Reden an die deutsche Nation. Johann Gottlieb Fichte

Reden an die deutsche Nation - Johann Gottlieb Fichte


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Staatenbund unter einem beschränkten Oberhaupte blieb, in den fremden Ländern mehr auf bisherige römische Weise die Verfassung in Monarchien überging, und dergleichen erklärt werden, keineswegs aber in umgekehrter Ordnung.

      Von den angegebenen Veränderungen ist nun die erste, die Veränderung der Heimat, ganz unbedeutend. Der Mensch wird leicht unter jedem Himmelsstriche einheimisch, und die Volkseigentümlichkeit, weit entfernt durch den Wohnort sehr verändert zu werden, beherrscht vielmehr diesen, und verändert ihn nach sich. Auch ist die Verschiedenheit der Natureinflüsse in dem von Germaniern bewohnten Himmelsstriche nicht sehr groß. Ebensowenig wolle man auf den Umstand ein Gewicht legen, daß in den eroberten Ländern die germanische Abstammung mit den frühern Bewohnern vermischt worden; denn Sieger und Herrscher und Bildner des aus der Vermischung entstehenden neuen Volkes waren doch nur die Germanen. Ueberdies erfolgte dieselbe Mischung, die im Auslande mit Galliern, Kantabriern usw. geschah, im Mutterlande mit Slawen wohl nicht in geringerer Ausdehnung; so daß es keinem der aus Germaniern entstandenen Völker heutzutage leicht fallen dürfte, eine größere Reinheit seiner Abstammung vor den übrigen darzutun.

      Bedeutender aber, und wie ich dafürhalte, einen vollkommenen Gegensatz zwischen den Deutschen und den übrigen Völkern germanischer Abkunft begründend, ist die zweite Veränderung, die der Sprache; und kommt es dabei, welches ich gleich zu Anfange bestimmt aussprechen will, weder auf die besondere Beschaffenheit derjenigen Sprache an, welche von diesem Stamme beibehalten, noch auf die der andern, welche von jenem andern Stamme angenommen wird, sondern allein darauf, daß dort Eignes behalten, hier Fremdes angenommen wird; noch kommt es an auf die vorige Abstammung derer, die eine ursprüngliche Sprache fortsprechen, sondern nur darauf, daß diese Sprache ohne Unterbrechung fortgesprochen werde, indem weit mehr die Menschen von der Sprache gebildet werden, denn die Sprache von den Menschen.

      Um die Folgen eines solchen Unterschiedes in der Völkererzeugung und die bestimmte Art des Gegensatzes in den Nationalzügen, die aus dieser Verschiedenheit notwendig erfolgt, klar zu machen, soweit es hier möglich und nötig ist, muß ich Sie zu einer Betrachtung über das Wesen der Sprache überhaupt einladen.

      Die Sprache überhaupt, und besonders die Bezeichnung der Gegenstände in derselben durch das Lautwerden der Sprachwerkzeuge hängt keineswegs von willkürlichen Beschlüssen und Verabredungen ab, sondern es gibt zuförderst ein Grundgesetz, nach welchem jedweder Begriff in den menschlichen Sprachwerkzeugen zu diesem und keinem andern Laute wird. So wie die Gegenstände sich in den Sinnenwerkzeugen des einzelnen mit dieser bestimmten Figur, Farbe usw. abbilden, so bilden sie sich im Werkzeuge des gesellschaftlichen Menschen, in der Sprache mit diesem bestimmten Laute ab. Nicht eigentlich redet der Mensch, sondern in ihm redet die menschliche Natur, und verkündigt sich andern seinesgleichen. Und so müßte man sagen: die Sprache ist eine einzige und durchaus notwendige.

      Nun mag zwar, welches das zweite ist, die Sprache in dieser ihrer Einheit für den Menschen schlechtweg als solchen, niemals und nirgends hervorgebrochen sein, sondern allenthalben weiter geändert und gebildet durch die Wirkungen, welche der Himmelsstrich, und häufigerer oder seltenerer Gebrauch, auf die Sprachwerkzeuge und die Aufeinanderfolge der beobachteten und bezeichneten Gegenstände auf die Aufeinanderfolge der Bezeichnung hatten. Jedoch findet auch hierin nicht Willkür oder Ohngefähr, sondern strenges Gesetz statt; und es ist notwendig, daß in einem durch die erwähnten Bedingungen also bestimmten Sprachwerkzeuge nicht die eine und reine Menschensprache, sondern daß eine Abweichung davon, und zwar, daß gerade diese bestimmte Abweichung davon hervorbreche.

      Nenne man die unter denselben äußern Einflüssen auf das Sprachwerkzeug stehenden, zusammenlebenden und in fortgesetzter Mitteilung ihre Sprache fortbildenden Menschen ein Volk, so muß man sagen: die Sprache dieses Volks ist notwendig so wie sie ist, und nicht eigentlich dieses Volk spricht seine Erkenntnis aus, sondern seine Erkenntnis selbst spricht sich aus aus demselben.

      Bei allen im Fortgange der Sprache durch dieselben oben erwähnten Umstände erfolgten Veränderungen bleibt, ununterbrochen diese Gesetzmäßigkeit; und zwar für alle, die in ununterbrochener Mitteilung bleiben, und wo das von jedem einzelnen ausgesprochene Neue an das Gehör aller gelangt, dieselbe eine Gesetzmäßigkeit. Nach Jahrtausenden, und nach allen den Veränderungen, welche in ihnen die äußere Erscheinung der Sprache dieses Volks erfahren hat, bleibt es immer dieselbe eine, ursprünglich also ausbrechen müssende lebendige Sprachkraft der Natur, die ununterbrochen durch alle Bedingungen herabgeflossen ist und in jeder so werden mußte, wie sie ward, am Ende derselben so sein mußte, wie sie jetzt ist, und in einiger Zeit also sein wird, wie sie sodann müssen wird. Die reinmenschliche Sprache zusammengenommen zuvörderst mit dem Organe des Volks, als sein erster Laut ertönte, was hieraus sich ergibt, ferner zusammengenommen mit allen Entwicklungen, die dieser erste Laut unter den gegebenen Umständen gewinnen mußte, gibt als letzte Folge die gegenwärtige Sprache des Volks. Darum bleibt auch die Sprache immer dieselbe Sprache. Lasset immer nach einigen Jahrhunderten die Nachkommen die damalige Sprache ihrer Vorfahren nicht verstehen, weil für sie die Uebergänge verloren gegangen sind; dennoch gibt es vom Anbeginn an einen stetigen Uebergang, ohne Sprung, immer unmerklich in der Gegenwart, und nur durch Hinzufügung neuer Uebergänge bemerklich gemacht, und als Sprung erscheinend. Niemals ist ein Zeitpunkt eingetreten, da die Zeitgenossen aufgehört hätten sich zu verstehen, indem ihr ewiger Vermittler und Dolmetscher die aus ihnen allen sprechende gemeinsame Naturkraft immerfort war und blieb. So verhält es sich mit der Sprache als Bezeichnung der Gegenstände unmittelbar sinnlicher Wahrnehmung, und dieses ist alle menschliche Sprache anfangs. Erhebt von dieser das Volk sich zu Erfassung des Uebersinnlichen, so vermag dieses Uebersinnliche zur beliebigen Wiederholung und zur Vermeidung der Verwirrung mit dem Sinnlichen für den ersten einzelnen, und zur Mitteilung und zweckmäßigen Leitung für andre, zuvörderst nicht anders festgehalten zu werden, denn also, daß ein Selbst als Werkzeug einer übersinnlichen Welt bezeichnet, und von demselben Selbst, als Werkzeug der sinnlichen Welt, genau unterschieden werde – eine Seele, Gemüt und dergleichen einem körperlichen Leib entgegengesetzt werde. Ferner könnten die verschiedenen Gegenstände dieser übersinnlichen Welt, da sie insgesamt nur in jenem übersinnlichen Werkzeuge erscheinen und für dasselbe da sind, in der Sprache nur dadurch bezeichnet werden, daß gesagt werde, ihr besonderes Verhältnis zu ihrem Werkzeuge sei also wie das Verhältnis der und der bestimmten sinnlichen Gegenstände zum sinnlichen Werkzeuge, und das in diesem Verhältnis ein besonderes Uebersinnliches einem besondern Sinnlichen gleichgesetzt, und durch diese Gleichsetzung sein Ort im übersinnlichen Werkzeuge durch die Sprache angedeutet werde. Weiter vermag in diesem Umkreise die Sprache nichts; sie gibt ein sinnliches Bild des Uebersinnlichen bloß mit der Bemerkung, daß es ein solches Bild sei; wer zur Sache selbst kommen will, muß nach der durch das Bild ihm angegebenen Regel sein eignes geistiges Werkzeug in Bewegung setzen. – Im allgemeinen erhellet, daß diese sinnbildliche Bezeichnung des Uebersinnlichen jedesmal nach der Stufe der Entwicklung des sinnlichen Erkenntnisvermögens unter dem gegebenen Volke sich richten müsse; daß daher der Anfang und Fortgang dieser sinnbildlichen Bezeichnung in verschiedenen Sprachen sehr verschieden ausfallen werde, nach der Verschiedenheit des Verhältnisses, das zwischen der sinnlichen und geistigen Ausbildung des Volkes, das eine Sprache redet, stattgefunden und fortwährend stattfindet.

      Wir beleben zuvörderst diese in sich klare Bemerkung durch ein Beispiel. Etwas, das zufolge der in der vorigen Rede erklärten Erfassung des Grundtriebes nicht erst durch das dunkle Gefühl, sondern sogleich durch klare Erkenntnis entsteht, dergleichen jedesmal ein übersinnlicher Gegenstand ist, heißt mit einem griechischen, auch in der deutschen Sprache häufig gebrauchten Worte, eine Idee, und dieses Wort gibt genau dasselbe Sinnbild, was in der deutschen das Wort Gesicht, wie dieses in folgenden Wendungen der lutherschen Bibelübersetzung: ihr werdet Gesichte sehen, ihr werdet Träume haben, vorkommt. Idee oder Gesicht in sinnlicher Bedeutung wäre etwas, das nur durch das Auge des Leibes, keineswegs aber durch einen andern Sinn, etwa der Betastung, des Gehörs usw. erfaßt werden könnte, so wie etwa ein Regenbogen, oder die Gestalten, welche im Traume vor uns vorübergehen. Dasselbe in übersinnlicher Bedeutung hieße zuvörderst, zufolge des Umkreises, in dem das Wort gelten soll, etwas, das gar nicht durch den Leib, sondern nur durch den Geist erfaßt wird, sodann, das auch nicht durch das dunkle Gefühl des Geistes, wie manches andre, sondern allein durch das Auge desselben, die klare Erkenntnis, erfaßt werden kann. Wollte man nun etwa ferner annehmen, daß den Griechen bei dieser sinnbildlichen


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