Der Stechlin. Theodor Fontane

Der Stechlin - Theodor Fontane


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fort wollen (wir haben nur noch wenig über eine Viertelstunde), so geb ich anheim, ob wir den Kaffee lieber in meinem Zimmer nehmen wollen oder draußen unter dem Holunderbaum.«

      Eine Gesamtantwort wurde nicht laut, aber während man sich unmittelbar danach erhob, küßte Czako der Schmargendorf die Hand und sagte mit einem gewissen Empressement: »Unter dem Holunderbaum also.«

      Die Schmargendorf verstand nicht im entferntesten, auf was es sich bezog. Aber das war Czako gleich. Ihm lag lediglich daran, sich ganz privatim, ganz für sich selbst, die Schmargendorf auf einen kurzen, aber großen Augenblick als »Käthchen« vorstellen zu können.

      Im übrigen zeigte sich's, daß nicht bloß Czako, sondern auch Rex und Woldemar für den Holunderbaum waren, und so näherte man sich denn diesem.

      Es war derselbe Baum, den die Herren schon beim Einreiten in den Klosterhof gesehen, aber in jenem Augenblick wenig beachtet hatten. Jetzt erst bemerkten sie, was es mit ihm auf sich habe. Der Baum, der uralt sein mochte, stand außerhalb des Gehöftes, war aber, ähnlich wie der Pflaumenbaum im Garten, mit seinem Gezweig über das zerbröckelte Gemäuer fortgewachsen. Er war an und für sich schon eine Pracht. Was ihm aber noch eine besondere Schönheit lieh, das war, daß sein Laubendach von ein paar dahinter stehenden Ebereschenbäumen wie durchwachsen war, so daß man überall neben den schwarzen Fruchtdolden des Holunders die leuchtenden roten Ebereschenbüschel sah. Auch das verschiedene Laub schattierte sich. Rex und Czako waren aufrichtig entzückt, beinahe mehr als zulässig. Denn so reizend die Laube selbst war, so zweifelhaft war das unmittelbar vor ihnen in großer Unordnung und durchaus ermangelnder Sauberkeit ausgebreitete Hofbild. Aber pittoresk blieb es doch. Zusammengemörtelte Feldsteinklumpen lagen in hohem Grase, dazwischen Karren und Düngerwagen, Enten- und Hühnerkörbe, während ein kollernder Truthahn von Zeit zu Zeit bis dicht an die Laube herankam, sei's aus Neugier oder um sich mit der Triglaff zu messen.

      Als sechs Uhr heran war, erschien Fritz und führte die Pferde vor. Czako wies darauf hin. Bevor er aber noch an die Domina herantreten und ihr einige Dankesworte sagen konnte, kam die Schmargendorf, die kurz vorher ihren Platz verlassen, mit dem großen Kohlblatt zurück, auf dem die beiden zusammengewachsenen Pflaumen lagen. »Sie wollten mir entgehen, Herr von Czako. Das hilft Ihnen aber nichts. Ich will mein Vielliebchen gewinnen. Und Sie sollen sehen, ich siege.«

      »Sie siegen immer, meine Gnädigste.«

      Neuntes Kapitel

      Rex und Czako ritten ab; Fritz führte Woldemars Pferd am Zügel. Aber weder die Schmargendorf noch die Triglaff erwiesen sich, als die beiden Herren fort und die drei Damen samt Woldemar in die Wohnräume zurückgekehrt waren, irgendwie beflissen, das Feld zu räumen, was die Domina, die wegen zu verhandelnder difficiler Dinge mit ihrem Neffen allein sein wollte, stark verstimmte. Sie zeigte das auch, war steif und schweigsam und belebte sich erst wieder, als die Schmargendorf mit einem Male glückstrahlend versicherte: jetzt wisse sie's; sie habe noch eine Photographie, die wolle sie gleich an Herrn von Czako schicken, und wenn er dann morgen mittag von Cremmen her in Berlin einträfe, dann werd er Brief und Bild schon vorfinden und auf der Rückseite des Bildes ein »Guten Morgen, Vielliebchen«. Die Domina fand alles so lächerlich und unpassend wie nur möglich; weil ihr aber daran lag, die Schmargendorf loszuwerden, so hielt sie mit ihrer wahren Meinung zurück und sagte: »Ja, liebe Schmargendorf, wenn Sie so was vorhaben, dann ist es allerdings die höchste Zeit. Der Postbote kann gleich kommen.« Und wirklich, die Schmargendorf ging, nur die Triglaff zurücklassend, deren Auge sich jetzt von der Domina zu Woldemar hinüber und dann wieder von Woldemar zur Domina zurückbewegte. Sie war bei dem allem ganz unbefangen. Ein Verlangen, etwas zu belauschen oder von ungefähr in Familienangelegenheiten eingeweiht zu werden, lag ihr völlig fern, und alles, was sie trotzdem zum Ausharren bestimmte, war lediglich der Wunsch, solchem historischen Beisammensein eine durch ihre Triglaffgegenwart gesteigerte Weihe zu geben. Indessen schließlich ging auch sie. Man hatte sich wenig um sie gekümmert, und Tante und Neffe ließen sich, als sie jetzt allein waren, in zwei braune Plüschfauteuils (Erbstücke noch vom Schloß Stechlin her) nieder, Woldemar allerdings mit äußerster Vorsicht, weil die Sprungfedern bereits jenen Altersgrad erreicht hatten, wo sie nicht nur einen dumpfen Ton von sich zu geben, sondern auch zu stechen anfangen.

      Die Tante bemerkte nichts davon, war vielmehr froh, ihren Neffen endlich allein zu haben, und sagte mit rasch wiedergewonnenem Behagen: »Ich hätte dir schon bei Tische gern was Bessres an die Seite gegeben; aber wir haben hier, wie du weißt, nur unsre vier Konventualinnen, und von diesen vieren sind die Schmargendorf und die Triglaff immer noch die besten. Unsre gute Schimonski, die morgen einundachtzig wird, ist eigentlich ein Schatz, aber leider stocktaub, und die Teschendorf, die mal Gouvernante bei den Esterhazys war und auch noch den Fürsten Schwarzenberg, dessen Frau in Paris verbrannte, gekannt hat, ja, die hätt ich natürlich solchem feinen Herrn wie dem Herrn von Rex gerne vorgesetzt, aber es ist ein Unglück, die arme Person, die Teschendorf, ist so zittrig und kann den Löffel nicht recht mehr halten. Da hab ich denn doch lieber die Triglaff genommen; sie ist sehr dumm, aber doch wenigstens manierlich, soviel muß man ihr lassen. Und die Schmargendorf …«

      Woldemar lachte.

      »Ja, du lachst, Woldemar, und ich will dir auch nicht bestreiten, daß man über die gute Seele lachen kann. Aber sie hat doch auch was Gehaltvolles in ihrer Natur, was sich erst neulich wieder in einem intimen Gespräch mit unserm Fix zeigte, der trotz aller Bekenntnisstrenge (die selbst Koseleger ihm zugesteht) an unserm letzten Whistabend Äußerungen tat, die wir alle tief bedauern mußten, wir, die wir die Whistpartie machten, nun schon ganz gewiß, aber auch die gute, taube Schimonski, der wir, weil sie uns so aufgeregt sah, alles auf einen Zettel schreiben mußten.«

      »Und was war es denn?«

      »Ach, es handelte sich um das, was uns allen, wie du dir denken kannst, jetzt das Teuerste bedeutet, um den ›Wortlaut‹. Und denke dir, unser Fix war dagegen. Er mußte wohl denselben Tag was gelesen haben, was ihn abtrünnig gemacht hatte. Personen wie Fix sind sehr bestimmbar. Und kurz und gut, er sagte: das mit dem ›Wortlaut‹, das ginge nicht länger mehr, die ›Werte‹ wären jetzt anders, und weil die Werte nicht mehr dieselben wären, müßten auch die Worte sich danach richten und müßten gemodelt werden. Er sagte ›gemodelt‹. Aber was er am meisten immer wieder betonte, das waren die ›Werte‹ und die Notwendigkeit der ›Umwertung‹.«

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