Nach Amerika! Ein Volksbuch. Vierter Band. Gerstäcker Friedrich

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wie jetzt auf die Schultern schlagen und sagen: 'nu Graf Fischer, altes Haus, wie gehts, how do you thuts Euch?'«

      »Ich glaube auch nicht daß Graf Olnitzki Anspruch auf eine höhere Stellung macht« sagte Fräulein von Seebald.

      »Ne, kann ich mir denken« sagte Charley freundlich, »würde ihm auch gar Nichts helfen; besonders hier nicht in Arkansas. Wir haben hier übrigens eine ganze Menge Polen; da ist der Graf Doraski am Red River und der Graf Potelsk – Podelscyk – na wie heißt er denn gleich, verwünschte Namen tragen die Polen manchmal, und die Amerikaner haben ganz recht wenn sie meinen, man könnte sie nur aussprechen wenn man dreimal nießte und dann ski sagte – na es ist einerlei wie er heißt. Sonderbar, von Polen kommen blos lauter Grafen hier her, denn wenn man einen Polen findet, kann man sich auch fest darauf verlassen daß es ein heimlicher Graf ist; es muß ungeheuer viel Grafen dort im Lande geben.«

      »Wie sind aber nur die Verhältnisse der Ansiedler hier in der Nähe von Little Rock?« frug Fräulein von Seebald, die es drängte etwas Näheres über die ihr am Herzen liegenden Menschen zu hören, »kommen sie manchmal, an Sonntagen vielleicht, in die Stadt, zu Theatern oder Concerten? – haben die Deutschen untereinander nicht Bälle oder andere Festlichkeiten, bei denen sie sich zusammenfinden und vergnügt sind? das Waldleben denke ich mir wundervoll, herrlich, aber das Schönste bedarf doch manchmal einer Abwechslung.«

      »Bälle? – ja, die haben wir manchmal hier unter den Deutschen« lachte Charley Fischer vergnügt vor sich hin, vielleicht in der Erinnerung mancher dabei verlebter Stunden, »und amüsiren thun sie sich dabei im Anfang und prügeln am Schluß, gerade wie bei uns zu Hause; aber wenn die Farmer, besonders die, die so weit wegwohnen, dazu hereinkommen wollten, da hätten sie viel zu thun. Die Männer ja, die reiten manchmal her, stehen4 auch wohl ein paar Tage und verthun was sie herein gebracht haben an Produkten, manchmal auch noch das mit, was sie das nächste Mal bringen wollen, aber die Frauen bleiben zu Hause und hüten das und ihre Kinder, und haben dabei alle Hände voll zu thun.«

      »Aber die Nachbarn kommen dann unter einander wahrscheinlich sehr häufig zusammen.«

      »Ja, wenn sie Nachbarn haben, die Nachbarschaft in Arkansas soll aber der Henker holen,« sagte Charley – »die nennen sich so und wenn sie zwanzig Meilen von einander sitzen.«

      »Das ist ein Beweis für ihre Geselligkeit« lächelte Fräulein von Seebald.

      »Ja schöne Geselligkeit, wenn Niemand dazwischen wohnt« meinte Charley – »ne, da lob' ich mir Little Rock; wenn mir da mein eigener Brandy nicht mehr schmeckt, gehe ich um die Ecke herum zum Georg und trinke da anderen, und alle Wochen kommen ein paar Dampfboote den Strom herauf oder herunter, die auch Neues bringen, und wo man doch etwas zu hören und zu sehn bekommt. S'ist ein ganz famoses Leben in Little Rock.«

      Fräulein von Seebald fühlte sich, obgleich ihr der fremde Deutsche gar nichts Direktes von den Ihrigen sagen konnte, und diese jedenfalls in ganz andern Verhältnissen lebten wie er sie hier schilderte, doch unangenehm berührt durch diese Beschreibung, sie wußte eigentlich selber nicht recht weshalb. Es war ihr auch erwünscht daß die Unterhaltung in diesem Augenblick durch die in der Cajüte geläutete Klingel, das Zeichen zum Mittagstisch, abgebrochen wurde, und sie zog sich mit einer leichten dankenden Verbeugung gegen Herrn Fischer, die dieser mit einem freundlichen Kopfnicken erwiederte, in die Ladies cabin zurück, dort den Nachmittag hindurch ihren eignen Betrachtungen und Gedanken nachzuhängen.

      Das Boot setzte indessen rasch und wacker seinen Weg fort; die Scenerie blieb dieselbe – Wald – endloser Wald an beiden Seiten, der sich selbst bei kleinen einzeln zerstreuten Städten, die sie trafen, bis dicht um diese her zu ziehen schien, als ob er wieder frisch aufgewachsen sei, seit sie entstanden, und das Land zurück verlange, das sie ihm abgedrängt.

      Am nächsten Tag, gegen Abend, erreichten sie Little Rock, und die breite, weit ausgehauene Lichtung verrieth schon von weitem eine größere Ansiedlung, wie sie bis jetzt getroffen. Als sie näher kamen erkannten sie große ansehnliche steinerne Gebäude, allerdings oft neben kleinen modernen Holzhütten, und eine Dampffähre spielte über dem Strome nach dem andern Ufer hinüber. Auch der Landungsplatz, gegen den sie jetzt aufliefen, bot, wenn auch nicht mit New-Orleans zu vergleichen, doch das belebte Bild einer größeren, geschäftigen Stadt, die hier im Herzen eines sonst noch ziemlich wilden Staates entstanden; Karrenführer von allen Farben drängten sich herbei Güter und Passagiergut fortzuführen, sobald nur die Taue ausgeworfen und die Planken übergeschoben wären, und eine Menge Ungeduldiger, wie auf allen Landungspunkten am ganzen Strom hinab, warteten mit Sehnsucht auf den Augenblick, wo sie an Bord springen konnten, Neues und Neuigkeiten in Empfang zu nehmen, oder gegen die mageren Stadt-Berichte einzutauschen.

      Fräulein von Seebald befand sich aber jetzt wirklich in Verlegenheit, denn in der festen Überzeugung, und gar nichts anderes für möglich haltend, als daß eine Post doch wenigstens die Woche ein paar Mal nach jener Ansiedlung, auf der ihre Schwester wohnte, hinauf laufen müsse, hatte sie ihr ganzes Gepäck, drei Koffer und mehre Hutschachteln mit noch ein paar kleinen Kisten, die Geschenke für Schwester und Schwager enthielten, mit an Bord des Dampfers genommen. Wie sollte sie die jetzt mit fortbringen, in den Wald hinein? und fort mußten sie, denn sie brauchte, wie sie meinte, dort Alles nothwendig was sie enthielten.

      Charley Fischer half ihr da übrigens, als die Landung nur erst überstanden und er alle seine tausend Freunde begrüßt und mit ihnen, wie er's nannte, Hands geschäkt5 hatte, aus der Noth, denn er war erstlich nicht der Mann irgend Jemanden, aus dem er irgend einen Nutzen zu ziehen hoffte, unbeachtet zu lassen, dann aber auch die gutmüthige Gefälligkeit gegen Damen selber, und glaubte hier noch dazu das doppelte Interesse an einer Reisegefährtin nehmen zu müssen. Kaum daher in die Stadt hinauf gekommen, sah er sich auch schon, alles Übrige indeß hintansetzend, auf das Eifrigste nach einer möglichen Gelegenheit nach Oakland grove um, wozu die Landung selber der beste Platz war, da dort fast alle Gastwirthe, oder doch Leute von ihnen, bei der Ankunft eines Dampfers zusammen kamen. Zufällig war in der That ein Geschirr – freilich nur ein gewöhnlicher Leiterwagen von Rosemores (einer Farm, die eine kleine Strecke überhalb der Oakland grove lag) in Little Rock, hatte Butter, Eier, geräucherte Hirschkeulen und andere Produkte hereingebracht, und nahm Mehl, Kaffee, Zucker, Brandy etc. etc., kurz Provisionen die dort nicht zu bekommen waren, wieder mit hinaus. Der Fuhrmann wollte am nächsten Morgen mit der ersten Fähre über den Strom gehen und, da er nur halbe Ladung hatte mit Vergnügen gegen eine mäßige Entschädigung die Sachen der Dame bis zu »Billy Jones clearing« mitnehmen, von wo aus ein Fuß- oder Reitpfad nach Old Nitzkys range, wie der Mann den Namen des Grafen Olnitzki mishandelte, hinüberlief. Wollte die Dame bis Billy Jones mit auf seinem Wagen fahren, so war sie »perfectly welcome«, das heißt: er stand ihr mit Freuden zu Diensten, und durch ein oder zwei Arme voll Maishülsen ließ sich auch schon zur Noth ein ziemlich bequemer Sitz herstellen.

      Charley Fischer lief ungesäumt mit dieser »guten Nachricht« an Bord zurück, wo Fräulein von Seebald eben in ziemlicher Ungewißheit war, ob sie die Karte des Herrn Charley Fischer benutzen, oder ihr Gepäck in ein anderes Gasthaus sollte schaffen lassen, dessen riesige Firma sie schon über die Straße herüberleuchten sah. Des kleinen gefälligen Mannes Erscheinen entschied dies zu seinem Gunsten, die Koffer und Kisten wurden aufgeladen, und die junge Dame befand sich bald darauf in einem kleinen kahlen unbehaglichen, nicht überreinlichen Gemach auf Pinestreet, in dem sie jedoch bald von der freundlichen Wirthin selber aufgesucht und unterstützt wurde ihre Toilette zur Abendtafel, die aus einem recht guten compakten Mahl mit Thee bestand, vorzubereiten.

      Charley Fischer hätte nun gar zu gern diese Gelegenheit benutzt, aus seinem Gast alles nur Mögliche über ihre Lebensverhältnisse und besonders den Zweck ihrer Reise heraus zu bekommen, denn daß eine junge Dame eine solche Fahrt allein unternommen, hatte jedenfalls auch etwas ganz Absonderliches zu bedeuten. Nun sagte ihm Fräulein von Seebald allerdings ganz einfach, daß sie nur nach Arkansas gekommen wäre ihre, an den Grafen Olnitzki verheiratete Schwester zu besuchen, aber das glaubte er ihr natürlich nicht, und suchte nun erst recht etwas Geheimnißvolles unter dem Besuch. Je bereitwilliger und freigebiger er dabei mit seiner eigenen Lebensgeschichte war, desto mehr verdroß es ihn


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<p>4</p>

stehen, der deutsch-amerikanische Ausdruck von bleiben von dem Englischen to stay.

<p>5</p>

To shake hands die Hand schütteln.