Iphigenie auf Tauris. Johann Wolfgang von Goethe

Iphigenie auf Tauris - Johann Wolfgang von Goethe


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an Dianens heil'gen Stufen nicht,

      Nach altem Brauch, ein blutig Opfer, fiel.

      Iphigenie.

      Frei athmen macht das Leben nicht allein.

      Welch Leben ist's das an der heil'gen Stätte,

      Gleich einem Schatten um sein eigen Grab,

      Ich nur vertrauern muß? Und nenn' ich das

      Ein fröhlich selbstbewußtes Leben, wenn

      Uns jeder Tag, vergebens hingeträumt,

      Zu jenen grauen Tagen vorbereitet,

      Die an dem Ufer Lethe's selbstvergessend,

      Die Trauerschaar der Abgeschiednen feiert?

      Ein unnütz Leben ist ein früher Tod;

      Dieß Frauenschicksal ist vor allen meines.

      Arkas.

      Den edeln Stolz daß du dir selbst nicht g'nügest,

      Verzeih' ich dir, so sehr ich dich bedaure;

      Er raubet den Genuß des Lebens dir.

      Du hast hier nichts gethan seit deiner Ankunft?

      Wer hat des König trüben Sinn erheitert?

      Wer hat den alten grausamen Gebrauch,

      Daß am Altar Dianens jeder Fremde

      Sein Leben blutend läßt, von Jahr zu Jahr,

      Mit sanfter Überredung aufgehalten,

      Und die Gefangnen vom gewissen Tod

      In's Vaterland so oft zurückgeschickt?

      Hat nicht Diane, statt erzürnt zu sein,

      Daß sie der blut'gen alten Opfer mangelt,

      Dein sanft Gebet in reichem Maß erhört?

      Umschwebt mit frohem Fluge nicht der Sieg

      Das Heer? und eilt er nicht sogar voraus?

      Und fühlt nicht jeglicher ein besser Loos,

      Seitdem der König, der uns weis' und tapfer

      So lang geführet, nun sich auch der Milde

      In deiner Gegenwart erfreut und uns

      Des schweigenden Gehorsams Pflicht erleichtert?

      Das nennst du unnütz, wenn von deinem Wesen

      Auf Tausende herab ein Balsam träufelt?

      Wenn du dem Volke, dem ein Gott dich brachte,

      Des neuen Glückes ew'ge Quelle wirst,

      Und an dem unwirthbaren Todes-Ufer

      Dem Fremden Heil und Rückkehr zubereitest?

      Iphigenie.

      Das Wenige verschwindet leicht dem Blick,

      Der vorwärts sieht, wie viel noch übrig bleibt.

      Arkas.

      Doch lobst du den, der was er thut nicht schätzt?

      Iphigenie.

      Man tadelt den, der seine Thaten wägt.

      Arkas.

      Auch den, der wahren Werth zu stolz nicht achtet,

      Wie den, der falschen Werth zu eitel hebt.

      Glaub' mir und hör' auf eines Mannes Wort,

      Der Treu und redlich dir ergeben ist:

      Wenn heut der König mit dir redet, so

      Erleichtr' ihm was er dir zu sagen denkt.

      Iphigenie.

      Du ängstest mich mit jedem guten Worte;

      Oft wich ich seinem Antrag mühsam aus.

      Arkas.

      Bedenke was du thust und was dir nützt.

      Seitdem der König seinen Sohn verloren,

      Vertraut er wenigen der Seinen mehr,

      Und diesen wenigen nicht mehr wie sonst.

      Mißgünstig sieht er jedes Edeln Sohn

      Als seines Reiches Folger an, er fürchtet

      Ein einsam hülflos Alter, ja vielleicht

      Verwegnen Aufstand und frühzeit'gen Tod.

      Der Scythe setzt in's Reden keinen Vorzug,

      Am wenigsten der König. Er, der nur

      Gewohnt ist zu befehlen und zu thun,

      Kennt nicht die Kunst, von weitem ein Gespräch

      Nach seiner Absicht langsam fein zu lenken.

      Erschwer's ihm nicht durch ein rückhaltend Weigern,

      Durch ein vorsetzlich Mißverstehen. Geh

      Gefällig ihm den halben Weg entgegen.

      Iphigenie.

      Soll ich beschleunigen was mich bedroht?

      Arkas.

      Willst du sein Werben eine Drohung nennen?

      Iphigenie.

      Es ist die schrecklichste von allen mir.

      Arkas.

      Gib ihm für seine Neigung nur Vertraun.

      Iphigenie.

      Wenn er von Furcht erst meine Seele lös't.

      Arkas.

      Warum verschweigst du deine Herkunft ihm?

      Iphigenie.

      Weil einer Priesterin Geheimniß ziemt.

      Arkas.

      Dem König sollte nichts Geheimniß sein;

      Und ob er's gleich nicht fordert, fühlt er's doch

      Und fühlt es tief in seiner großen Seele,

      Daß du sorgfältig dich vor ihm verwahrst.

      Iphigenie.

      Nährt er Verdruß und Unmuth gegen mich?

      Arkas.

      So scheint es fast. Zwar schweigt er auch von dir;

      Doch haben hingeworfne Worte mich

      Belehrt, daß seine Seele fest den Wunsch

      Ergriffen hat dich zu besitzen. Laß,

      O überlaß ihn nicht sich selbst! damit

      In seinem Busen nicht der Unmuth reife

      Und dir Entsetzen bringe, du zu spät

      An meinen treuen Rath mit Reue denkest.

      Iphigenie.

      Wie? Sinnt der König, was kein edler Mann,

      Der seinen Namen liebt und dem Verehrung

      Der Himmlischen den Busen Bändiget,

      Je denken sollte? Sinnt er vom Altar

      Mich in sein Bette mit Gewalt zu ziehn?

      So ruf' ich alle Götter und vor allen

      Dianen, die entschloss'ne Göttin, an,

      Die ihren Schutz der Priesterin gewiß

      Und Jungfrau einer Jungfrau gern gewährt.

      Arkas.

      Sei ruhig! Ein gewaltsam neues Blut

      Treibt nicht den König, solche Jünglingsthat

      Verwegen


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