir freilich nicht vorstellen können, was du mir geleistet hast mit dem was du soeben sagtest. Ich bin so glücklich, daß ich sogar unangenehm werde, ich habe alles vergessen. Heute habe ich erfahren, daß mein Bruder Nikolay – du kennst ihn doch, er ist hier – ich habe auch ihn vergessen. Mir scheint, als ob er glücklich wäre. Es ist so etwas von Spleen in ihm. Eines aber ist entsetzlich – du hast ja geheiratet und kennst das Gefühl – eines ist entsetzlich, daß wir, die wir schon in die Jahre gekommen sind, keine Liebe kennen, sondern nur Sünden, daß wir uns plötzlich einem reinen, unschuldigen Geschöpf nähern. Dies ist abstoßend, und deshalb kann ich nicht umhin, mich eines solchen unwürdig zu fühlen.“

      „Nun, du hast doch der Sünden nicht zu viel auf dem Gewissen.“

      „O, immerhin,“ sagte Lewin, „immerhin; wenn ich voll Widerwillen mein Leben prüfe, so erzittere ich, verwünsche ich mich und beklage ich mich tief.“

      „Was ist aber zu thun? Die Welt ist einmal so eingerichtet,“ antwortete Stefan Arkadjewitsch.

      „Es giebt nur einen einzigen Trost, wie in jenem Gebet, das ich stets geliebt habe, nämlich daß man nicht nach seinen Verdiensten Vergebung erlangt, sondern nach der Barmherzigkeit. So wird auch sie mir vergeben.“

      11

      Lewin leerte sein Glas und beide schwiegen eine Zeitlang.

      „Eins muß ich dir noch sagen. Du kennst wohl Wronskiy?“ frug alsdann Stefan Arkadjewitsch Lewin.

      „Nein, ich kenne ihn nicht. Weshalb frägst du so?“

      „Eine andere Flasche,“ wandte sich Stefan Arkadjewitsch an den Tataren, der die Gläser füllte und sich um beide herum bewegte; hauptsächlich dann, wenn er nicht erforderlich war.

      „Du mußt Wronskiy deshalb kennen, weil er einer von deinen Nebenbuhlern ist.“

      „Was ist das für ein Wronskiy?“ frug Lewin, und seine Miene ging von dem Ausdruck des kindlichen Entzückens, mit dem er soeben noch Oblonskiy betrachtete, plötzlich zu dem des Hasses und der Feindseligkeit über.

      „Wronskiy ist einer der Söhne des Grafen Kyrill Iwanowitsch Wronskiy, einer der hellsten Sterne der jeunesse dorée von Petersburg. Ich habe ihn in Twer kennen gelernt, als ich dort in Dienst stand und er zur Rekrutenaushebung dorthin kam. Er ist ungeheuer reich, schön, hat mächtige Connexionen, ist Flügeladjutant und obenein ein sehr lieber guter Mensch. Aber mehr als dies gilt


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