Aus zwei Welttheilen. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich
und Mestizen, behaupten, es flösse rein indianisches Blut in ihren Adern, und uns dann ersuchen, nach den Eskimos hinaufzuschicken und Zeugen herunter zu holen. Nein, das geht nicht. Hätten wir aber auch wirklich die Zeugen hier, so sind das immer nur – Indianer. Das Gescheidteste wäre, Sie kauften das Mädchen, wenn Ihnen wirklich so viel daran liegt, als mir vorkommt.«
»Kaufen?« rief St. Clyde mit schmerzdurchbebter Stimme, »kaufen? – und sie ist dann wirklich Sklavin? Ist denn kein Ausweg, die Unglückliche von dieser Schande zu retten?«
»Ich fürchte – nein – auf jeden Fall aber wäre dies das Sicherste, sie doch wenigstens für den Augenblick zurückzuhalten. Vielleicht läßt sich jener Fremde auch bewegen, vorher nur einen Theil der Zahlung zu nehmen, und man kann dann sehen, was weiter in der Sache zu thun ist; was sagen Sie dazu?«
»Ach, bester Richter,« seufzte der junge Creole wehmüthig, »Sie wissen recht gut, daß ich arm bin. Mein einziges Pferd ist mir eben gestürzt, und ich werde kaum Geld genug übrig behalten, mir ein neues zu kaufen. Wie sollte ich die Summe auftreiben, die jener Bube für Saise fordern wird?«
»Hören Sie, St. Clyde, ich will Ihnen einen Vorschlag machen, ich selbst will das Mädchen kaufen und bei mir behalten; haben Sie sich das Geld verdient – so – überlaß ich sie Ihnen.«
»Kaufen und immer nur kaufen!« stöhnte der Creole.
»Nehmen Sie meinen Vorschlag an,« sagte der Richter herzlich, »sie soll in meinem Hause wie eine Tochter behandelt werden.«
»Gut denn, es sei,« rief St. Clyde, »ich muß mich fügen; es rettet sie ja wenigstens für den Augenblick; dann aber schaffe ich die Zeugen ihrer freien Geburt und wenn ich sie aus den Eisregionen des Nordens herunterholen müßte.«
»Es wird Ihnen nicht viel helfen; wollen Sie übrigens schlechterdings nach jenem Stamme einen Boten haben, so kann ich Ihnen zufällig die Anweisung geben, den zu finden. Heute Morgen waren sieben oder acht Indianer aus dem Parish West-Feliciana, von drüben über dem Mississippi, hier in Point-Coupee; sie haben Hirschfleisch verkauft und dafür Pulver, Blei und Whisky mit hinüber genommen.«
»Von welchem Stamme waren sie?«
»Wahrscheinlich Chocktaws, von denen halten sich stets einige hier in der Nähe auf. Doch erst bringen Sie den Handel in Richtigkeit; denn ist dem wirklich so, wie Sie glauben, und hat der gute Mann kein recht reines Gewissen, so wird er sich schwerlich lange in der hiesigen Nachbarschaft aufhalten, sondern seine Beute in Sicherheit bringen wollen. – So – hier dieses Papier geben Sie nur an Mr. Beaufort, er mag den Kauf für mich abschließen; meine Frau ist doch jetzt ganz allein und kennt die Indianerin auch schon, die Beiden werden sich sicherlich recht gut vertragen.«
»Doch, bester Richter, ich muß ein anderes Pferd haben; können Sie mir ein's verkaufen?«
»Was wollen Sie d'ran wenden?« frug dieser; denn ein Amerikaner läßt nie eine Gelegenheit ungenutzt vorüber, wo er hoffen darf einen Pferdehandel zu machen.
»Vierzig Dollar bleiben mir, das Nothwendigste abgerechnet, über.«
»Gut – ich schaffe Ihnen ein Pferd, aber heute Abend können Sie unmöglich noch fort.«
»Gleich! –«
»Unsinn, verderben Sie sich jetzt ihr Spiel nicht selbst durch Ihre Hitze; Abends acht Uhr hat der alte Beaufort seine Ladung Claret und geht zu Bett; erstlich ist es nachher ein Ding der Unmöglichkeit, ihn munter zu bringen, und geläng es Ihnen wirklich, so möchte ich die Laune sehen, in der er sich befindet. Vor neun Uhr morgen früh ist er nicht zu sprechen, und reiten Sie um acht Uhr hier fort, so treffen Sie ihn gerade beim Frühstück – das ist die beste Zeit. Uebrigens habe ich Beaufort ersucht, die Zahlung drei Tage zu verzögern und Saise indessen an sich zu nehmen; vielleicht gelingt es mir doch noch, sie zu retten. Ich will morgen mit Beatty, einem unserer besten Advokaten hier, sprechen; giebt es eine Art und Weise, auf welche wir die Identität der Häuptlingstochter beweisen können, so wird der sie schon ausfinden.«
Von neuen Hoffnungen erfüllt, ließ sich St. Clyde endlich durch die Gründe des Richters bewegen, auf seine Vorschläge einzugehen und die Nacht bei ihm zuzubringen. Als er aber am nächsten Morgen mit dem Brief, der Saise aus den Klauen jenes Buben retten sollte, auf der breiten Straße dahinsprengte, da ward er es sich erst selbst so recht bewußt und klar, wie er jenes unglückliche Mädchen liebe und wie es für ihn auf dieser Welt keinen weitern Frieden gebe, als den, den er an ihrer Seite finden konnte. Wohl war er arm und hatte Nichts, als seine eigene Kraft und Ausdauer; die Tochter der Wälder aber, an Entbehrungen von Jugend auf gewöhnt, würde sich wohl schwerlich zu dem civilisirteren Leben der Ansiedlungen zurückgesehnt haben, wenn er ihr wirklich, wie er es hoffte und glaubte, nicht gleichgültig war; nur erst frei mußte sie sein, frei wieder, wie der Vogel der Luft und der Hirsch der Prairie, und diese Angst von ihr genommen werden.
Zu schnellerem Trab spornte er sein wackeres Thier an, als er des armen Mädchens gedachte, und unter den hohen, schattigen Magnolien flog er rasch und fröhlich dahin. Endlich erreichte er die Ansiedlungen des Fausse Riviere, durch das kleine Städtchen sprengte er mit verhängten Zügeln – an Plantage nach Plantage brauste er vorbei – schon war er am »Poydras-College« vorüber und dort – dort schimmerte ihm jetzt das hohe, glänzende Dach aus dem grünen, schwellenden Laub entgegen. Er hatte die Orangenhecke erreicht, sprang vom Pferd, hing den Zügel desselben über einen alten, halbverdorrten Feigenbaum und flog die Stufen hinauf, wo er wußte, daß Mr. Beaufort allmorgendlich sein Frühstück halte.
»Hallo, St. Clyde,« rief ihm dieser freundlich entgegen, »das ist hübsch von Euch, daß Ihr wiederkommt, ich war gestern Abend ein bischen brummig, aber der verdammte Nigger hatte mich so geärgert. Nun, kommen Sie her – dahinten steht noch ein Stuhl – Scipio, Canaille, kannst Du nicht aufpassen, wenn Gentleman einen Stuhl sucht,« unterbrach er sich dann selbst, um einem kleinen, bei Tisch aufwartenden Negerknaben vorher diese freundliche Ermahnung zukommen zu lassen.
St. Clyde blickte ängstlich in dem Raum umher, in dem sonst zu dieser Zeit Gabriele und Saise nie gefehlt hatten.
»Sie suchen meine Tochter?« frug Beaufort, den Blick bemerkend – »ist nicht recht wohl heute Morgen, läßt sich entschuldigen.«
»Und – und Saise!«
»Hören Sie, St. Clyde,« sagte der alte Beaufort, sein Messer niederlegend, »wenn wir gute Freunde bleiben sollen, so verderben Sie mir mein Frühstück nicht und lassen Sie die alte Geschichte ruhen. Die Sache ist abgemacht.«
»Abgemacht? Um Gottes willen, wie? Ist Saise fort?«
»Noch nicht, aber nun thun Sie mir den Gefallen und setzen Sie sich. Der Claret ist ausgezeichnet und das Beefsteak vortrefflich.«
»Mr. Beaufort, ich habe diesen Brief vom Richter an Sie abzugeben; er läßt Sie dringend bitten, seinem Wunsche zu willfahren!«
»Schön,« sagte Beaufort, das Schreiben, ohne es weiter anzusehen, unter den Teller schiebend, »wollen's nachher einmal untersuchen.«
»Es hat Eile, Mr. Beaufort, es hängt das Glück eines Lebens davon ab,« bat St. Clyde.
»Nun hab' ich's bald satt,« rief Beaufort halb lachend, halb ärgerlich; »glauben Sie denn, ich ließe der ganzen Welt zu Gefallen, mein Beefsteak kalt und den Claret warm werden? Was nicht bis nach dem Frühstück Zeit hat, bleibt ganz, das ist mein Sprichwort, und nun setzen Sie sich, sonst werd' ich ernstlich böse.«
St. Clyde sah wohl daß hier keine weiteren Vorstellungen halfen, er ließ sich also neben dem Pflanzer nieder, aber nicht möglich war es ihm einen Bissen über die Lippen zu bringen; ein paar Gläser Wein trank er, sein kochendes Blut abzukühlen, und ging dann unruhig in der von Blumen und Blüten durchdufteten Galerie auf und ab. Mr. Beaufort beendete indessen sein Frühstück in aller Behaglichkeit, schlürfte noch langsam den letzten Rest Wein hinunter, wischte sich dann den Mund ab, lehnte sich ein wenig im Stuhl zurück und sagte mit einem tiefen Athemzug:
»So – jetzt wollen wir ein bischen hinuntergehen und zusehen, wie –«
»Aber der Brief –«
»Ach ja so – den hätt' ich beinahe