Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Erster Band.. Gerstäcker Friedrich

Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Erster Band. - Gerstäcker Friedrich


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die eine Frau, »hat zwei halbe Tage, und der Christoph, der hat gestern Nachmittag angefangen, und Schultze's Elias, der muß schon den Donnerstag oder Freitag hinaus gegangen sein.«

      »Da haben Sie's!« sagte der Director zu Könnern; »Monate lang liegen die Menschen hier auf der faulen Haut und leben von den Subsidien oder Unterstützungen, die ihnen der Staat verabreicht, also von Geldern, die sie nach fünf Jahren wieder zurückerstatten müssen. Wo ich ihnen aber eine Gelegenheit geboten habe, selber für sich Etwas zu verdienen, wenn sie nur die faulen Knochen rühren sollen, glauben Sie, daß da Einer gutwillig mit angriffe? Gott bewahre! Wenn ihnen der Polizeidiener nicht auf dem Nacken sitzt, rühren sie kein Glied, und wenn es eine Arbeit wäre, die sie nur zu ihrem eigenen Besten thun sollen und noch außerdem extra bezahlt bekommen. 's ist, weiß es Gott, eine Freude, mit solchen Menschen zu thun zu haben!«

      »Herr Director,« sagte in diesem Augenblicke ein kleiner ältlicher Mann in einem wunderlichen Costüme, das er von allen Ständen der menschlichen Gesellschaft zusammengeborgt zu haben schien, indem er den Director an einem Ärmel zupfte, »das Essen ist gleich fertig – Sie möchten nach Hause kommen.«

      »Ah, Jeremias,« sagte Sarno, sich nach ihm umdrehend; »schickt Dich die Kathrine herüber?«

      »Ja, Herr Director,« sagte der Mann, einen hohen Seidenhut, um den eine Art von Livreeband befestigt war, unter den Arm drückend, »und das Schiff ist auch unten.«

      »Das Schiff? Was für ein Schiff?«

      »Nun, das Schiff mit den neuen Landsleuten.«

      »Neue Auswanderer?« rief der Director erschreckt.

      »Die Gesina,« nickte der Mann; »der Herr Director haben ja schon lange davon gesprochen. 's ist gerade vor der Barre gesehen worden und der Capitain wird heute Abend herauf kommen.«

      »Na, das hat gerade noch gefehlt!« seufzte Sarno; »das Haus hier ist schon zum Überlaufen voll, und dazu noch eine frische Gesellschaft, eine neue Zufuhr – das wird angenehm!«

      »Und die Suppe?«

      »Darf nicht kalt werden. Du hast Recht, Jeremias. Sag' nur der Kathrine, daß wir den Augenblick hinauf kommen. Ist der fremde Herr schon da?«

      »Eben angekommen. Er sitzt oben in der Stube.«

      »Gut – also melde nur daß wir gleich kommen, und halt – spring hinüber zum Doctor – Ich lasse ihm sagen, augenblicklich hierher zu kommen. Verstanden?«

      Auf das Wort drehte sich das kleine Männchen um, machte noch eine ganz eigenthümliche Krümmung des Körpers, was als Verbeugung gelten sollte, und verschwand dann blitzschnell durch die Thür. Könnern hatte nur eben noch Zeit, zu bemerken, daß seine Beinkleider jedenfalls für eine andere Person zugeschnitten und gemacht sein mußten – wonach sie die andere Person denn auch so lange getragen haben mochte, wie ihr gut dünkte. Für Jeremias waren sie aber viel zu lang und unten in einem wahren Wulste umgelegt und aufgekrempelt. Er besaß außerdem – wenigstens glaubte es Könnern bei seinem ersten Erscheinen – brennend rothes Haar von einer ganz auffallenden Färbung, und als die kleine Gestalt sich zwischen den verschiedenen Gruppen der Auswanderer, zwischen Kochtöpfen, Kisten und in Betten eingepackten Kindern wie ein Ohrwurm durchwand, leuchtete sein Haar ordentlich irrwischartig, bis er draußen in den Buchen verschwand.

      »Da haben wir's!« sagte aber der Director, mit ganz anderen Gedanken wie mit Jeremias beschäftigt; »jetzt geschieht, was ich schon lange befürchtet habe. Das Auswanderungshaus, selbst meine eigene Wohnung gefüllt, – keinen Fuß breit Land vermessen, den neuen Colonisten einen eigenen Fleck Grundeigenthum anweisen zu können, kommt noch eine Schiffsladung frischer Kräfte dazu, und was ich indessen mit denen machen soll, weiß Gott!«

      »Und ist denn das nicht Sache des Präsidenten der Provinz,« fragte Könnern, »stets Land genug vermessen zu haben, um die Einwanderer unterbringen zu können?«

      »Allerdings ist es das, aber unser Präsident, – ein braver, guter Mann, der es wirklich ehrlich meint – ist schon seit längerer Zeit schwer krank, und seine Frau – ein intrigantes, coquettes Frauenzimmer – regiert indessen nach Herzenslust und hat eine Masse nichtsnutziger Protégés, die sie unter jeder Bedingung unterbringen will und unterbringt. So schickte sie mir vor sechs Monaten einen Kerl hieher – ich habe keinen andern Namen dafür – der das Land vermessen sollte, und nicht mehr davon verstand wie der Junge da. Glücklicher Weise faßte ich gleich Verdacht, paßte ihm auf und jagte ihn, wie ich merkte was an ihm war, wieder zum Teufel; er hätte uns sonst hier eine Heidenverwirrung angerichtet. Die Frau Präsidentin ist aber natürlich jetzt wüthend auf mich.«

      »Und leidet das die Regierung in Rio?«

      »Lieber Gott, einesteils erfährt sie nie den wahren Thatbestand, und dann ist es auch wirklich für sie schwer, gegen einen einmal eingesetzten höhern Beamten ernstlich einzuschreiten, so lange nicht directe Anklagen vorliegen. Jetzt verklagen Sie aber einmal von der Colonie Santa Clara aus den Präsidenten, der in Santa Catharina sitzt, oben in Rio de Janeiro – die Geschichte wäre gleich von vorn herein so weitläufig, daß man sie doch in Verzweiflung aufgeben würde, wenn man auch wirklich hoffen dürfte Etwas auszurichten – was man aber außerdem nicht darf. Doch unsere Suppe wird wahrhaftig kalt und die Kathrine nachher böse – also vor allen Dingen zum Essen« – und Könnern's Arm ergreifend, führte er ihn rasch der eigenen Wohnung zu.

      Unterwegs hielten sich die Beiden auch nicht auf. Nur ein einziges Mal blieb Könnern stehen, und den Arm gegen einen der kleinen Hügel ausstreckend, sagte er:

      »So viel ist sicher, nur der Deutsche und der Engländer – vielleicht auch noch der Holländer – hat den richtigen Sinn für eine nicht allein bequeme, sondern auch freundliche Umgebung seiner Heimath, baut sich sein Nest in Büsche und Blüthen hinein und pflanzt Rosen vor seine Thür, während besonders der Amerikaner höchstens einen Gemüsegarten daneben dulden würde. Sehen Sie nur, was für ein wunderbar romantisches Plätzchen sich jener Ansiedler wieder gewählt hat, dessen kleines Haus nur eben aus dem dunklen Grün der Büsche auf jenem Hügel da drüben herausblinzt.«

      »Ah, Sie meinen unseres Einsiedlers Villa,« lächelte der Director; »die Aussicht von seinem Hause aus hat er übrigens ganz zufällig bekommen, denn eine Palmengruppe verdeckte den Platz so vollständig, daß man von unten aus keine Ahnung hatte, dort oben sei eine menschliche Wohnung. Neulich nun warf der Sturm die kleinen Palmen um und das Haus bekam dadurch, wahrscheinlich vollkommen gegen den Willen seines Eigenthümers, eine reizende Aussicht.«

      »Gegen seinen Willen?«

      »Ich glaube, ja. Der Mann heißt Meier und lebt mit Frau und Tochter, einem jungen Gärtner und einer alten Dienstmagd, die sie hier angenommen, fast ganz abgeschieden von der Colonie und verkehrt fast mit Niemandem. Jammerschade noch dazu, denn das wäre in der That eine Familie, mit der man einen angenehmen Umgang haben könnte; aber man darf sich doch auch nicht aufdrängen, und da er mich, obgleich ich drei- oder viermal oben bei ihm war, noch nicht ein einziges Mal wieder besucht hat, so muß ich wohl annehmen, daß er es lieber sieht, wenn ich meine Besuche nicht wiederhole, und den Gefallen habe ich ihm denn auch gethan. – Aber da sind wir – sehen Sie, da oben steht die Kathrine schon am Treppenfenster – ja, ja, Alte, wir kommen schon. Was so eine alte Person für eine Tyrannei ausübt, wenn man einmal ein paar Minuten zu spät zum Essen kommt!«

      3.

      Bei der Frau Gräfin

      Die Frau Gräfin Baulen hatte des Directors Haus etwas in Aufregung verlassen, und der Gedanke daran, oder etwas Anderes auch vielleicht, lag ihr schwer auf dem Herzen, als sie ihrer eigenen Wohnung wieder zuschritt. Sie ging wenigstens mit auf den Boden gehefteten Blicken und erwiederte den Gruß etwa Begegnender nur mit einer leisen Beugung des Kopfes, ohne zu ihnen aufzusehen.

      So erreichte sie endlich das kleine freundliche Gebäude, das, von einem Garten umschlossen, an der äußersten Gränze der Ansiedelung lag, und wollte eben dasselbe betreten, als die beiden Reiter, ihr Sohn und ihre Tochter, wie sie durch den ganzen Ort geflogen waren, mit donnernden Hufen die Straße herabfegten, und dicht vor dem Hause ihre Thiere so rasch herumwarfen, daß sie die alte Dame fast gefährdet hätten.

      »Aber


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