Unter Palmen und Buchen. Erster Band.. Gerstäcker Friedrich

Unter Palmen und Buchen. Erster Band. - Gerstäcker Friedrich


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dann hoffe ich auch mit dem Uebrigen fertig zu werden. Bis dahin bitte ich Dich nur um eins und das mußt Du mir versprechen: Dich nicht absichtlich trüben Gedanken hinzugeben, sondern sie, so viel das nur irgend in Deinen Kräften steht, zu bewältigen – das Uebrige findet sich dann. Thust Du mir den Gefallen?«

      »Von Herzen gern,« sagte die Frau seufzend, »ach Du weißt ja nicht, Theodor, wie furchtbar schmerzlich mir selber das Gefühl ist und ich will ja gern Alles thun um es zu ersticken.«

      »Dann wird auch noch Alles gut gehen, mein Kind,« erwiderte mit erleichtertem Herzen Bertling, indem er sie an sich zog und küßte – »und nun gilt es vor allen Dingen, meinen flüchtig gewordenen Besuch aufzutreiben, und da mir die Polizei zu Gebote steht, hoffe ich, daß das nicht so schwer sein soll.«

      »Ich fürchte, Du wirst ihn nicht finden,« sagte Auguste.

      »Das laß meine Sorge sein,« lächelte ihr Mann – »und nun wollen wir Thee trinken.«

Viertes CapitelDie Kartenschlägerin

      Bertling stand sonst nicht gern vor acht Uhr Morgens auf, und liebte es seinen Caffee im Bett zu trinken. Er gehörte auch zu den ruhigen Naturen, die sich durch kein Ereigniß, durch keine Sorge den Nachtschlaf rauben lassen, sondern Alles, was sie bedrücken oder quälen könnte, über Tag abmachen. Heute war er aber doch schon um sieben Uhr auf den Füßen und vollständig angezogen, und ging jetzt selber aus, um vor allen Dingen der Polizei eine genaue Personalbeschreibung seines gestrigen Besuches zu geben, wie ebenfalls eine gute Belohnung auf dessen Ausfindigmachung zu setzen. Natürlich durfte der Mann, wenn wirklich gefunden, durch Nichts belästigt werden; nur seinen Namen und seine Wohnung wollte er wissen, und ihn dann selber aufsuchen.

      Die Polizei entwickelte auch eine ganz besondere Thätigkeit, denn zehn Thaler waren nicht immer so leicht zu verdienen. Nach allen Seiten breiteten sich ihre Diener aus und hatten auch in der That schon den ersten Tag in den verschiedenen Revieren einige zwanzig Leute aufgetrieben, die der gegebenen Beschreibung allenfalls entsprachen, den Justizrath aber in nicht geringe Verlegenheit setzten. Er bekam nämlich dadurch einige zwanzig Adressen von ihm völlig unbekannten Leuten, die in den verschiedensten Theilen der Stadt sämmtlich die 3te oder 4te Etage zu bewohnen schienen und wohl oder übel mußte er seine Wanderung danach beginnen, denn zu sich citiren konnte er sie natürlich nicht.

      Wie man sich denken kann, fand er auch die Hälfte von ihnen nicht einmal beim ersten Besuch zu Haus, und wenn er sie fand, sah er sich wieder und wieder getäuscht, denn der Rechte war nicht unter ihnen. Vier Tage lang aber setzte er mit unverdrossener Mühe seine Versuche fort, immer aufs Neue getäuscht, aber immer auf's Neue hoffend, daß ihm der nächste Name den Gesuchten vorführen würde.

      Dabei hegte er noch immer den stillen Glauben, daß der Mann, der an jenem Abend jedenfalls etwas von ihm gewollt, vielleicht sogar von selber wiederkehren würde – aber er sah sich darin ebenso getäuscht, wie in seinen eigenen Versuchen ihn aufzufinden. Der räthselhafte Mensch schien wie in den Boden hinein verschwunden.

      Am Meisten beunruhigte ihn dabei seine Frau. Sie wußte recht gut, wen er die ganzen Tage über, mit Vernachlässigung aller seiner nothwendigsten Geschäfte, gesucht habe; nie aber, wenn er körperlich ermattet und geistig abgespannt zum Mittags- oder Abendbrot heim kam, frug sie ihn nach dem Resultat seiner heutigen Suche – sie schien das schon vorher zu wissen, sondern nickte nur immer still und schweigend mit dem Kopf, als ob sie hätte sagen wollen: Es ist ja natürlich – wie kannst Du ein Wesen in der Stadt finden wollen, das gar nicht auf der Erde körperlich existirt – und dem Justizrath war es dann jedesmal, als ob er wie ein Maschinenwerk frisch aufgezogen wäre, und die Zeit gar nicht erwarten könne, in der er wieder anfinge zu laufen.

      Er war heute Nachmittag aber erst um vier Uhr fortgegangen, weil einige nothwendige Arbeiten erledigt werden mußten, um sieben Uhr hatte er außerdem eine Sitzung und seiner Frau gesagt, daß er heute nicht vor neun Uhr nach Hause kommen könne – wäre er aber im Stande sich früher loszumachen, so thäte er es sicher. Dann ging er jedoch zu Janisch hinüber und bat die junge Frau, ob sie heute Nachmittag nicht ein wenig die Freundin besuchen könne. Sie sei heute so merkwürdig niedergeschlagen, und da er durch nothwendige Geschäfte abgehalten wäre, würde es ihm eine große Beruhigung sein, wenn sie ihr Gesellschaft leisten wollte.

      Die stets heitere und freundliche Hofräthin versprach das von Herzen gern, ja meinte, sie hätte es sich heute sogar schon selber vorgenommen gehabt, Augusten aufzusuchen, da sie – einen Scherz vorhabe bei dem sie ihre Mitwirkung wünsche.

      »Sie sind ein Engel,« sagte der Justizrath mit einer, an ihm ganz ungewohnten Galanterie, denn durch die freundliche Zusage schien sich ihm eine Last vom Herzen zu wälzen, und vollständig versichert, daß seine Frau jetzt für den Nachmittag und Abend Zerstreuung und also keine Zeit habe, ihren trüben Gedanken nachzuhängen, ging er mit Ernst und gutem Willen auf's Neue an die undankbare Arbeit, eine unbestimmte Persönlichkeit, von der er weder Namen, Stand noch Wohnung wußte, in der ziemlich weitläufigen Stadt aufzusuchen.

      Die Hofräthin Janisch hielt indessen Wort; kaum eine halbe Stunde später war sie drüben bei der Freundin und hatte ihr so viel zu erzählen und plauderte dabei so liebenswürdig, daß Auguste das sonst so schwer auf ihr lastende Gefühl endlich ganz vergessen zu haben schien. Bertling würde seine herzinnige Freude daran gehabt haben, wenn er sie in dieser Zeit hätte sehen können.

      Indessen war die Dämmerung hereingebrochen. Eben aber wie Licht gebracht werden sollte, sagte Pauline:

      »Hör einmal, liebes Herz, ich – ich habe etwas vor, bei dem Du mir helfen sollst – willst Du? – es ist nur ein Scherz.«

      »Von Herzen gern, was ist es?«

      »In Eurem Hause wohnt eine Frau – nun wie heißt sie doch gleich – eine Frau Heßling oder –«

      »Heßberger? Das ist die Schuhmachers Frau, gleich über uns. Meinst Du die?«

      »Ganz recht. Ihr Mann arbeitet für uns und die Frau – aber Du darfst mich nicht auslachen, Schatz – die Frau soll ganz vortrefflich Karten schlagen können.«

      Auguste lächelte. »Ich habe auch schon davon gehört,« nickte sie leise vor sich hin, »und der Mann hat dabei die komische Eigenschaft, daß er das für eine Kunst des Teufels hält, es der Frau aber doch nicht verbietet, weil sie Geld damit verdient. Um aber das Unheil abzuwenden, das dadurch auf ihn fallen könnte, singt er jedes Mal, so lange die Frau mit solch unheiliger Beschäftigung hantirt, im Nebenzimmer und mit lauter Stimme geistliche Lieder, die in der Nähe schauerlich klingen müssen, denn schon aus der oberen Etage herunter haben sie uns oft zur Verzweiflung getrieben. Bei Gewittern macht er es ebenso.«

      »Das stimmt Alles,« lächelte Pauline, »und jetzt wollte ich Dir nur mittheilen, Schatz, daß ich gesonnen bin, Dich diesen musikalischen Ohrenschmaus ganz in der Nähe genießen zu lassen.«

      »Mich,« frug Auguste erstaunt – »was hast Du denn vor?«

      »Nichts weniger« lachte Pauline, »als mir von Frau Heßberger heute Abend die Karten legen zu lassen und in dem dunklen Buche des Schicksals zu lesen, während ihr Gatte durch ein paar passende oder unpassende Gesangbuchverse die bösen Geister fern hält.«

      »Aber Pauline –«

      »Und Du sollst mich begleiten,« rief diese muthwillig – »ich will mich nicht umsonst schon die ganze Woche darauf gefreut haben.«

      Auguste schüttelte nachdenkend mit dem Kopf – es war ihr nicht ganz recht; die Aufforderung kam ihr aber auch so unerwartet und plötzlich, daß sie nicht gleich einen richtigen Grund wußte, sie abzulehnen.

      »Man soll doch eigentlich nicht mit den Geheimnissen der Zukunft sein Spiel treiben« sagte sie endlich leise.

      »Aber Herzensschatz,« lachte Pauline, »Du glaubst doch nicht etwa, daß Frau Heßberger, die den ganzen Tag über Schuhe einfaßt, oder ihrem Gatten den Pechdrath zu seiner Arbeit zurecht macht, Abends eine wirkliche Sybille würde und mehr von den Geheimnissen der Zukunft errathen könnte, als wir anderen armen Sterblichen auch?«

      »Wozu dann aber einen solchen Versuch machen?«

      »Verstehst Du denn keinen Spaß?«


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