Nach Amerika! Ein Volksbuch. Vierter Band. Gerstäcker Friedrich

Nach Amerika! Ein Volksbuch. Vierter Band - Gerstäcker Friedrich


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bedingte nicht ein fast Indianisches Leben, die Leute konnten es sich, wenn sie den Trieb und die Lust dazu hatten, wohnlich und bequem machen, und mehr noch durfte sie das jetzt bei Olnitzkis erwarten, die sogar das Bedürfniß dazu vom alten Vaterland mit herüber gebracht.

      Auch das Innere des Hauses war weit verschieden von dem der letzten Farm, wo sie Mittag gegessen. Statt der zerbrochenen Rohrstühle und umgedrehten Fässer, die dort als Sitze dienen mußten, fand sie hier ordentliche Meublen; sogar einen Secretair und ein kleines dicht besetztes Bücherbret. Große reinlich überzogene und mit bunten Decken und jetzt aufgeschlagenem Mosquitos-Netz versehene Betten füllten den hinteren Raum aus, große eiserne Holzstützen mit blankgescheuerten Messingknöpfen lagen im Kamin, neben dem, ebenfalls von Messing, Schaufel und Zange hingen; Fenster mit reinlichen Gardinen daran waren sogar in die mächtigen Stämme, welche die Wände bildeten, eingeschnitten, und der bald darauf mit dem weißesten Linnen bedeckte Tisch zeigte eine Menge von delikaten Speisen.

      Der ganze Platz, mit dem freundlichen Benehmen seiner Bewohnerinnen, die ordentlich herzlich gegen sie wurden als sie erst erfuhren weshalb und wie weit sie hierher gekommen, heimelte sie an; das war, wenn auch mit sehr bescheidenen Ansprüchen, eine Waldwohnung, wie sie sich solche früher wohl gedacht und ausgemalt – hier in der stillen Einsamkeit des Forst's, unter dem leisen Rauschen der Waldwipfel, von keinen äußeren Stürmen getroffen und berührt, lebte ein einfach glückliches Volk – glücklich in seiner Ruhe und Freiheit, und der Traum einer solchen Existenz, von kalten egoistischen Menschen im alten Vaterlande oft verlacht und verspottet, war endlich Wahrheit geworden und lag in Wirklichkeit hier um sie her. Mit dem seligen Gefühl wuchs aber auch die Sehnsucht nach der Schwester, und sie konnte den Morgen schon kaum erwarten, der ihr wieder auf ihren Weg leuchten sollte, in die Arme der Geliebten zu eilen.

      Auch die Entfernung war nicht mehr so groß; nur noch zehn englische Meilen etwa von hier – ein flüchtiges Pferd hätte solche Strecke in einer Stunde durchlaufen können, lag Olnitzkis Farm (das Wort Plantage hatte sie endlich fallen lassen) oder Olnitzkis »improvement« wie es die Leute auch hier nannten; wenn sie bei Zeiten aufbrachen, konnten sie den Platz recht gut um Mittag erreichen und dann. – Wie ihr das Herz so ungeduldig – so freudig und doch auch wieder so ängstlich pochte; lieber Gott, zehn Jahre sind eine lange Zeit – zehn Jahre hatte sie die Schwester nicht gesehen, in den letzten Jahren sogar nicht einmal etwas von ihr gehört, wie manches Schmerzliche ihr dabei mitzutheilen aus der Heimath, die jene, ein Kind noch fast und von dem Glück der ersten Liebe wie berauscht, verlassen. Die Mutter war vor zwei Jahren gestorben, und wenn auch Sidonie die Trauerbotschaft bekommen, blieb das erste Begegnen der Geschwister nach dem Verlust doch immer schmerzlich, und mußte ja die Freude des Wiedersehens trüben. Aber fort mit solch traurigen Gedanken jetzt, wo sie so viel des Freudigen auch dabei brachte – ihr Bruder war von seinem Hofe ehrenvoll ausgezeichnet und angestellt worden, ihre jüngste Schwester die Braut eines geliebten Mannes, ihr Vater noch immer rüstig und gesund, stand seinen Berufsgeschäften wie jemals vor, nur mit dem einen Verlangen, sein Kind, sein liebes Kind, das er damals so ungern von sich gelassen, noch einmal wieder zu sehen. Wie hatte er sich in jener Zeit gesträubt seine Einwilligung zu einem Bündniß zu geben, das er allein der tollen Schwärmerei des Augenblicks zugeschrieben, und in das er nur endlich willigte, sein Kind durch eine Weigerung nicht noch vielleicht unglücklicher zu machen, als es, wie er fürchtete, durch die Verbindung werden würde. Jetzt lag die Zeit in weiter Ferne hinter ihnen. Sidonie war glücklich geworden, wie alle ihre Briefe ja bezeugten, und wenn sich auch die Schwärmerei der ersten Jugendliebe in ein ruhigeres und stilleres Gleis die Bahn geöffnet, so hatte sie doch auch mit keiner Zeile ja erwähnt, daß sie sich fortsehne aus dem neuen, selbst gewählten Leben, daß sie bereue den Schritt gethan zu haben, der sie aus den Armen ihrer Familie, der sie aus dem Vaterlande riß.

      Viel Unglück hatte sie trotzdem gehabt – der älteste Knabe war ihr im vierten Jahr gestorben, und in dem letzten Brief, den sie zu Haus geschrieben – schon zwei Jahr her, schien ihr auch das jüngste Kind, ein Mädchen, schwer erkrankt. Aber seit dem, und nach dem Tod der Mutter, hatte kein Brief von ihr die Heimath mehr erreicht, und nur ein einziges Mal war mündlich Nachricht von ihnen durch einen Fremden hinübergedrungen, der den Grafen Olnitzki zufällig in Little Rock gesprochen, und von diesem erfahren hatte, daß sich die Frau vollkommen wohl befinde und in ihrem, allerdings etwas einsamen Aufenthalt von Herzen glücklich fühle.

      Wunderbarer Weise behaupteten aber auch Rosemores nicht im Stande zu sein ihr genügende oder nähere Auskunft über die, doch nur kurze Strecke von ihnen entfernt wohnenden Leute zu geben. Olnitzki allerdings kam manchmal herüber zu ihnen, ja hatte sogar früher schon einige Mal in ihrem Hause übernachtet, die Frau dagegen sich noch nie bei ihnen blicken lassen.

      »Aber sie hatte doch andere Nachbarn in ihrer Nähe?«

      »Allerdings, Jack Owen wohnte kaum tausend Schritt von ihrem Hause entfernt an der bearlick ridge, und Sam Houston, ein anderer Farmer hatte sich, etwa eine Meile oberhalb des »postoak hollow« niedergelassen. – Beide waren verheirathet, und verkehrten gewiß mit einander, und besonders Jack Owens junge Frau war ein liebes braves Weibchen. Wunderbarer Weise wußten diese »Nachbarn« nicht einmal ob Olnitzkis Kinder hatten, und wie viel – ein oder zwei waren ihnen gestorben, aber auch das nur als Gerücht zu ihnen gedrungen, denn dort hinein führte kein bestimmter Weg, zu ihnen heraus kamen die Leute auch nicht, so bildete sich denn jeder seinen Wirkungskreis in der eigenen Umgebung, den Nachbar entbehrend und sich wenig um ihn kümmernd.«

      Aber was bedurfte Amalie von Seebald auch jetzt noch weitläufiger Berichte, wo sie sich ja morgen schon – in wenigen Stunden – selber von Allem mit eigenen Augen überzeugen konnte. Nur wie sie hinüber kommen sollte beunruhigte sie noch; die Frauen vertrösteten sie aber auf die Ankunft der Männer, die jedenfalls zum Abendbrod daheim sein und schon Mittel und Wege finden würden sie mit ihrem Gepäck hinüber zu schaffen. Lieber Gott, das sei nicht mehr als ihre Schuldigkeit, dafür zu sorgen daß eine einzelne Frau, die so vertrauungsvoll hier herüber zu ihnen gekommen war, auch nicht ohne Hülfe und Beistand gelassen würde, und Billy Jones, der Schwiegersohn des alten Rosemore, oder Mr. Rosemore selber fänden da schon Rath.

      Hundegebell und Pferdegestampfe kündigte die Erwarteten, die irgendwo im Walde gewesen waren nach ein paar ausgebliebenen Kühen zu sehn, auch schon vor Dunkelwerden an, und drei Reiter hielten gleich darauf vor Rosemores Thür, sprangen aus den Sätteln, die sie mit dem Zaum den Thieren abnahmen, ihre weitere Versorgung einem herbeispringenden Negerknaben überlassend, und betraten bald darauf die innere Fenz, zum Hause kommend.

      »Das trifft sich glücklich!« rief da Sarah, Mr. Rosemores jüngste Tochter, die in die Thür getreten war den Vater zu begrüßen, »da ist Mr. Owen von bearlick ridge selber, mit Vater und Bill; der weiß Rath und geht gewiß morgen früh ebenfalls nach seinem Haus zurück.«

      »Halloh Miß Sarah,« lachte der also bezeichnete back-woodsman, der die Worte verstanden hatte, und mit seinem Sattel über dem linken Arm, seine Büchse in der Rechten, zum Hause heran kam, »haben Sie mich erwartet?«

      »Ich nicht, Mr. Owen,« lachte das junge Mädchen, »aber eine fremde lady, die hier im Hause sitzt, und vor Sehnsucht nach Ihnen schon fast vergangen ist.«

      »Alle Wetter,« rief der Jäger, seinen Sattel rasch unter den Zwischenbau der beiden Häuser legend und die lange Büchse daneben lehnend – »eine fremde lady? das wäre der Teufel.«

      »Nun der Teufel gerade nicht Mr. Owen,« sagte die Matrone, mit einem leisen Vorwurf in dem Ton, mit dem sie das Wort wiederholte.

      »Bitte tausend Mal um Entschuldigung Missis Rosemore,« sagte der Mann, leicht erröthend, indem er ihr die Hand entgegenstreckte – »es fuhr mir nur so heraus; Ihr wißt ja schon, ich mein' es nicht so bös.«

      Es war eine kräftige, männliche Gestalt, der Mann, in die gewöhnliche Tracht der Hinterwäldler, in ein ledernes Jagdhemd mit eben solchen Leggins gekleidet; an den Füßen trug er Moccasins von demselben Stoff, auf dem Kopf aber einen alten abgetragenen, arg mißhandelten Filz, und an der rechten Seite seine Kugeltasche, während an der Linken in dem breiten Ledergürtel, das lange Amerikanische Bowie- oder Jagdmesser stak. Das Haar war gelockt, sein Auge blau und der Ausdruck seines Gesichts entschieden


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